Rustam Effendi ist früh aufgestanden. Der 40-Jährige hat heute Morgen ein Ziel: Er will Kopi Luak finden, den Katzenkaffee, der von der Wildkatze Luak gefressen, fermentiert und dann ausgeschieden wird. Nur etwa 15 Minuten von seinem Haus entfernt ist eine Stelle, an der die Wildkatzen sich gerne aufhalten. Ein Urwaldriese liegt da am Hang – längst gefällt, gut vier Meter im Durchmesser, aber die Holzfirma hat ihn damals einfach liegen lassen. Rustam balanciert den moosbewachsenen Stamm entlang zu der bestimmten Stelle ganz unten. Und er hat Glück: Zwei große Haufen fermentierten Kaffees liegen da. Sein Wert erhöht sich immens, wenn die Bohnen durch den Magen der Wildkatzen gewandert sind.
Rustam hatte sich alles so schön ausgemalt, als er vor drei Jahren sein Erspartes nahm und dem alten Kaffeebauern Parudiam in der Bergregion Merangin im Westen der indonesischen Insel Sumatra für umgerechnet etwa 10.000 Euro seine sieben Hektar große Kaffeeplantage abkaufte. Rustam war zuvor Fischer, doch die Geschäfte liefen schlecht und der Jobwechsel sollte mehr Chancen für die Ausbildung der beiden Söhne bringen. Was Rustam nicht wusste: Das Land, in das er all seine Hoffnungen setzte, liegt am Rand des Kerinci-Seblat-Nationalparks, der nun ausgeweitet werden soll.
Autorin
Melanie Hofmann
ist freie Journalistin in Berlin.Indonesien gehört zu den Gebieten mit den größten zusammenhängenden Tropenwäldern. Das ist Fluch und Segen zugleich: Rund 20 Prozent der globalen Treibhausgase entstehen, wenn Wälder gerodet oder zerstört werden. Mit 1,8 Millionen Hektar gerodeter Waldfläche im Jahr sorgt Indonesien für bis zu ein Fünftel globalen CO2-Emissionen. Der von den UN eingeführte Klimaschutzmechanismus REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) eignet sich für ein Land wie Indonesien, in dem viel Wald geschützt werden kann, besonders gut. So ist fast die Hälfte dieser Projekte in Indonesien angesiedelt. Noch befindet sich REDD aber in der Planungsphase, nur einzelne Pilotprojekte laufen schon. Derzeit wird die nationale indonesische REDD-Strategie entwickelt, das heißt es werden Daten erhoben und Mechanismen erstellt, wie später Emissionen ver-mindert werden können, sowie Finanzierungsmechanismen dafür aufgebaut. In der zweiten REDD-Phase soll unter anderem festgelegt werden, wer welche Rechte an dem in Wäldern gespeicherten Kohlenstoff hat und wie die Einkünfte auf nationaler Ebene verteilt werden.
Im Rahmen der REDD-Implementierung kommt es immer wieder zu Konflikten: Nach Angaben des indonesischen Bauernverbandes SPI (Serikat Petani Indonesia) haben seit Beginn der ersten REDD-Projekte Bauern und Indigene den Zugang zu 26,6 Millionen Hektar Wald verloren. Kleinbauern haben bei Streit um Landrechte gegen die Lobbyverbände der Palmölindustrie kaum eine Chance. Weniger als 40 Prozent der Indonesier besitzen laut Weltbank offizielle Landrechte oder Grundbucheintragungen. Oft ist unklar, wem Land gehört und was mit Bauern geschieht, die sich auf ungenutztem Land niedergelassen haben.
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Das Masurai-Tal im Bezirk Merangin, etwa acht Autostunden westlich von Jambi, der Hauptstadt der indonesischen Insel Sumatra, ist ein fruchtbarer Fleck Erde. Früher war hier alles Wald, doch die Regierung vergab an zwei Firmen, die PT Serestra und die PT Injapsin, Konzessionen zur Abholzung. 1994 wurde diese ohne ersichtlichen Grund gestoppt, die Firmen verließen das Land, obwohl ihre Konzessionen noch gültig waren. Doch die Holzfäller hatten mehr mitgebracht als schwere Maschinen. Menschen sind ihnen gefolgt und haben sich auf dem gerodeten Land niedergelassen. Es ist bergig, der Boden ist fruchtbar, das Klima eignet sich hervorragend für den Kaffeeanbau. Die Bauern kommen aus umliegen-den Regionen, aber auch von außerhalb, und bringen sich das Kaffeegeschäft selbst bei – wie Rustam Effendi.
Immer mehr Menschen siedeln auf dem gerodeten Land
Sabur war einer der ersten. Schon Ende der 1980er Jahre mag das gewesen sein. Damals fand er leeres Land vor. „Ich habe etwa drei Hektar davon in meine Plantage umgewandelt. Es war nichts da, ganz allein habe ich das gemacht“, sagt Sabur. „In den vergangenen 20 Jahren sind nach und nach mehr Menschen gekommen und haben auf dem gerodeten Land ihre Plantagen gegründet.“ 2004 hat dann die Regierung 14.000 Hektar des ehemaligen Konzessionsgebietes zum Nationalpark erklärt – hauptsächlich noch intakte Waldflächen weiter oben auf den Bergen. Der Wald soll bewahrt werden und bietet vielen Tierarten Lebensraum, unter anderem dem vom Aussterben bedrohten Sumatra-Tiger.
Der Park heißt „Taman Nasional Kernici Teblat“ und ist Teil eines der größten integrierten Naturschutz- und Entwicklungsprojekte der Weltbank. Die Kaffeebauern erfuhren von seiner Existenz durch einige Regierungsvertreter, die 2004 in die Region kamen. Wo die Grenzen verlaufen, wissen sie nicht. Sie wissen daher auch nicht, dass 2000 Hektar Farmland offiziell zu geschütztem Nationalpark-Land umgewandelt wurden.
Auch die deutsche Regierung ist an dem Projekt beteiligt. „Der Kerinci-Seblat-Nationalpark ist einer von drei Nationalparks, in denen ausgewählte Maßnahmen mit einer 2007 zwischen der deutschen und indonesischen Regierung vereinbarten Schuldenumwandlung finanziert werden sollen“, sagt Charis Pöthig von der KfW Bankengruppe, die auch Klimaprojekte im Namen der Bundesregierung finanziert. Einzelne Vorhaben im Park soll das indonesische Forstministerium zunächst im Alleingang planen und verwirklichen. 2014 entscheidet sich, ob die Maßnahmen mit einem Schuldenerlass der Bundesregierung refinanziert werden.
2010 unterzeichneten die australische und die indonesische Regierung ein Abkommen zur Klimafi nanzierung (Forest Carbon Partnership) über 30 Millionen Australische Dollar, der Nationalpark in Merangin soll ausgeweitet werden. Jetzt sind die Kaff eebauern im Weg. „Im September 2010 bekamen wir einen Brief, in dem wir aufgefordert wurden, unser Land zu verlassen– in nur 20 Tagen“, erinnert sich Rustam. Im Brief wurde den Bauern mit hohen Geld- oder Gefängnisstrafen gedroht, sollten sie der Forderung nicht nachkommen. Sie wandten sich hilfesuchend an die lokale nichtstaatliche Organisation CAPPA. Das Ergebnis: Die Bauern bleiben.
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Das rief am 20. November 2010 die Forstpolizei auf den Plan. „Sie hatten Waffen dabei“,sagt Rustam Effendi. „Sie haben uns Angst gemacht und wollten uns dazu bringen, das Dorf zu verlassen.“ Die 140 Polizisten klopft en an alle Türen und forderten die Menschen auf, zu gehen.„Sie haben uns angeschrieben und gesagt, wir seien illegal“, fügt er hinzu. „Sie sind in die Schule gegangen und haben die Kinder erschreckt. Sie mussten mit ansehen, wie die Polizisten Waffen auf ihre Eltern richten. Es war schrecklich."
Um den Widerstand der Bauern zu brechen, nahmen die Polizisten sechs Bauern fest, setzten einige Häuser in Brand und zerstörten mindestens 40 Hektar Plantagen. Tausende Kaffeebauern flohen in das Dorf Ladi, die höchstgelegene Siedlung im Plantagengebiet. Drei Wochen harrten sie dort aus. CAPPA verständigte unterdessen die Medien, schrieb einen Protestbrief an die Provinzverwaltung und kontaktierte die indonesische Menschenrechtskommission. „Deren Vertreter kamen nach Masurai, um sich vor Ort ein Bild zu machen", sagt Yunus Zulhakim von CAPPA. Auch der Forstwirtschaftsminister besuchte die Plantagen. „Das hat die Situation etwas abgekühlt", so Yunus. Der Minister sagte den Menschen zu, dass die Situation mit der Bezirksregierung verhandelt werde. Yunus: „Er hat wohl das ökonomische Potenzial der Region erkannt."
CAPPA informiert die Kaffeebauern und ihre Familien über ihre Rechte, aber auch über Umweltschutz und den Kohlenstoff-Markt unter REDD. „Wir versuchen, gemeinsam mit den Farmern eine Lösung zu erarbeiten, denken über alternative Landnutzungsmethoden nach", sagt Yunus. Eine wichtige Säule zur Konfliktlösung sieht CAPPA in der Landvermessung. Mit GPS-Geräten versuchen CAPPA-Mitarbeiter gemeinsam mit ortsansässigen Bauern, die Grenzen der Plantagen und des Nationalparks festzulegen. „Es ist wichtig, zu wissen, wie groß das Land für die Anbauflächen ist und wo der Nationalpark ist. Damit schaffen wir eine Diskussionsgrundlage für die Farmer", sagt Yunus.
Noch ist nicht klar, welche Ackerflächen zum Nationalpark gehören sollen - CAPPA schätzt, dass es etwa 1300 Hektar sind. Für Yunus wäre auch eine Statusumwandlung des Landes eine akzeptable Lösung: Das indonesische Forstministerium sieht auch von einer Gemeinde bewirtschaftete Waldflächen vor - im Rahmen des Community Based Forest Management könnten die Bauern statt Monokultur mit Kaffeesträuchern auch andere Bäume pflanzen und würden so Ansprüche an den Umweltschutz erfüllen.
Die Farmer wollen an der Planung beteiligt werden
Davon will der indonesische Bauernverband SPI im Moment nichts hören. „Wir respektieren den Plan der Regierung, hier den Nationalpark auszuweiten, aber die Regierung sollte auch die Menschen mit ihren Plantagen respektieren", sagt Ahmad Azhari, der Direktor von SPI Merangin. „Hier wurden schon Regulierungen verletzt, noch bevor sie ordentlich in Kraft treten konnten, indem Kaffeeplantagen zerstört wurden." Die Situation scheint festgefahren. Erst wenn die Regierung die lokale Bevölkerung in das Programm einbeziehe, werde SPI einem Projekt wie dem Gemeinschaftswald zustimmen.
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Fragt man die Farmer selbst, so ist ihnen eigentlich egal, wie das Land heißt, auf dem sie ihren Kaffee anbauen. In Ladi, dem Dorf am Rand des Nationalparks, ist es still geworden. Die meisten Menschen sind auf den Feldern, ein paar haben sich unweit der Moschee im Dorf versammelt. Es ist stickig in dem kleinen Raum, nur wenig frische Luft dringt durch die Fenster. Etwa 15 Männer sitzen auf dem Boden der Hütte und rauchen. „Ich will doch nur meine Familie ernähren“, sagt Zunardi. Der 38-Jährige bewirtschaftet zwei Hektar Land, Kaffee anzubauen hat er wie fast alle hier nebenbei gelernt.
„Wir wissen, dass das hier gutes Land ist, und wir können hier für unser Überleben sorgen“, sagt Oki Nofian. Er wisse aber auch, wie wichtig es ist, den Wald zu schützen. „Der Klimawandel kann so aufgehalten werden“,sagt der 26-Jährige. Er wünscht sich eine bessere Kommunikation: „Die Regierung soll wissen, dass wir uns an die Regeln halten, dass wir die Grenzen des Nationalparks respektieren – wenn auch unsere Grenzen respektiert werden.“
Ihre Grenzen, die enden für die Kaffeebauern aus Masurai dort, wo die Plantagen aufhören. Das Land haben die ersten Siedler untereinander verteilt – so ist es Brauch in Indonesien. „Gewohnheitsrecht ist hier sehr wichtig“, sagt Yunus von CAPPA. „Wenn Indonesier sich einem Ort zugehörig fühlen, dann gehen sie davon aus, dass ihnen das Land gehört.“Wer von außerhalb kommt, kann dann wiederum von den Ortsansässigen Land kaufen – so wie Rustam Effendi das getan hat. Es gibt keinen formalen Kaufvertrag über seine Plantage, aber Rustam hat Geld bezahlt für seine 8000 Kaffeepflanzen. Und mit den Pflanzen hat er auch das Land übernommen. „Selbstverständlich“, sagt Rustam.
Yunus ist zuversichtlich, dass das Problem der Kaffeebauern aus Masurai langfristig gelöst werden kann. „Die Regierung sollte die Region unterstützen, weil hier ein großes wirtschaftlichen Potenzial besteht“, sagt Yunus. Und schlecht für das Klima sind die Kaffeepflanzen auch nicht unbedingt. Im Gegenteil: Mit der Wiederbepflanzung des gerodeten Gebietes haben die Bauern ihren Beitrag zum Erosionsschutz geleistet. Auch am Bestehen des Waldes und vor allem am Überleben der Wildkatzen, der Kaffee-Veredler, haben die Bauern ein starkes Interesse.
Auch Plantagen können viel Kohlenstoff binden
„Man sollte Plantagen nicht per se verteufeln“, sagt auch Michael Sahm von der Forest Carbon Group, die Waldschutzprojekte entwickelt, finanziert und vermarktet. Auch wenn die Bäume in Plantagen oft keine besonders lange Lebensdauer hätten, in der sie Kohlenstoff binden könnten, so zögen sie doch im Wachstum eine beträchtliche Menge CO2 aus der Luft. Zwar ist in Urwaldriesen mehr Kohlenstoff langfristig gespeichert: Der durchschnittliche deutsche Mischwald speichert etwa 80 bis 120 Tonnen CO2 pro Hektar, ein Buchenwald 200 bis 270 Tonnen, die indonesischen Urwälder auf Torfmoorboden bis zu 600 Tonnen pro Hektar, weil viel Kohlenstoff auch im Wurzelwerk des furchtbaren Bodens eingelagert ist. Aber da gerade tropische Regenwälder oft sehr alt sind, nehmen sie kaum mehr zusätzliches Kohlendioxid auf. Ein Wirtschaftswald, wie er in Masurai angestrebt wird, könnte langfristig wieder neues CO2 binden, wo der Urwald bereits verschwunden ist. „Mit nachhaltiger Forstwirtschaft kann man viel erreichen. Man kann neue Bäume pflanzen, den Wald verjüngen“, sagt Michael Sahm.
Wie der Streit im Masurai-Tal ausgeht, ist offen. Noch ist die Region offiziell kein REDD-Projekt. Die KfW Bankengruppe reagiert überrascht auf die Berichte. Man werde das verfolgen und entsprechend reagieren, sollte der Kerinci-Seblat-Nationalpark für eine Schuldenumwandlung ausgewählt werden, sagt Charis Pöthig. „Eine Verletzung der Menschenrechte kann dabei – wie auch in anderen Projekten – definitiv nicht geduldet werden.“
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