Nur wenige Tage nach seiner Amtseinführung am 20. Oktober hat der neue indonesische Präsident Prabowo Subianto angekündigt, die Politik der Binnenmigration (Transmigrasi) werde als Teil eines großen nationalen Entwicklungsplans wieder aufgenommen: Ein neues Ministerium soll sich künftig darum kümmern, dass Menschen aus stark bevölkerten Gebieten wie Java oder Bali in dünn besiedelte Gebiete Indonesiens ziehen. Offizielles Ziel dieser Politik ist es, die Einkommensverhältnisse im ganzen Land anzugleichen und die wirtschaftliche Entwicklung strukturschwacher Gebiete anzukurbeln.
Diese Politik ist nicht neu. Insbesondere unter Präsident Suharto (1962 bis 1998) machte der Staat mit finanziellen Anreizen Millionen von Indonesiern den Umzug in entlegene Gebiete wie Sumatra, Kalimantan, Sulawesi oder West-Papua schmackhaft. Doch seit der Jahrtausendwende wurde das stark zurückgefahren, auch wegen des starken Widerstands der Einwohner in den Zielregionen. Kulturelle, sprachliche und religiöse Unterschiede hatten immer wieder zu Problemen bis hin zu Gewalt geführt.
Die Naturschätze ausbeuten
Besonders die Bewohnerinnen und Bewohner von West-Papua, der östlichsten Region und eines der ärmsten Gebiete des Inselstaats, haben sich gegen diese Politik gewehrt. Sie sehen durch sie ihren Anspruch auf Unabhängigkeit konterkariert. Als Indonesien 1949 von den Niederlanden unabhängig wurde, blieb West-Papua zunächst unter holländischer Kontrolle. Seit 1963 ist es von Indonesien militärisch besetzt, seit 1969 ist es als Teil Indonesiens international anerkannt. Der seit 1962 dauernde Kampf für einen eigenen Staat der West-Papuaner, die sich dem pazifischen Kulturraum der Melanesier zugehörig fühlen, hat schätzungsweise bis zu 100.000 Todesopfer gefordert. In West-Papua liegt die größte Goldmine der Welt und es gibt große Vorkommen an Erdgas, Mineralien, Holz und Palmöl.
Ausgerechnet hier will der neue Präsident Prabowo Subianto die Politik der Binnenmigration wieder aufnehmen. Zwei Millionen Hektar Land im Süden der Insel, eine Fläche fast so groß wie Hessen, sollen für Landwirtschaft ausgewiesen werden, um dort Reis für die wachsende indonesische Bevölkerung (2023: 280 Millionen) zu produzieren.
Gegen diese Pläne hat sich eine Koalition von indigenen katholischen Kirchenvertretern und dem Papuanischen Kirchenrat ausgesprochen, dem verschiedene andere christliche Konfessionen angehören. In einem gemeinsamen Statement vom 11. November appellieren sie an die Regierung, die Bedürfnisse der Menschen in Papua über ihre „Kolonialpolitik“ zu stellen. Das neue Reisanbau-Programm werde indigenes Land, tropischen Regenwald und die Artenvielfalt zerstören.
Zugezogene dominieren in den Städten
„Die Menschen brauchen dringend Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohlstand und Entwicklung”, heißt es weiter. Statt ein Migrationsprogramm umzusetzen, solle die Regierung sich auf den Ausbau von Infrastruktur für die Einwohner von West-Papua konzentrieren. Die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen den Zugezogenen und den Einheimischen würden zu Abgrenzung und Misstrauen führen und die Distanz zur Zentralregierung in Jakarta verstärken. Papua hat eine Bevölkerung von 4,3 Millionen, von denen gut 85 Prozent Christen sind; in Gesamtindonesien stellt der Islam mit 90 Prozent die große Bevölkerungsmehrheit.
John Bunay, ein indigener Priester, bezeichnete bei der Veröffentlichung des Statements die Regierungspläne als Versuch, die Existenz und Kultur der Papuaner zu zerstören. Viele Indonesier würden Lebensraum der indigenen Bevölkerung vereinnahmen. Dabei seien bereits während der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit dem Militär 75.000 Papuaner von ihrem Land vertrieben worden.
Auch der katholische Jugendverband von Papua hat die Regierung aufgefordert, das Programm noch einmal zu überdenken. „Papua ist kein menschenleeres Land. Es gehört den Menschen hier“, sagte Melianus Asso, der Verbandsvorsitzende. Pater Bernard Baru, der Vorsitzende der Justicia-and-Pax-Kommission in Papua, weist darauf hin, dass die Zuwanderung die indigene Bevölkerung bereits jetzt zur Minderheit gemacht habe. „Die Zugezogenen dominieren bereits in den Städten, während die indigenen Papuaner in entlegenen Gebieten leben“, sagte er gegenüber Medien.
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