Al Imfeld macht sich kritische Gedanken über die Missionierung der Welt. Es ist kein Pamphlet, sondern das ausgewogene Fazit eines Mannes, der vor allem in Afrika in den vergangenen 50 Jahren vieles gesehen und miterlebt hat.
Kurz nach der Matura besuchte Al Imfeld den alten Albert Schweitzer in Lambarene. Er war entsetzt, als dieser ihm erklärte, die „Neger“ seien wie kleine Kinder erst auf dem Weg zum Menschsein. In seinem Buch kontrastiert Imfeld die Sicht von deutschen Autoren auf Schweitzer, die in ihm ein „Genie der Menschlichkeit“ sehen, mit den Aussagen von Schriftstellern aus dem globalen Süden, die begreiflicherweise kein so rosiges Bild des „Urwalddoktors“ haben. Für Imfeld verkörperte Schweitzer eine typische Haltung von Europäern: „Wir leben also mit Schweitzer bis heute am ganzen Afrika vorbei. Wir haben Mitleid und spenden; wir bereisen Wildparks und retten Serengeti. Menschen wollen wir weder dort sehen und treffen noch bei uns und um uns herum haben.“
Es sind diese Verbindungen zwischen selbst Erlebtem, Gelesenem und grundsätzlichen Überlegungen, die Imfelds kurze, aber fast immer prägnante Meditationen über Mission ausmachen. Sein großes Wissen über Afrika bringt er im lockeren Plauderton unter. Es reichen wenige Sätze und man sieht vor sich, wie naiv seine Kollegen und er an einem Schweizer Missionsseminar in den 1950er Jahren auf das Leben in Afrika vorbereitet wurden. Er schreibt von der Verbindung zwischen Mission und kolonialer Verwaltung, vom antikolonialen Befreiungskampf und von den Schwierigkeiten der Kirchen mit den neuen selbstbewussten Christen in Afrika umzugehen. Er schildert den Wandel von der Mission zur Entwicklungshilfe: Statt Glauben werde nun Geld nach Afrika gebracht, es bleibe die Abhängigkeit.
Spannend sind seine Bemerkungen zur Bekehrung. Viele Menschen, so Imfeld, hätten zwei Religionen. Eine neue Religion verdränge nicht einfach eine alte, sondern werde für bestimmte Anlässe oder Funktionen gewählt und käme zu einer alten Religion hinzu. Kaum ein Mensch konvertiere wegen „der Wahrheit“, sondern aus Gründen, die sich im sozialen Umfeld lägen. Das Bild der Missionare ist ein anderes: Sie wünschen sich einen Bruch im Leben der Menschen, eine völlige Abkehr vom Alten, das durch etwas Neues ersetzt werde – für Imfeld eine Fantasie. Eine Vergangenheit könne weder historisch noch persönlich ganz und für immer verdrängt werden.
Bei all diesen Überlegungen schreibt Imfeld ausgewogen, er verbreitet eher Nachdenklichkeit, wie alles so hat kommen können. Er nennt die Erfolge der Mission im Gesundheits- und Erziehungswesen – aber auch ihre Nebenwirkungen. Und er schreibt ganz unironisch von „heldenhaften Missionaren“, die sich engagiert für Menschen einsetzen. Imfeld ist frei von Romantizismus, er weiß von den hässlichen Folgen des Hexenglaubens und der Korruption in Afrika zu berichten, und dass die Kolonisierten mitunter wie die Kolonisatoren wurden. Aber sein Nachdenken richtet sich an das deutschsprachige Publikum. Sein Buch ist kein Pamphlet gegen die Mission, sondern die Summe eines Mannes, der einiges in Mission und Entwicklungshilfe miterlebt hat. Deswegen wiegt sein Fazit schwer, auch wenn es scheinbar banal klingt: Es komme darauf an, das vorzuleben, was man als Willen Gottes erkannt habe – am besten erst einmal daheim. (Christoph Fleischmann)
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