Die Industrieländer haben vor drei Jahren auf dem Klimagipfel in Kopenhagen zugesagt, die Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels finanziell zu unterstützen. Ab 2020 wollen sie dafür jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitstellen, unter anderem für die Anpassung an die Folgen der Erderwärmung. Sie sollen zu einem großen Teil über den neuen Grünen Klimafonds (Green Climate Fund), verteilt werden. Um den Zeitraum zu überbrücken, bis diese Mittel zur Verfügung stehen und ein umfassender Folgevertrag für das Klimaschutzabkommen von Kyoto verhandelt ist, versprach man den armen Ländern zwischen 2010 und 2012 jährlich 30 Milliarden US-Dollar.
Der Grüne Fonds mit Sitz in Südkorea soll 2014 erste Vorhaben finanzieren. Beim diesjährigen Klimagipfel in Doha wird voraussichtlich nicht über neue Finanzzusagen verhandelt – die Kritik der Entwicklungsländer über die bevorstehende Finanzierungslücke ist absehbar. Die deutsche Bundesregierung sieht dem gelassen entgegen. Sie hat für das kommende Jahr 372 Millionen Euro allein aus dem Sondervermögen Energie- und Klimafonds (EKF) für internationalen Klimaschutz und Anpassung in den Haushalt eingestellt. Doch die Höhe des Betrags allein ist nicht ausschlaggebend, um die Anpassung an den Klimawandel effektiv zu unterstützen. In den 1990er Jahren ging es bei den UN- Klimaverhandlungen vor allem um die Geldmenge.
Autorin
Britta Horstmann
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.In den vergangenen Jahren rückte die Frage in den Vordergrund, wie das Geld verteilt werden soll. Vier Aspekte sind wichtig: Erstens müssen die Industrieländer ihre Zusagen einhalten und die Mittel zusätzlich zur Entwicklungshilfe bereitstellen. Zweitens sollten diese Mittel und ihre Verteilung durch ein transparentes Berichtswesen erfasst werden. Drittens ist die Gestaltung nationaler Institutionen und Politikprozesse entscheidend für eine wirksame Verwendung der Mittel. Klima- und Entwicklungsfinanzierung sollten zwar an der Quelle getrennt ausgewiesen werden, vor Ort aber ineinandergreifen. Und viertens sollten die Mittel für Anpassung an den Klimawandel vor allem die besonders gefährdeten Gruppen erreichen.
Zusage über 30 Milliarden US-Dollar fast erreicht?
Die Industrieländer haben bislang insgesamt rund 28 Milliarden US-Dollar als „Schnellstartfinanzierung“ gemeldet. Das legt den Schluss nahe, ihre Zusage über 30 Milliarden US-Dollar sei fast erreicht. Auf den zweiten Blick erscheint dies jedoch fragwürdig. In Kopenhagen hatte man sich nicht auf eine gemeinsame Ausgangsbasis geeinigt, welche Mittel als neu gelten sollen. Ein Vergleich zwischen den Ländern und eine Einschätzung, ob sie die Mittel zusätzlich zu früheren Finanzzusagen bereitgestellt haben, sind deshalb schwierig. Ein großer Teil der gemeldeten Schnellstartfinanzierung stammt aus öffentlichen Mitteln, doch einige Länder rechnen auch private Investitionen mit oder geben an, dass öffentliche Gelder genutzt wurden, um zusätzliche Mittel, etwa durch Kredite, zu generieren. Und um künftig die Zielmarke von 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu erreichen, behalten sich die Vertragsstaaten vor, Geld aus einer Vielzahl verschiedener Quellen anzurechnen. Dazu zählen private Investitionen sowie öffentliche Mittel, die auf ganz verschiedene Weise beschafft werden können – etwa aus der Besteuerung von Kohlenstoff, der Versteigerung von Emissionszertifikaten, der Umwidmung oder Schaffung von Subventionen oder der Besteuerung des Flug- oder Schiffsverkehrs.
Wohin das Geld fließt: Anpassung in der Praxis
Der Adaptionsfonds (AF) des Kyoto-Protokolls unterstützt Anpassungsprojekte in Entwicklungsländern; das Geld kommt zum Teil aus dem Emissionshandel. Eine Studie von Germanwatch ...
Private Investitionen, Kredite und Einnahmen aus anderen Quellen sind zwar dringend notwendig, um eine emissionsarme Entwicklung einerseits und die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels andererseits zu fördern. Aber es ist noch unklar, inwieweit dieses Geld als Beitrag eines Landes zur Klimafinanzierung angerechnet wird. Das trägt dazu bei, dass die Angaben über die Höhe der Klimafinanzierung stark schwanken. Die Vertragsstaaten müssen sich darauf verständigen, was sie mit ihrem Versprechen, Klimafinanzierung „zu mobilisieren“ eigentlich meinen, und sicherstellen, dass ein angemessener Teil der Mittel für die Anpassung in Entwicklungsländern bereitgestellt wird. Die Erfahrungen mit den bisherigen Finanzzusagen zeigen, dass dies, anders als in Kopenhagen vereinbart, häufig nicht der Fall ist.
Dieses Ungleichgewicht wird zunehmen, wenn die Politik nicht gegensteuert und wenn sie nicht ambitionierte Klimaschutzziele setzt, die den Handel mit Emissionszertifikaten stützen. Zum einen fließen private Investitionen vor allem in Bereiche, die der Einsparung von Emissionen zugerechnet werden, nicht in die Anpassung. Zum anderen leidet die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen bereits jetzt darunter, dass der Kohlenstoffmarkt falsch gestaltet und der Preis für Emissionszertifikate deshalb eingebrochen ist. Angesichts der auslaufenden ersten Phase des Kyoto-Protokolls Ende 2012 verringerte sich der Gesamtwert des CDM-Marktes im vergangenen Jahr gegenüber 2010 um 32 Prozent. Der Preis für Emissionszertifikate sank laut Weltbank im selben Zeitraum um rund 60 Prozent.
Die Preise für Emissionszertifikate sind eingebrochen
Vor allem aufgrund des Überangebotes von Zertifikaten fiel der Preis 2012 erneut um über 80 Prozent und lag im Oktober bei nur knapp über einem Euro die Tonne. Einige Analysten gehen davon aus, dass der Preis bis zum Ende des Jahres auf fast null sinken könnte. Der Anpassungsfonds des Kyoto-Protokolls, der sich anteilig über diesen Handel finanziert, musste seine Prognose über verfügbare Mittel für den Zeitraum 2010 bis Ende 2012 nach unten korrigieren: Ging man Mitte 2010 noch von 297 bis 438 Milliarden US-Dollar aus, waren es Mitte 2012 nur noch 205 bis 244 Milliarden. Unter einer schwachen Klimapolitik leiden Entwicklungsländer somit doppelt: Zum einen unter den direkten Folgen des Klimawandels und zum anderen darunter, dass weniger Geld für die Anpassung zur Verfügung steht. Letzteres wiegt umso schwerer, je mehr die Finanzierung dafür auf dem Markt für Kohlenstoff beruht.
Die Unklarheiten bei der Klimafinanzierung unterstreichen, wie notwendig ein transparentes Berichtswesen ist, damit die Öffentlichkeit den Ursprung und die Verwendung des Geldes nachverfolgen kann. Die Indikatoren des Entwicklungsausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-DAC) liefern erste Anhaltspunkte für ein solches System. Aber sie sind nicht eindeutig, weil die Geldgeber selbst angeben, ob eine Maßnahme hauptsächlich oder lediglich in bedeutendem Umfang auf Anpassung abzielt. Das zeigt eine Analyse der Umweltorganisation Germanwatch von 2012.
Die Anwendung der Berichtsstandards der internationalen Transparenzinitiative International Aid Transparency Initiative (IATI) ist eine weitere Option. Sie wurde noch nicht im Rahmen des Klimaregimes erörtert, könnte aber wichtige Synergien im Zusammenspiel mit der internationalen Agenda für eine wirksamere Entwicklungszusammenarbeit erzielen. Das Aufsichtsratsgremium des Adaptionsfonds des Kyoto-Protokolls prüft derzeit, ob die Übernahme des Berichtstandards der IATI für Anpassungsprogramme sinnvoll ist.
Empfängerländer müssen die verschiedenen Finanzströme koordinieren
Entwicklungs- und Klimafinanzierung verfolgen gemeinsame Ziele, doch bei der Verteilung des Geldes gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Viele Akteure betrachten Anpassungsfinanzierung nicht als Entwicklungshilfe, sondern als Entschädigung für die Auswirkungen des Klimawandels. Sie fordern daher nicht nur zusätzliche Mittel, sondern auch, dass diese nicht von den Institutionen der Entwicklungsfinanzierung und nicht nach deren Bedingungen vergeben werden. Mehr als 20 zusätzliche Klimafonds sind eingerichtet worden, darunter der Anpassungsfonds des Kyoto-Protokolls und der Grüne Klimafonds.
Gleichzeitig können die Industrieländer ihre finanziellen Verpflichtungen im Rahmen des Klimaregimes über bestehende bi- und multilaterale Institutionen erfüllen und tun dies auch ausgiebig. Das Klimaregime hat so eher zu einer steigenden Zahl von Finanzierungskanälen statt zu ihrer Integration in die Entwicklungsfinanzierung beigetragen. Erfahrungen und Strukturen der Entwicklungsfinanzierung werden von den Trägern der Klimafinanzierung zum Teil gerade erst neu „entdeckt“. Zugleich werden die neuen Kanäle der Klimafinanzierung auch gezielt genutzt, um alte Machtgefüge und Gestaltungsspielräume bei der Verfügung über Finanzen oder inhaltliche Zuständigkeiten neu zu sortieren.
Die Empfängerländer stehen vor der schwierigen Aufgabe, die verschiedenen Finanzierungsströme, -modalitäten und -geber zu koordinieren, zu bündeln und sie in ihre nationalen Entwicklungspläne zu integrieren. Anpassungsfinanzierung und andere öffentliche Mittel sollen aus getrennten Quellen kommen, vor Ort müssen sie zusammengeführt werden, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Die Schaffung von Synergien zwischen Entwicklungs- und Klimafinanzierung ist eine der zentralen Aufgaben in den kommenden Jahren. Institutionen, Organisations- und Verfahrensstrukturen müssen entsprechend gestaltet werden. Viele Länder haben damit erst begonnen.
Das Zusammenspiel nationaler Institutionen und Politiken in Entwicklungsländern spielt eine entscheidende Rolle bei der Verteilung der finanziellen Mittel – vor allem, um die besonders gefährdeten Gruppen der Bevölkerung zu unterstützen. Das ist das zentrale Ziel bei den UN-Klimaverhandlungen und der Förderung von Anpassungsmaßnahmen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen eine große Lücke zwischen diesem Anspruch und der Umsetzung. Das UN-Klimaregime vergibt das Geld für Anpassungsmaßnahmen derzeit nicht nach Kriterien der Verwundbarkeit. Nur der „Least Developed Countries Fund“ kann als erster Schritt in diese Richtung gelten, da er sich ausschließlich an die ärmsten Länder richtet. Davon abgesehen haben so unterschiedliche Länder wie Eritrea und Argentinien dieselben Möglichkeiten, bei der Anpassung unterstützt zu werden.
Nur selten werden lokale Partner einbezogen
Auch auf nationaler Ebene gibt es Nachholbedarf. Laut dem Global Assessment Report on Desaster Risk Reduction von 2011 sind Zuweisungen von Haushaltsmitteln an lokale Gemeinden für den Katastrophenschutz aber „eher die Ausnahme als die Regel“. Die Weltbank kommt in einer Analyse der nationalen Anpassungspläne von 2008 zu dem Schluss, dass lokale Institutionen nur selten als Partner einbezogen werden. Das gilt selbst für die Wald- oder Landwirtschaft und die Wasserversorgung, in denen sie eine zentrale Rolle spielen sollten. Die Chancen für Kleinprojekte, von den internationalen Fonds zu profitieren, sind derzeit eher gering, weil die Kosten für Bewilligung und Prüfung im Verhältnis zum Projektumfang zu hoch sind.
All das zeigt, dass eine erfolgreiche Finanzierung der Klima-Anpassung nicht allein von der Höhe der Beträge abhängt. Der Erfolg wird sich vor allem an der Qualität der Arbeit messen lassen müssen und daran, ob die Mittel tatsächlich die am stärksten gefährdeten Gruppen in armen Ländern erreichen. Hier sind noch viele Hürden zu nehmen.
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