Junge Menschen waren die tragenden Akteure des „arabischen Frühlings“, brachten in Westafrika verhasste Diktaturen zu Fall und ermöglichten im Senegal und in Burkina Faso den friedlichen Machtwechsel. Zwei Bücher analysieren die Hintergründe.
Mit ihrer Studie „Africa Uprising“ geben Adam Branch und Zachariah Mampilly einen Überblick über die geschichtlichen Hintergründe städtischer Proteste. So zeigen sie, wie das Kürzungsdiktat des Internationalen Weltwährungsfonds Anfang der 1990er Jahre staatliche Investitionen in Gesundheit und Bildung beschnitt und so die Zukunftsperspektiven junger Stadtbewohner in vielen afrikanischen Staaten zerstörte. Die Folge waren Jugendproteste und Brotunruhen, die repressive Regime von Sicherheitskräften gewaltsam niederschlagen ließen.
Ohne solche historische Einordnungen sind heutige Proteste nicht zu verstehen, wie die zwei Politikwissenschaftler mit viel Lehrerfahrung an Universitäten in Ostafrika argumentieren. So veranschaulichen sie am Beispiel Ugandas, Äthiopiens und Nigerias, wie die dortigen urbanen Bewegungen von den jeweiligen Machthabern in den 1990er Jahren zerschlagen wurden. Die praxisorientierten Forscher betonen, dass die Protestierenden dabei trotz allem viel gelernt hätten. Weshalb man die zivilgesellschaftlichen Kräfte in afrikanischen Städten auf keinen Fall nur daran messen dürfe, ob sie einen politischen Umsturz herbeiführen könnten oder nicht.
Das Buch ist in insgesamt acht Kapitel unterteilt, wobei die drei Länderstudien in grundsätzliche Überlegungen zu urbanen Protesten in Afrika eingebettet sind. Die Autoren referieren auf verständliche Art und Weise unterschiedliche Erklärungsansätze und ermöglichen so ihrer Leserschaft, sich eine eigene Meinung zu bilden. Positiv hervorzuheben ist auch ihre Zurückhaltung gegenüber unkritischen Idealisierungen der Proteste. Wer sich innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit auf urbane Projekte vorbereiten will oder mehr über die Motive junger Aktivisten erfahren möchte, wird diese anschauliche Analyse mit großem Erkenntnisgewinn lesen.
Urbanes Leben ist auch das zentrale Thema des Sammelbands der Kapstädter Geographen um Susan Parnell und Edgar Pieterse. In insgesamt 14 reich bebilderten Kapiteln erklären die zumeist südafrikanischen Autoren sowie kanadische und britische Gastwissenschaftler am African Centre for Cities die Herausforderungen für Transportwesen, Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung. Schnell wachsende informelle Siedlungen, mangelnde Wasser- und Abwasserversorgung sowie Armut sind die Strukturprobleme im westafrikanischen Lagos ebenso wie in der ostafrikanischen Hafenmetropole Dar es Salaam. Weitere Schwerpunkte sind urbaner Umweltschutz sowie die Auswirkungen bewaffneter Konflikte und Kriege auf die Urbanisierung. Konkret geht es um die Sicherheitslage in Großstädten wie Juba im Südsudan und Goma im Ostkongo.
Stadtplanung steht im Mittelpunkt mehrerer Beiträge, etwa zur Dezentralisierung und der Auseinandersetzung mit Gesetzesgrundlagen oder nationalen Urbanisierungsstrategien. Allen Texten gemeinsam ist die Illustration von Strukturen und Veränderungen anhand von Schaubildern und Statistiken. Zudem argumentieren die Autoren durchweg historisch und erklären das Erbe der kolonialen Stadtplanung, die immer auf den Ausschluss der schwarzen Bevölkerungsmehrheit ausgerichtet war. Sie kritisieren aber auch die Grundannahme der Regierenden, die aus Unabhängigkeitsbewegungen stammen und Urbanisierung noch immer negativ bewerten, weil sie Aufstände fürchten.
Trotz aller Rhetorik von freien Wahlen sähen die Ex-Kämpfer die Bevölkerung am liebsten auf dem Land – unter der Kontrolle autoritärer Chiefs, die vor allem Jugendliche und Frauen zu bändigen suchen. So gibt es direkte Bezüge zu „Africa Uprising“. Im Idealfall liest man gleich beide Bücher und folgt den Autoren auf ihren Erkundungstouren durch Afrikas Städte.
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