Den Menschen in der Provinz Punjab geht derzeit buchstäblich die Luft zum Atmen aus. Weil die Luftverschmutzung in den pakistanischen Großstädten Lahore, Faisalabad, Multan und Gujranwala Anfang November das Dreifache des von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegten Grenzwerts überschritten hatte, hat die Provinzregierung den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Grundschulen und öffentliche Ämter wurden geschlossen, Restaurants dürfen nur bis zum Nachmittag öffnen, die Arbeitszeiten sind verkürzt und alle Bauarbeiten gestoppt. Für Lahore und Multan gelten sogar allgemeine Ausgangssperren. Ärzte und Gesundheitseinrichtungen verzeichnen eine starke Zunahme von Atemwegsproblemen wie Reizhusten, Asthma oder Lungenentzündung. Der gefährliche Smog war teils durch Fahrzeug- und Industrie-Emissionen, teils durch Verbrennung von Pflanzenteilen zu Beginn der Weizenernte im Winter entstanden.
In der Region Punjab haben sich nun Muslime, Christen, Sikhs und Hindus zu einer Allianz für Umweltschutz zusammengetan. Sie wollen die Menschen in ihren Gemeinden für Umweltschutz sensibilisieren und für langfristige Verhaltensänderungen werben. So gibt es interreligiöse Baumpflanzaktionen, mit denen in den Großstädten grüne Lungen geschaffen werden sollen. In gemeinsamen Seminaren und Workshops wird diskutiert, wie der motorisierte Individualverkehr, der in Pakistan vor allem auf Mopeds und Motorroller mit Verbrenner-Motor emissionsfrei werden kann.
Alle Religionen hätten in ihren Traditionen die Botschaft von der „Sorge um das gemeinsame Haus“, sagt James Rehmat, der Vorsitzende der Ökumenischen Kommission für die Menschliche Entwicklung, einer christlichen, konfessionsübergreifenden NGO in Pakistan, die Teil dieser Allianz ist. Die Christen könnten sich mit dem Prinzip „Bewahrung der Schöpfung“ einbringen, in der Sikh-Religion sei das „Wohlergehen für alle“ ein hoher Wert und bei den Muslimen werde im Koran die Ausbeutung von Schöpfung und Lebewesen als Konsumobjekte kritisiert.
Auch auf globaler Ebene wächst das interreligiöse Engagement für Klimaschutz
Die interreligiöse Umweltinitiative, die von nicht religiösen Umweltgruppen und Gesundheitsorganisationen unterstützt wird, ruft lokale Religionsführer auf, in Predigten, bei Veranstaltungen und in der Bildungsarbeit diese religiösen Werte zum Umweltschutz immer wieder ins Bewusstsein zu rufen. Von den Politikern des Landes fordern sie eine konsequente Umweltpolitik und eindeutige Vorschriften für Kraftfahrzeug- und Industrieemissionen.
Auch auf globaler Ebene wächst das interreligiöse Engagement für Umwelt- und Klimaschutz. So hat das Interfaith Liaison Committee Anfang November aus Anlass der 29. UN-Klimakonferenz in Baku einen Aufruf veröffentlicht, der unter anderem das Ende der Förderung und Produktion fossiler Brennstoffe fordert. Die Nationalen Klimabeiträge – die Ziele und Pläne der jeweiligen Staaten für Klimaschutz und Anpassung (NDCs) – müssten noch ehrgeiziger sein, um die Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten. „Alle Länder müssen dem dringenden Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, der Hauptquelle für Treibhausgasemissionen, Priorität einräumen, indem sie Subventionen abschaffen, den Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe unterstützen und Geoengineering-Lösungen ablehnen, die die Nutzung fossiler Brennstoffe verlängern“, heißt es in dem Statement.
Unterstützung der Schwächsten ist religiöse Pflicht
Unterzeichnet haben 60 interreligiöse Organisationen wie GreenFaith und das Parlament der Weltreligionen. Weiter sind von christlicher Seite der Weltkirchenrat, ACT Alliance und der Lutherische Weltbund dabei, auf jüdischer Seite unter anderem die Organisation Adamah, in der sich jüdische Gemeinden für Klimaschutz vernetzen. Von hinduistischer Seite ist die Brahma Kumaris World Spiritual University dabei, ein Netzwerk aus mehr als 8000 spirituellen Zentren. Und von muslimischer Seite macht zum Beispiel Islamic Relief Worldwide beim Interfaith Liaison Committee mit.
Zur Debatte um die Finanzierung von Klimaschäden und Anpassungsmaßnahmen erinnert der Call of Action daran, dass in allen Religionen die Unterstützung der Armen und Schwächsten eine religiöse Pflicht darstelle. „Wir rufen auch dazu auf, einen Schuldenerlass in Betracht zu ziehen“, heißt es in dem Statement. Weiter sollten die Staaten ein neues Ziel für die internationale Klimafinanzierung festlegen, das „den Menschenrechten Vorrang einräumt“, mehr auf Zuschüsse statt Kredite abzielt und „den direkten Zugang für lokale Gemeinschaften und indigene Völker“ zu dem Geld gewährleistet. Diejenigen, die am meisten für die Emissionen verantwortlich seien, müssten den größten Beitrag leisten.
Neuen Kommentar hinzufügen