Bilanz und Vision

Konrad Raiser
Ökumene unterwegs zwischen Kirche und Welt
Erinnerungsbericht über dreißig Jahre
im Dienst der ökumenischen Bewegung
Lit-Verlag, Berlin 2013, 496 Seiten, 49,90 Euro

Der frühere Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Konrad Raiser, blickt auf die Geschichte der Ökumene zurück und ruft die Kirchen dazu auf, an einer „Kultur des Lebens“ mitzuwirken.

Der Autor legt einen persönlichen theologischen Rechenschaftsbericht über sein Engagement in der christlichen Ökumene vor. Raiser war ab 1973 stellvertretender Generalsekretär und nach zehn Jahren als Professor in Bochum von 1992 bis 2003 Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Er gibt Einblick die Arbeitsweise des ÖRK, in theologische Entwicklungen, Diskussionen um Strukturfragen und Probleme der Ökumene und zeigt, wie globale Veränderungen in den Beziehungen zwischen Staaten und Gesellschaften, Kulturen und Religionen die Arbeit des Kirchenrates beeinflussten.

Im Spiegel der Reflexion seiner theologischen Arbeit entsteht so ein Bild der Entwicklungen in der Ökumene seit 1969. Raiser verweist immer wieder auf eigene frühere Publikationen, sodass dieses Buch nicht nur als Bericht über die Arbeit des ÖRK, sondern auch als eine Einführung in Raisers eigenes theologisches Denken gelesen werden kann.

Deutlich wird, dass der ÖRK trotz Schwierigkeiten und Strukturdebatten als eine Art Seismograf für die weltweiten Probleme fungiert hat. Im Gespräch der Kirchen miteinander sind frühzeitig Herausforderungen des menschlichen Zusammenlebens in einer zunehmend voneinander abhängigen Welt identifiziert und diskutiert worden, die nicht nur für die Gemeinschaft der Kirchen, sondern für die Menschheit insgesamt von Bedeutung sind. Die Vollversammlungen des ÖRK und ihre Vorbereitung spielten, wie Raiser erklärt, eine entscheidende Rolle im ökumenischen Diskurs.

Raiser schließt seinen chronologischen Erinnerungsbericht mit dem Versuch einer Bilanz, in dem er seine ökumenische Vision für das 21. Jahrhundert skizziert. Er spricht vom „ökumenischen Raum“, der den Kirchen die Chance eröffnet, ihre im Bekenntnis zu Christus gründende Aufgabe wahrzunehmen. Diese Aufgabe sieht er in der Transformation der Welt in Richtung auf eine „Kultur des Lebens“.

Leser, die die Entwicklungen des ÖRK in den vergangenen Jahrzehnten aufmerksam verfolgt haben, werden in diesem Buch möglicherweise Bekanntes in neuer Perspektive finden und vielleicht einiges entdecken, was ihnen bisher nicht bekannt oder bewusst war. Wer sich bisher nicht besonders ausführlich mit der Arbeit des ÖRK beschäftigt hat, könnte bei der Lektüre Lust bekommen, dem einen oder anderen Thema tiefer nachzugehen. Die zahlreichen Anmerkungen bieten dazu gute Hinweise.

Für entwicklungspolitisch Interessierte könnte aufschlussreich sein, dass der ökumenische Diskurs keineswegs nur für Kirchen relevant ist, sondern immer auch die eine Welt, die Menschheit und die übrigen Geschöpfe im Blick hat. Das Buch enthält ein Namensregister, hilfreich wäre auch ein Abkürzungsverzeichnis gewesen. 

Rudolf Ficker
 

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