Die Kunst, sich abzusichern

Afrikas Bauern sind seit langem Meister im Umgang mit Risiken. Nicht nur
das Wetter kann ihre Ernten und Einkommen gefährden, sondern auch
Kapriolen des Marktes oder der Politik. Wer ihnen bei der Anpassung an die
Erderwärmung helfen will, die diese Probleme verschärft, der sollte ihre bereits praktizierten Strategien der Risikobewältigung unterstützen.

Klagen von Bauern über das vermaledeite Wetter sind so alt wie die Geschichte des Ackerbaus. Schon immer kam der Regen mal zu früh oder zu spät, zu heftig oder zu spärlich, hat der Hagel die Ernte vermasselt. Bauern in aller Welt sind es gewohnt, mit den Risiken des Wetters umzugehen. Gilt das auch für die Folgen des Klimawandels? Die Daten und Prognosen sind zu ungenau, um klar sagen zu können, wie stark einzelne Regionen in Afrika in Zukunft vom Klimawandel betroffen sein werden. Ziemlich eindeutig ist der Trend in Richtung Temperaturanstieg. Sehr unsicher und regional unterschiedlich hingegen sind die Prognosen zur Entwicklung der Niederschläge. Unumstritten aber ist: Der Klimawandel ist in Afrika südlich der Sahara längst Realität. Fast überall haben Abweichungen von der Norm wie unerwarteter Regen in der Trockenzeit, Trockenperioden inmitten der Regenzeit, heftige Sturzregen und Dürreperioden zugenommen. Die Regenzeiten sind an vielen Orten kürzer als früher.

Autoren

Sabine Dorlöchter-Sulser

ist Referentin für Ländliche Entwicklung in der Afrika-Abteilung bei Misereor. Sie hat von 2009 bis 2011 über Veränderungen der bäuerlichen Livelihood-Systeme im Niger geforscht und promoviert darüber an der Freien Universität Berlin.

Theo Rauch

ist Honorarprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der FU Berlin und am Seminar für Ländliche Entwicklung der HU Berlin sowie freiberuflicher Gutachter und Trainer für Entwicklungszusammenarbeit. Er arbeitet zurzeit in Ghana.

Es ist aber nicht nur das veränderte Klima, das afrikanischen Bäuerinnen und Bauern das Leben schwer macht. Auch schwankende Märkte, die Unberechenbarkeit der Agrarpolitik afrikanischer Regierungen sowie der Entwicklungshilfe der Geberländer und die Hürden beim Zugang zu Land, verstärkt von undurchsichtigen Landkäufen von Investoren aus dem Ausland, erhöhen die Risiken für die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Kleinbauern in Afrika leiden also nicht nur unter dem Klimawandel, sondern unter einer Vielzahl von Widrigkeiten, von denen der Klimawandel nicht immer an erster Stelle steht. Diese Widrigkeiten verstärken einander wechselseitig.

Afrikas Kleinbauern sind Weltmeister darin, sich an schwierige Rahmenbedingungen anzupassen, nicht zuletzt an die Unberechenbarkeit des Wetters. Dennoch ist beim Umgang mit dem Begriff „Anpassung“ Vorsicht geboten. Klimaforscher neigen dazu, menschliches Handeln eindimensional als Anpassung an den Klimawandel zu interpretieren. Sie unterscheiden sich darin nicht von Vertretern anderer wissenschaftlicher Disziplinen: Ökonomen interpretieren dasselbe Handeln als Anpassung an Weltmarkttrends, Politologen deuten es als Anpassung an veränderte Anreiz- und Regulierungssysteme. Kleinbauern aber leben und wirtschaften in einer Gemengelage von natürlichen, ökonomischen, politischen, institutionellen und kulturellen Zumutungen und Gelegenheiten. Unter diesen Bedingungen verfolgen sie ihre Ziele und versuchen Bedrohungen zu vermeiden. Sie müssen vielschichtiger denken als manche Wissenschaftler, die nur ihre Disziplin im Kopf haben.

Kleinbauern mussten schon immer mit unberechenbaren Bedingungen zu Recht zu kommen. Sie müssen flexibel bleiben und vermeiden, alles auf eine Karte zu setzen. Die Mitglieder einer typischen afrikanischen Bauernfamilie sind auf vielfältige Weise wirtschaftlich tätig, in der Landwirtschaft, aber auch in anderen Bereichen. Sie wollen so auf Nummer sicher gehen – für den Fall, dass der Regen ausbleibt, die Preise für ein Produkt in den Keller fallen, ein Familienmitglied den Job verliert oder zur Erntezeit krank darniederliegt. Sie wissen, dass sie sich unter derart unsicheren und instabilen Bedingungen auf keinen einzelnen Erwerbszweig verlassen dürfen, mag er auch noch so lukrativ erscheinen. Diese Strategie erweist sich als sinnvoll, um mit den zunehmenden klimatischen Unwägbarkeiten umzugehen.

Das gleiche gilt für die auch von Afrikanern oft beklagten sozialen Verpflichtungen gegenüber der erweiterten Familie, die nicht selten zulasten produktiver Investitionen der Bauern gehen. Sie dienen als soziale Sicherung und mindern Existenzrisiken. Sie gleichen zudem unterschiedlich stark ausgeprägte klimatische Risiken innerhalb der Familie aus: Ein Cousin im Nachbardorf mag den entscheidenden Regenguss abbekommen haben, der an den eigenen Feldern vorbeigezogen ist. Wer die Regeln des Sozialverbandes respektiert, kann in einem solchen Fall Anspruch auf solidarische Hilfe anmelden.

In Regionen, wo es nicht allein um eine größere Unsicherheit bei den Niederschlägen geht, sondern in denen bereits grundlegendere Klimaveränderungen wirken, reagieren die Bauern mit langfristigen Anpassungsstrategien: Sie steigen zum Beispiel auf dürreresistente Pflanzen um oder führen Formen der Bodenbearbeitung ein, bei denen das Wasser länger im Boden gehalten wird. Oder aber sie siedeln vom Dorf in die Städte oder in andere Länder um.

Auf welche Art die Bauern reagieren, hängt aber nicht allein von den klimatischen Trends ab, sondern auch von den Märkten und Ressourcen, zu denen sie Zugang haben, von der politischen Unterstützung, die sie erhalten, und nicht zuletzt von ihrem Wissensschatz. Doch nicht alle Anpassungsstrategien wirken. Oft sind die Bedingungen, unter denen Bauern arbeiten, einfach zu schlecht, so dass bewährte Strategien keinen Erfolg bringen. Manche Strategien sind zudem widersprüchlich: Wer in der Stadt nach Arbeit sucht, fehlt bei der oft arbeitsintensiven wasserkonservierenden Bodenbearbeitung.

Kleinbauerngerechte Klimapolitik in Afrika muss von den Anpassungsstrategien der Bauern ausgehen und diese unterstützen, wo deren eigene Kapazitäten nicht reichen. Aus bäuerlicher Sicht erscheint Bewässerung der Königsweg zur Anpassung an den Klimawandel. „Die Zeiten des Hungers sind vorbei, seit wir hier unsere Felder in der Trockenzeit bewässern können“, frohlockt eine Kleinbäuerin im Norden Ghanas. Doch nicht überall steht dafür ausreichend Wasser zur Verfügung, das zu vernünftigen Kosten und umweltverträglich genutzt werden könnte. Auch wasserkonservierende Pflanzen, Wasserrückhaltebecken für trockene Phasen in der Anbauperiode oder Kleinstbewässerungsflächen für den Anbau von hochwertigem Gemüse in der Trockenzeit können helfen, Risiken zu mindern.

Fünf Jahrzehnte Anpassung der Zarma im Niger

Das Volk der Zarma in Dosso im Südwesten des Niger lebte in den 1960er Jahren vor allem vom Regenfeldbau. Für den eigenen Verzehr bauten sie Hirse an, zusätzlich ...

Die beste Strategie zur Anpassung an schwankende Niederschläge besteht darin, dass sich Bauern mehrere wirtschaftliche Standbeine schaffen und verschiedene Pflanzen anbauen – etwa auch Baumkulturen nutzen wie Obst, Tee oder Karité sowie Intensivkulturen wie Gemüse oder Kräuter, mit denen man auf kleinstem Raum und mit geringer Wasserzufuhr hohe Erlöse erzielen kann. Wo es gelingt, die Bauern bei der Diversifizierung ihrer Produktion vor Ort zu unterstützen – etwa wenn man ihnen Märkte für Produkte außerhalb der Saison und damit Einkommensmöglichkeiten eröffnet –, da wird verhindert, dass junge Männer abwandern und ihre Arbeitskraft für arbeitsintensive Anpassungsmaßnahmen fehlt.

Dem Problem der verkürzten Regenzeit können Bauern begegnen, indem sie Kulturen und Sorten pflanzen, die eine kürzere Anbauperiode benötigen. Als Folge des Klimawandels müssen Bauern aber auch zeitlich flexibler werden: Pflüge oder andere zeitsparende Geräte können helfen, schneller auf Niederschläge zu reagieren. Und je weniger Kosten ein Bauer für Chemiedünger, Pestizide und Treibstoff aufwenden muss, desto weniger verwundbar ist er für Ernteausfälle.

Die meisten dieser Anpassungsstrategien entsprechen den bekannten Praktiken standortgerechter und nachhaltiger Landnutzung. Die wiederum tragen gleichzeitig dazu bei, den Ausstoß von Treibhausgasen in der Landwirtschaft zu reduzieren: durch den Erhalt von Bäumen, durch Mischkulturen – etwa die Zwischensaat von Bohnen oder Kürbissen zur Bedeckung der Böden –, durch Gründüngung (also das Einpflügen von Pflanzenrückständen), durch Intensivkulturen mit wenig Flächenbedarf und durch den sparsamen Einsatz von auf fossiler Energie beruhenden Mitteln wie Kunstdünger. Allerdings sind Strategien zur Anpassung an den Klimawandel und das Erfordernis, Emissionen zu verringern, nicht immer miteinander vereinbar: Bewässerung oder Viehhaltung mag der Anpassung dienen, kann aber den Ausstoß von Treibhausgasen erhöhen. Migration kann sinnvoll und nötig sein, den Folgen des Klimawandels zu entgehen, sie entzieht aber die für Klimaschutzmaßnahmen, etwa das Pflanzen von Bäumen, erforderlichen Arbeitskräfte.

Der zusätzliche Aufwand für eine intensivierte nachhaltige Landwirtschaft muss – in Abhängigkeit von den Marktbedingungen – so gestaltet werden, dass er sich langfristig lohnt. Kurzfristig aber sind erst einmal Investitionen nötig, etwa in Form von Mehrarbeit und Verzicht auf Ackerfläche. Arme Kleinbauern brauchen dafür finanzielle Unterstützung, aber auch Anreize. Finanzierung aus den reichen Ländern hierfür ist kein Almosen, sondern steht den afrikanischen Bauern zu: zum einen als Kompensation für den Schaden, den sie als Folge des von den reichen Ländern verursachten Klimawandels erleiden, zum anderen als Bezahlung für die Beiträge, die sie zur Minderung von Treibhausgasemissionen leisten.

Die offene Frage lautet: Wie können die erforderlichen und teilweise bereits zugesagten Gelder der internationalen Gemeinschaft so eingesetzt werden, dass sie zum einen bei den Kleinbauern ankommen und zum andern deren eigene Anpassungsstrategien unterstützen und nicht überrollen? Derzeit ist bei den Gebern eine gewisse Hilflosigkeit bei der Vergabe dieser Mittel unverkennbar. Auch ist vielen Regierungen eine bedarfsgerechte und sinnvolle Verwendung solcher Mittel nicht zuzutrauen. Die Bauern direkt für Anpassungsmaßnahmen oder Beiträge zur Reduzierung von Treibhausgasen zu bezahlen, scheitert aber unter anderem daran, dass beides häufig schwer einzelnen Bauern zugerechnet werden kann.

Ein erfolgversprechender Ansatz wäre, die vielen staatlichen, nichtstaatlichen und privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen und Entwicklungsagenturen, die im kleinen Maßstab nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken entwickeln, mit Geld aus Klimafonds zu unterstützen, damit sie den Ausbau und die Verbreitung solcher Praktiken vorantreiben. Derzeit ist eine zielgerechte Verwendung von Klimamitteln nicht gesichert, unter anderem weil es keine geeigneten kleinbauernfreundlichen Finanzierungsmechanismen gibt, um die umfangreichen zugesagten Klimamittel termingerecht unterzubringen. Es gilt zu verhindern, dass dringend benötigtes Geld für eine klimagerechte und ökologische Intensivierung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Afrika wieder einmal aus Hilflosigkeit im Getriebe des Entwicklungsgeschäfts versickert.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2012: Leben mit dem Klimawandel
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