Altkleider machen arm

Kritische Bücher über die Textilindustrie und die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern wurden zuletzt reihenweise veröffentlicht. Andrew Brooks beleuchtet zusätzlich den weltweiten Handel mit Second-Hand-Kleidern – und seine Auswirkungen auf die Abnehmerländer.

Der Altkleiderhandel ist für Brooks die andere, oft verborgene Seite des globalen Modegeschäfts. Die Akteure dieses Handels beschreibt er ausführlich: Etwa die Charity-Organisationen in England und den USA, die nur einen Teil ihrer gesammelten Kleider in den innenstädtischen Secondhand-Shops verkaufen, den Großteil aber sortiert und abgepackt in den Nahen Osten, nach Mittelamerika oder Afrika verschiffen.

Was dort mit der Ware aus Europa passiert, hat er sich unter anderem auf den Secondhand-Märkten in Mosambik angeschaut. Kleine Händler nehmen ganze Kleiderballen mit BHs oder Jeans in Kommission, ohne die Ware vorher gesehen zu haben. Die Kundinnen und Kunden kaufen was passt, funktional ist und was sie sich leisten können. Zwar spielen dabei auch Modetrends eine Rolle, jedoch weit weniger als im industrialisierten Westen und meistens mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Der Secondhand-Handel trage so dazu bei, dass traditionelle Kleidung an Bedeutung verliert und die Entstehung lokaler Modetrends ausgebremst wird, meint Brooks, der am King’s College in London Entwicklungsgeografie lehrt.

Auch die Auswirkungen des massiven Exports von Altkleidern auf die lokale Wirtschaft sieht er kritisch. Zwar bringe der Handel neue Jobs. Aber zugleich ersticke er die Entstehung eines unabhängigen Textilsektors in den betroffenen Ländern. Denn die in China hergestellten und in Europa oder den USA abgetragenen Kleider sind billiger als heimische Produkte, zumindest wenn diese unter halbwegs fairen Bedingungen produziert werden. Zur Armutsminderung trägt der Secondhand-Handel so kaum bei, betont Brooks – ein Warnschuss an Organisationen wie Humana oder Oxfam, die zu den Akteuren des Secondhand-Geschäfts gehören.

Darüber hinaus schmiert das Recycling die Fast-Fashion-Spirale: Wer alte Kleider entsorgt und sich dabei auch noch gut fühlt, kauft mehr und öfter neue Klamotten. Große Händler wie H&M tragen dazu bei, indem sie selbst Altkleider einsammeln und den Kunden dafür Rabatte gewähren. Wozu das führt, belegen Umfragen in England. Demnach werden dort neue Kleidungsstücke im Schnitt nur sieben Mal getragen, bevor sie wieder entsorgt werden.

Eine Handreichung für Konsumenten ist das Buch nicht. Eine Empfehlung lässt sich aber dennoch ableiten: Besser die kaputten Jeans oder Hemden flicken, als sie in den nächsten Altkleider-Container zu stopfen. Vom Gedanken des ethischen Konsums hält Brooks nicht allzu viel. Zwar könnten Aufpreise für nachhaltig produzierte Textilien und Geschäftsmodelle, die direkt mit lokalen Initiativen in Entwicklungsländern kooperieren, punktuell für bessere Bedingungen sorgen. Doch den krassen wirtschaftlichen Gegensätzen und damit der Grundlage der Ausbeutung lasse sich auf diesem Wege nicht beikommen.

Seine Vorschläge gehen weiter: Afrikanische Staaten sollten den Import der Secondhand-Textilien schrittweise herunterfahren und stattdessen in den Aufbau einer eigenen Bekleidungsindustrie investieren. Natürlich mit fairen Löhnen. Und mit Schutzzöllen, die lokale Märkte vor der zerstörerischen Kraft des liberalisierten Handels abschirmen.

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