Multinationale Konzerne stützen sich auf internationales Wirtschaftsrecht, Investitionsschutz-Abkommen, Freihandelsverträge und Schiedsgerichte. Doch Menschenrechte sind ihnen gegenüber nur schwer einklagbar. Die Menschenrechtsanwälte Miriam Saage-Maaß und Wolfgang Kaleck berichten von Versuchen, das zu ändern.
Wo transnationale Konzerne und ihre Zulieferer für den globalen Markt produzieren, geht es um Kostenminimierung und Gewinnmaximierung – (fast) um jeden Preis. Dass dabei Menschenrechte, insbesondere die von Arbeiterinnen und Arbeitern, aber auch die einheimische Bevölkerung und die Umwelt im globalen Süden immer wieder den Kürzeren ziehen, erscheint im globalisierten Kapitalismus fast schon als logische Konsequenz.
Nicht so für das in Berlin ansässige „European Center for Constitutional and Human Rights“ (ECCHR), deren bekannteste Gesichter Miriam Saage-Maaß und Wolfgang Kaleck sind. Sie sehen sich als Verbündete der Proteste und Kämpfe von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen gegen die „schändlichen Auswirkungen globalen Wirtschaftens im Süden“. Sie vertreten in erster Linie Opfer von Menschenrechtsverletzungen und ihre Angehörigen vor Gericht.
Die Voraussetzungen für Klagen gegen die Konzerne im globalen Norden liefern zum einen örtliche Proteste und Organisationen von Betroffenen, zum anderen Recherchen und deren juristische Aufarbeitung durch Menschenrechtsorganisationen in den Ländern des Südens. Von den Klagen des ECCHR gegen Mercedes-Benz, Ford, Nestlé und KiK, aber auch von etlichen anderen Erfahrungen erzählen Saage-Maaß und Kaleck in ihrem Buch. Sie halten nur wenig von freiwilligen Initiativen der „Unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung“ (Corporate Social Responsability oder CSR).
Auch im Globalen Pakt der Vereinten Nationen sehen sie einen zahnlosen Tiger. Schließlich haben die Lippenbekenntnisse der Wirtschaft katastrophale Unfälle in den Zulieferbetrieben der globalen Textilindustrie in Bangladesch und Pakistan nicht verhindert: Beim Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes starben 1113 Textilarbeiterinnen und -arbeiter, bei Ali-Enterprises in Karatschi wurden 260 Menschen Opfer einer Brandkatastrophe. Erst der organisierte Widerstand der Betroffenen und Opfer-Angehörigen von Rana-Plaza, Empörung und weltweite Proteste nichtstaatlicher Organisationen sowie juristische Klagen haben in Bangladesch zumindest ein verpflichtendes Abkommen der Textilindustrie über Brandschutz und Gebäudesicherheit erwirkt.
Im Fall der Brandkatastrophe von Karatschi klagen Überlebende und Angehörige der Opfer in Deutschland in einem Zivilverfahren gegen KiK in Dortmund auf Schadensersatz. Auch hier ist das ECCHR direkt beteiligt: Miriam Saage-Maaß hat ein Rechtsgutachten geschrieben, das dazu beigetragen hat, dass die Klage in Deutschland überhaupt zugelassen wird. Nicht zuletzt aufgrund solcher Erfahrungen ist „Unternehmen vor Gericht“ ein Handbuch zur Menschenrechtsarbeit im globalen Maßstab und zugleich ein Manifest für verbindliche, einklagbare Rechte gegenüber Unternehmen.
Neuen Kommentar hinzufügen