Ein Buch über Bioökonomie – das klingt eher dröge als unterhaltsam. Ist es aber nicht: Die Autorin hat für ihre Recherchen die halbe Welt bereist und trotzdem den Überblick behalten.
Die Journalistin Christiane Grefe hat sich viel vorgenommen mit ihrem Buch. Schließlich umfasst der Begriff „Bioökonomie“ zahlreiche Wirtschaftsbranchen, die gesamte Ernährungspolitik, eine ganze Reihe wissenschaftlicher Disziplinen und die Zivilgesellschaft; kurz: gefühlt alles. Deshalb eröffnet die Autorin mit einer Warnung: Ein so umfassendes Thema zu recherchieren gehe nicht ohne Mut zur Lücke. Mag sein – beim Lesen fühlt es sich nicht so an, als fehle etwas. Im Gegenteil: Grefe hat ein gründlich recherchiertes Buch geschrieben, das einen sehr guten und verständlichen Überblick über das weite Feld der Bioökonomie gibt.
Weitgehend unvoreingenommen blickt Grefe auf Labore, Startups und Landwirtschaftsbetriebe rund um die Welt: In den USA forscht man an schneller wachsendem Lachs und leuchtenden Pflanzen, in Deutschland investiert das Bildungsministerium in Eis aus Lupinen, und dänische Wissenschaftler verändern Pilze und Mikroben so, dass sie in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden können. Politiker, Wissenschaftler oder Bauern lässt Grefe oft einfach selbst erklären und argumentieren. Über allem steht die große Frage: Wie können immer mehr Menschen trotz schwindender Ressourcen wie Boden und Wasser mit gesunder Nahrung und nachhaltiger Energie versorgt werden?
Eines der sieben Kapitel widmet Grefe der Bioökonomie in Entwicklungsländern. Einerseits zeigt sie, dass Kleinbauern „oft ohne den Begriff zu verwenden“ bioökonomische Konzepte anwenden: etwa bei der Wiederbelebung vertrockneter Äcker in der Sahelzone. Andererseits spart sie aber auch die schlechten Beispiele nicht aus. Aus Tansania erzählt sie die Geschichte der robusten Jatropha-Pflanze. Die wurde von europäischen Ländern zunächst als Zusatz für Biokraftstoff gefeiert, bis sich herausstellte, dass sie nicht genug Ertrag brachte. Leidtragende waren die Kleinbauern, die ihr Land in der Hoffnung auf Arbeit billig an die Industrie verscherbelt hatten.
Dass die Bioökonomie vielversprechende Ansätze birgt, geht aus dem Buch hervor. Doch die Autorin legt auch Widersprüche offen: Neuerungen wie essbare Sitze im Flugzeug seien nichts als Selbstbetrug, solange niemand das Billigpreisgebot der Fluggesellschaften insgesamt in Frage stelle: „Klingt gut, ist aber gefährlich.“
Am Ende des Buches führt Grefe auf, wo sie die politischen Baustellen für eine nachhaltige Bioökonomie sieht: vor allem im fehlenden Biss, bessere Recyclingvorschriften auf Europaebene umzusetzen. Außerdem mangele es an Standards für Biomasse: Palmöl im Tank braucht ein Zertifikat, Palmöl in der Margarine aber nicht. Die Zivilgesellschaft ist bisher eher zurückhaltend darin, auf die Bioökonomie-Politik einzuwirken. Es ist vorstellbar, dass „Global Gardening“ manchen Leser anregt, sich mehr einzubringen und die Entwicklungen genauer zu beobachten.
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