Bis November muss die EU ihre Vorschläge für die Erklärung abgeben, die kommendes Jahr in Rio als Leitlinie für eine weltweite nachhaltige Entwicklung ausgehandelt werden soll. Die UN-Generalversammlung hat zwei Hauptthemen bestimmt: zum einen die Frage nach „grünem“ Wirtschaften, das die Endlichkeit natürlicher Ressourcen berücksichtigt und zugleich die Armut weltweit reduziert, zum anderen die Suche nach dem geeigneten institutionellen Rahmen für die Zusammenarbeit auf UN-Ebene sowie zwischen Regierungen auf regionaler Ebene.
Autor
Heimo Claasen
ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".In ihrer Mitteilung vom Juni räumt die EU-Kommission ein, es gebe „zwingende Gründe dafür, das herkömmliche Modell von wirtschaftlichem Fortschritt grundlegend zu überdenken“. Bloßes Herumbasteln an den Randbereichen eines Wirtschaftssystems, das der ineffizienten Nutzung von Ressourcen Vorschub leistet, werde nicht ausreichen. Gebraucht werde „eine Wirtschaft, die Wachstum und Entwicklung gewährleisten kann und zugleich das Wohlergehen des Menschen verbessert, menschenwürdige Arbeit bereitstellt, Ungleichheiten abbaut, Armut bekämpft und das Naturkapital erhält, auf das wir alle angewiesen sind“.
Der Widerspruch zwischen dem Erhalt von endlichen Ressourcen und Wachstum kann aus Sicht der EU-Kommission mit emissionsarmen und ressourcenschonenden Technologien und Marktmechanismen sowie verstärkten „Anstrengungen zur Förderung von nachhaltigen Verbrauchs- und Produktionsmustern“ überwunden werden. Nötig seien Anreize für entsprechende Investitionen, es müssten Finanzmittel mobilisiert und der private Sektor gefördert werden.
Auch das EU-Parlament zweifelt nicht am Prinzip Wachstum
Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat diesen eher allgemeinen Aussagen einige konkrete Forderungen angehängt – etwa dass in einem globalen Abkommen das Verursacherprinzip rechtlich verankert und ein internationaler Umweltgerichtshof geschaffen werden müsse. Er fordert außerdem den Transfer von Technologien und Kenntnissen zur Nutzung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländer sowie mehr Transparenz auf den Rohstoffmärkten und Maßnahmen gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Doch auch das Parlament hinterfragt das Prinzip Wachstum nicht grundsätzlich, sondern schlägt vor, es anders zu messen, so dass Umweltwirkungen und soziale Teilhabe berücksichtigt werden.
Viel weiter geht das Netzwerk der katholischen Entwicklungsorganisation CIDSE in seiner Eingabe zur Mitteilung der Kommission: Die Globalisierung habe „unhaltbare Systeme in Produktion, Handel und Finanzen mit verheerenden Folgen angetrieben“. CIDSE fordert, das so genannte „Land Grabbing“ zu verbieten, zerstörerische Bergbau-Methoden zu beenden und gegen Ausgrenzung, Verarmung und Vertreibung vorzugehen.
Zu all dem finden sich im Text der Kommission bestenfalls Andeutungen, obwohl es Politikbereiche betrifft, in denen sich die EU besonders engagiert. So erklärte der guatemaltekische Bischof Ramazzini bei einem Treffen mit CIDSE-Gruppen Mitte September, der Freihandelsvertrag der EU mit den zentralamerikanischen Ländern schaffe den Rechtsrahmen, unter dem Profite aus dem Abbau von Gold, Nickel und Silber in Guatemala an auswärtige Aktienbesitzer fließen, während die Bevölkerung die Folgen trage – Umweltzerstörung, Vertreibung und Verarmung.
Die EU-Entwicklungsminister werden den Kommissionsentwurf zur EU-Position für „Rio+20“ voraussichtlich noch im Oktober gutheißen. Das Papier bezieht sich kaum auf andere wesentliche Politikfelder der EU, kritisieren Umwelt- und Entwicklungsorganisationen. In Rio könnte Brüssel das und das ungebrochene Wachstumsstreben zum Vorwurf gemacht werden.
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