Der jordanische Politikwissenschaftler Mohammed Abu Rumman hat mit Salafisten gesprochen, um herauszufinden, was junge Menschen in der arabischen Welt in die Arme der Radikalen treibt. Das ist ihm nicht ganz gelungen.
Salafismus ist zwar in aller Munde, doch darüber, wie sich Salafisten selber sehen, ist wenig bekannt.
Der Islamismus-Experte Mohammed Abu Rumman vom Center for Strategic Studies der Universität von Jordanien in Amman hat für die Friedrich-Ebert-Stiftung den Versuch unternommen, anhand der wachsenden salafistischen Szene in Jordanien salafistische Gemeinschaften von innen zu beschreiben. Sie existieren in Jordanien vor allem in den armen östlichen Stadtteilen der Hauptstadt und in der angrenzenden Provinz Zarqa. War das Phänomen zunächst vor allem unter palästinensischen Jordaniern verbreitet, gehören heute immer mehr „ursprüngliche“ Jordanier zur Bewegung dazu.
Es war schwierig für Abu Rumman, überhaupt Gesprächspartner zu finden, die zu den Interviews bereit waren. Immerhin 33 Salafisten konnte er ausführlich befragen, warum und wie sie sich der Bewegung angeschlossen haben. Aus den Antworten liest er Grundzüge eines „salafistischen Charakters“ heraus. Dazu benutzt er das Werkzeug der Identitätssoziologie, indem er das Phänomen Salafismus als eine Selbst- und Identitätssuche inmitten von Krisen und ungelösten Fragen deutet, vor denen arabische Gesellschaften stehen.
Salafismus interpretiert Abu Rumman so als Verteidigung einer schwachen Identität gegen die Herausforderungen der Moderne und den Druck einer globalisierten Kultur, die in traditionellen Gesellschaften starke Verunsicherung hervorruft.
Mit Hilfe einer Vielzahl von Namen und Details vermittelt er einen guten, manchmal etwas trocken zu lesenden Überblick über die breite Palette salafistischer Strömungen, die alles andere als homogen sind. Drei Hauptströmungen macht der Politikwissenschaftler innerhalb des Salafismus aus, die allerdings nicht scharf voneinander abgegrenzt sind: Traditionalisten, die jede politische Mitwirkung ablehnen; Dschihadisten, die die säkularen arabischen Regime als „gottlos“ ablehnen und bekämpfen; und Aktionisten, die zwischen den beiden ersten Lagern schwanken und in ihren Positionen oft am schwierigsten zu bestimmen sind. Die Übergänge sind häufig fließend. Neben beliebten Scheichs als Führungsfiguren spielen dabei auch das Internet und religiöse Fernsehsender eine wichtige Rolle. Die Bewegung ist ständig im Fluss, Allianzen entstehen und zerbrechen schnell. In vielen Einzelfragen sind sich Salafisten uneins, zum Beispiel ob man christliche Freunde haben darf, ob Schachspiel oder Fußball zulässig sind oder wie es sich mit den Körperstrafen verhält.
Die Porträts überzeugen jedoch nicht immer. Abu Rumman beschreibt zwar die einzelnen Stationen im Werdegang seiner Gesprächspartner minutiös, trotzdem bleibt der Mensch oft wenig greifbar. Die entscheidenden Bruchlinien im Leben werden nicht sichtbar. Die Frage, warum ein junger Mensch zum Salafisten wird, kann Abu Rumann im Einzelfall nicht überzeugend beantworten.
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