Die Einwohner der kleinen Hafenstadt Quelimane am Mündungsdelta des Sambesi-Flusses in Mosambik staunten in den 1990er Jahren zunehmend - über Baumstämme. Plötzlich waren sie allgegenwärtig: vor Häusern, auf unbebauten Grundstücken, am Straßenrand, im Hafen. Lastwagen von unterschiedlicher Größe, Fabrikat und Baujahr rollten voll beladen mit Baumstämmen in die Stadt. Riesige Schiffe mit fremdländischen Flaggen legten an, nahmen die Stämme an Bord und stachen wieder in See - Richtung China. So begann die Selbstbedienung der Chinesen.
Mosambik war nie für seine Wälder oder sein Nutzholz berühmt. Im Gegensatz zu Indonesien oder dem Kongo verfügt es nicht über tropische Regenwälder mit riesigen Meranti- oder Iroko-Bäumen, die die Welt mit Sperrholz, Bauholz, Türen und Fenstern beliefern. Im trockenen, überwiegend subtropischen Südostafrika sind die Wälder niedriger, offener, die Baumkronen kleiner, die Bäume sind unregelmäßig geformt und wachsen langsamer. Diese sogenannten Miombo-Wälder sind auch in Mosambik weit verbreitet. Die Mehrzahl der dort wachsenden Bäume ist wirtschaftlich wenig interessant, doch vereinzelt finden sich dazwischen kostbare Hartholzsorten wie Eisenholz, das Holz des Ahnenbaums (Combretum imberbe) oder Schwarzholz.
In trockeneren Teilen des Landes wachsen zudem kleine, aber wertvolle Mopane-Bäume. Zur Kolonialzeit bauten die Portugiesen in Mosambik eine bescheidene Holzindustrie auf und bedienten damit vor allem die inländische Nachfrage. Ein Teil wurde nach Europa exportiert. 1912 richteten sie das erste Waldnaturschutzgebiet ein. 1965 wurde ein System eingeführt, das Konzessionen mit verarbeitender Industrie verknüpfte. Bis 1969 wurden 122 Konzessionen für eine Fläche von insgesamt 820.000 Hektar vor allem in den zentralen und nördlichen Provinzen vergeben. Sie waren fast vollständig in der Hand der Portugiesen und nach ihrem Abzug brach das System nahezu zusammen. In den 1980er Jahren gründete die mosambikanische Regierung aufgrund des Mangels an Bauholz ein staatliches Forstwirtschaftsunternehmen und richtete einen nationalen Forstdienst ein. Infolge des Bürgerkrieges von 1977 bis 1992 waren viele Wälder unsichere Gebiete. Ihre Bewirtschaftung wurde nach dem Friedensvertrag fortgesetzt.
Autorin
Catherine Mackenzie
hat als Entwicklungsexpertin Forstprojekte in mehreren asiatischen und afrikanischen Ländern geleitet, darunter Mosambik. Sie berät nationale und internationale Entwicklungsorganisationen unter anderem bei Forstwirtschaft und Biodiversität.Ende der 1990er Jahre kamen dann die Chinesen. In China will es die Tradition, dass die Reichen ihren Wohlstand zur Schau stellen und ihren Namen für die Nachwelt erhalten, indem sie kostspielige, aufwendig geschnitzte Reproduktionen von Möbeln der Ming- und Ching-Dynastien erwerben. Der chinesische Wirtschaftsboom hat zahlreiche Millionäre hervorgebracht und die Nachfrage nach solchen traditionellen Möbelstücken angekurbelt. Sie sind aus dunklen, schweren Harthölzern gefertigt, den sogenannten Palisanderhölzern. Dafür wird mosambikanisches Holz in China vor allem verwendet. Die Möbelproduktion unterliegt strengen Kontrollen, nur bestimmte Edelholzsorten sind erlaubt.
Ursprünglich stammten die wenigen genehmigten Sorten aus ost- und südostasiatischen Wäldern. Weil sie zunehmend abgeholzt waren und die Preise stiegen, wichen die Chinesen auf weiter entfernte Gegenden in Südasien und Indonesien aus. Neue Arten mit ähnlichen Eigenschaften wurden der offiziellen Palisanderholz-Liste hinzugefügt. 1998, als die Nachfrage gerade anzog, wurde der Holzeinschlag in chinesischen Wäldern verboten. Die Holzpreise stiegen und die Suche nach neuen Bezugsquellen zog immer weitere Kreise - bis nach Afrika. In den Wäldern Mosambiks - aber auch in Tansania, Angola und Westafrika - wurden die chinesischen Händler fündig. Und noch etwas kam ihnen entgegen: die schwache staatliche Kontrolle der Forstwirtschaft.
Die mosambikanische Forstpolitik sieht eigentlich vor, dass die Wälder nachhaltig bewirtschaftet werden sollten, um Arbeitsplätze zu schaffen und die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung vor Ort und im ganzen Land zu fördern. Entsprechende Gesetze bieten einen soliden Rahmen für die Vergabe von Lizenzen und stellen eine nachhaltige und legale Produktion sicher. Doch sie sind nahezu bedeutungslos, wenn sie von bestechlichen Beamten nicht durchgesetzt werden. Die wertvollen Baumbestände wurden unkontrolliert und oft illegal abgeholzt, die Stämme nach China verschifft. In den vergangenen zehn Jahren hat sich dieses Geschäft nicht nur fortgesetzt, sondern sogar erweitert - trotz der öffentlichen Empörung in der Hauptstadt Maputo und einigen Provinzen und trotz einiger taktischer Winkelzüge der Regierung aus kosmetischen Gründen. Das Forstgesetz von 1999 sieht zwei Arten von Forstlizenzen vor. Einfache Lizenzen werden nur an Einheimische vergeben. Sie sind auf ein Jahr befristet und gelten in einem vorgegebenen Gebiet mit nachgewiesenem Holzbestand. Es dürfen maximal 500 Kubikmeter Holz geschlagen werden. Die Lizenznehmer müssen nachweisen, dass sie in der Lage sind, den Wald zu bewirtschaften, und dass die Anwohner einverstanden sind. Außerdem müssen sie zuvor eine Gebühr bezahlen.
Lizenzen für Konzessionen sind dagegen unabhängig von der Staatsangehörigkeit; sie sind schwieriger zu erhalten. Areale mit mehr als 10.000 Hektar werden über einen Zeitraum von 50 Jahren verpachtet. Von den Wäldern muss eine Bestandsaufnahme gemacht und ein Bewirtschaftungsplan vorgelegt werden. Außerdem muss eine verarbeitende Industrie aufgebaut werden. Die Regierung bevorzugt Bewerber um Konzessionen, weil sie das Potenzial mitbringen, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben.
Die asiatischen Händler nutzten die billigste Methode, die das System ihnen bot: Sie gaben einfachen Lizenznehmern Darlehen für den Erwerb einer Lizenz und der technischen Ausrüstung und ließen sich im Gegenzug die Lieferung von Holz zusichern. Einige Unternehmer machten ein gutes Geschäft und verdienten für ihre Verhältnisse ein Vermögen. Bei anderen lief es schlechter und sie gerieten in eine Art Schuldenfalle. Ständig mussten sie mehr Baumstämme beschaffen. Immer mehr Leute wurden dazu angehalten, in das Geschäft einzusteigen und so viele Stämme abzusägen wie möglich. Das führte zu chaotischen Verhältnissen. Trotz Quote wurde die Lizenz zum Freibrief für das Holzfällen. Falls die Behörden Probleme machten, zahlten die Käufer einfach ein Bestechungsgeld. In den Wäldern dagegen erhielten die Tagelöhner aus den Dörfern oft keinen Lohn. Versprechen, dass die Anwohner profitieren würden, blieben unerfüllt.
Doch die öffentliche Empörung wuchs und die mosambikanische Regierung wurde aufgefordert, die Lage mit Hilfe der Vergabe von Konzessionen unter Kontrolle zu bringen. 2004 lagen zahlreiche Anträge vor, auch von asiatischen Geschäftsleuten, doch nur eine Handvoll war vergeben worden. Die Antragsteller hatten meist nicht die Absicht, das komplette Verfahren zu durchlaufen. Sie nutzten nur die Gelegenheit, die Kontrolle über große Waldgebiete zu erlangen. In der Zwischenzeit gewährte ihnen der Forstdienst nämlich die Lizenz zum Holzeinschlag. Unter dem öffentlichen Druck forderte die Regierung die Antragsteller zunehmend auf, Bestandsaufnahmen vorzunehmen und die Pläne für eine nachhaltige Forstwirtschaft vorzulegen. Eine Analyse dieser Pläne zeigt, dass „nachhaltig" bedeutet, alle gegenwärtig kommerziell interessanten Holzarten in den ersten fünf Geschäftsjahren zu entnehmen. Trotzdem nickt die Regierung diese Pläne ab und genehmigt den Abhieb noch größerer Mengen Holz. Daneben vergibt sie noch immer eine Vielzahl einfacher Lizenzen. Sie werden oft mit Profit weiterverkauft. Das Abholzen nimmt kein Ende.
Das Forstwirtschaftsgesetz in Mosambik sieht vor, dass Hölzer der Klasse eins (darunter die meisten gewinnbringenden Hölzer) vor dem Export verarbeitet werden müssen. Die chinesischen Händler aber wollten rohe Stämme und die Regierung trickst mit ihren eigenen Verordnungen. Sie brauchte drei Jahre, um die Ausführungsbestimmung zu verabschieden, die die Verarbeitung regelt. Als die Bestimmung 2003 in Kraft getreten war, legte ein neuer Erlass fest, dass die Verarbeitung bis 2006 nur schrittweise umgesetzt werden musste. Zur Begründung hieß es, in Mosambik fehle die Industrie und das Holz sei für die Bearbeitung vor Ort zu hart. In Wahrheit ist es für alle Beteiligten schneller, einfacher und profitabler, rohe Stämme zu exportieren.
Als es dann unumgänglich war, die Holzverarbeitung vor Ort festzuschreiben, regelte ein neuer Erlass, dass es nicht nötig sein sollte, Kanthölzer oder Dielen herzustellen. Auch der Export von „pranchas", dicker, sägerauer Schnittware wurde erlaubt. Zugleich nahm das Engagement der asiatischen Händler im Holzgeschäft zu und ihre Gewinne stiegen. Sie importierten moderne Lastwagen und verlangten hohe Preise für den Abtransport der Stämme aus den Wäldern. Sie beantragten Konzessionen und brachten sogar chinesische Arbeitskräfte für die Betriebe mit. Anwohner, die nicht länger ausgebeutet werden wollten, stiegen ebenfalls in großem Stil in das illegale Holzgeschäft ein. Sie sägten Bäume ab und verkauften sie an sogenannte „furtivos" (Wilderer), die ganz ohne Lizenz operieren.
Auch jetzt - fast ein Jahrzehnt später und ungeachtet der Kritik der Öffentlichkeit und wiederholter nationaler Debatten und Kampagnen von nichtstaatlichen Organisationen - ist das illegale Abholzen noch immer in vollem Gang. Die traditionell holzreichen Provinzen Zambezia, Sofala, Cabo Delgado und Manica sind fast komplett abgeräumt und das Geschäft verlagert sich in die weniger leicht zugänglichen Provinzen Tete und Niassa.
Zwar versuchen zumindest in einigen Regionen die Forstwachen, das illegale Geschäft mit dem Holz zu unterbinden. Doch viele illegalen Holzfäller haben politische Beziehungen oder sind sogar selbst Amtsträger. Mitunter werden Bußgelder verhängt, ab und zu kommt ein Korruptionsfall an die Öffentlichkeit, aber Sanktionen sind selten. Mitte 2011 wurden mehr als 500 Container mit illegal geschlagenen, für China bestimmten Stämmen im Hafen von Nacala beschlagnahmt. Die Händler bezahlten eine Geldbuße und exportierten das Holz am Ende doch. Alle Beteiligten sind weiter im Geschäft. Zur selben Zeit warf der Landwirtschaftsminister dem Chef des Forstdienstes in Zambezia öffentlich vor, mit der internationalen Holzmafia gemeinsame Sache zu machen. Dieser verlor zwar seinen Posten, arbeitet aber nun in einem anderen Verantwortungsbereich in derselben Behörde. Weiter oben in der Befehlskette geht Geld über den Tisch für die Vergabe von Konzessionen oder eine Beteiligung an Konzessionen als stiller Teilhaber.
Die Folgen sind vielfältig und tragisch. Denn nachhaltige Forstwirtschaft ist in Mosambik möglich: Eine Handvoll gewissenhafter Unternehmer schlägt Holz und verarbeitet es zu attraktiven Möbeln und Dekorationsartikeln, hochwertigen Türen und Fenstern und vielen anderen Produkten von Bienenkörben bis hin zu Dachschindeln. Sie schaffen Arbeitsplätze für Hunderte von Menschen, tragen zum Staatseinkommen bei und fördern das Umweltbewusstsein unter den Anwohnern vor Ort. Auch einige Beamte bemühen sich, ihre Arbeit gut zu machen. Doch ein Großteil dieser wertvollen Ressource geht verloren. Die Wälder werden heruntergewirtschaftet. Sie werden mindestens zwei Generationen brauchen, um sich zu erholen - und vielleicht wird es nie dazu kommen, weil die besten Bäume entfernt wurden und die genetische Basis für die Erholung beeinträchtigt ist. Wilderer machen inzwischen auch Jagd auf Elefanten, und Elfenbein wird oft zusammen mit Holz außer Landes geschmuggelt.
All das macht die Wälder noch verwundbarer, wenn es um andere Arten der Nutzung geht. Für die Herstellung von Holzkohle werden jedes Jahr große Flächen abgeholzt, weil die Stadtbevölkerung Brennstoff benötigt. Internationale Investoren auf der Suche nach Land planen, große Flächen für die Anpflanzung exotischer Baumarten zu roden. Am schlimmsten ist aber, dass sich in allen Schichten der Bevölkerung angesichts von Raubbau, Korruption und der Missachtung von Gesetzen schädliche Einstellungen breit gemacht haben. Was in der Forstwirtschaft passiert ist, geschieht auch im Bergbau und bei anderen Investitionen. „Entwicklung" wird in weiten Teilen Mosambiks so verstanden, dass jeder an sich reißt, so viel und so lange er kann - ohne Rücksicht auf die Umwelt, die Nachbarn und die Zukunft.
Es wäre aber zu einfach, nur die Mosambikaner und die Chinesen zu kritisieren. In der globalisierten Welt sind die Wirtschaft und der Wohlstand aller Staaten eng miteinander verbunden - und damit ruht die Verantwortung auf allen Schultern.
Aus dem Englischen von Barbara Kochhan.
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