Märkte schaffen ist der falsche Weg

Artenschutz
Die Industrieländer suchen mehr Geld von Unternehmen für den Schutz der Biodiversität. Besser wäre, Landrechte lokaler Gemeinschaften zu schützen und umweltschädliche Subventionen umzuwidmen.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.

Am Ende scheitert es am Geld: Die UN-Naturschutzkonferenz in Cali (Kolumbien) Ende Oktober hat die Rechte von Indigenen gestärkt und betont, dass man Klima- und Artenschutz zusammen angehen muss. Doch die auf der Vorgängerkonferenz in Montreal versprochene internationale Finanzierung für den Schutz der Biodiversität bleibt aus. Die Industrieländer zahlen viel weniger als die 2022 zugesagten 20 Milliarden US-Dollar im Jahr, und einen Fonds, in dem Entwicklungsländer mehr Mitsprache über die Vergabe hätten, lehnen sie ab.

Stattdessen setzen sie auf dramatisch höhere Beiträge von Firmen, um wie versprochen 200 Milliarden „aus allen Quellen“ zu erreichen: Ein einheitlicher Markt für Biodiversitätskredite soll „Investitionen“ in Naturschutz mobilisieren. Unter anderem haben die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens im Frühjahr eine hochrangige Kommission beauftragt, Standards und Empfehlungen dafür auszuarbeiten; dieses International Advisory Panel for High Integrity Biodiversity Markets (IAPB) hat das Ergebnis in Cali vorgestellt. Jessika Proswall, die neue Umweltkommissarin der EU, hat sich im November für Biodiversitäts-Kredite ausgesprochen.

Das ist ein Irrweg. Das Vorbild ist der freiwillige Kohlenstoffmarkt; hier wollen Firmen ihre Emissionen ausgleichen, indem sie Zertifikate über Emissionseinsparungen andernorts kaufen, meist von Waldschutzprojekten in armen Ländern. Doch dieser Markt ist korrupt; Zertifizierer wie Verra haben das Ausmaß der eingesparten Emissionen systematisch viel zu hoch angesetzt, viele Projekte sind mit Landraub verbunden, einige mit Menschenrechtsverletzungen.

Bessere Regeln als auf dem Kohlenstoffmarkt?

So etwas sollen, rät das IAPD, von Staaten festgelegte Standards für Biodiversitätsmärkte verhindern: Demnach sollen Indigene und lokale Gemeinschaften, nicht Planer aus dem Norden, beim Naturschutz die Führungsrolle haben. Zertifikate soll es nur geben, wenn die Biodiversität in Wäldern, Mooren, Savannen und auch der Landwirtschaft nachweislich verbessert wird – nicht auch dann wie auf dem Kohlenstoffmarkt, wenn erwartete Verschlechterungen vermieden oder verlangsamt werden. Und das IAPB will eine grenzüberschreitende Kompensation ausschließen. Mit Biodiversitätskrediten aus Wäldern im Kongo darf man dann zum Beispiel Folgen des Bergbaus oder von Plantagen im Kongo ausgleichen, nicht jedoch Umweltschäden der Weiterverarbeitung in Europa oder Asien.

Dass Firmen sich mit so einem Ausgleich als klimaneutral bewerben können, ist auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt ein Kaufanreiz. Warum sollten Firmen ohne ihn freiwillig Biodiversitäts-Kredite kaufen? Werben könnten sie vielleicht mit lokaler Kompensation, aber die lässt sich einfacher und sicherer erreichen, indem Regierungen sie vorschreiben – das ist zum Beispiel in Deutschland schon gängig und geht ohne Biodiversitätskredite. Ein Bonus können diese Kredite sein, wenn Firmen eigene Lieferketten nachhaltiger machen – zum Beispiel wollen manche ihren Wasserverbrauch im Ausland senken. Dennoch: Die in Biodiversität investierten Summen sind bisher global gesehen klein, und das würde ein Biodiversitätsmarkt kaum drastisch ändern.

Ein Geschenk für Zertifizierungs- und Planungsfirmen

Ein Geschenk wäre der aber für die Zertifizierungs- und Planungsindustrie – auch für Firmen wie Verra, die bisher auf Kohlenstoffmärkten tätig sind und bereits fordern, diese mit Biodiversitätsmärkten zusammenzuführen. Das befestigt ein gefährliches Machtungleichgewicht: Dass lokale Gemeinschaften gegen Konzerne und Zertifizierer die Kontrolle über Umweltprojekte in ihrem Lebensraum behaupten, wie es der IAPB vorschwebt, ist völlig unrealistisch, egal wie Staaten das regulieren.

Statt Biodiversitätskredite zu schaffen, sollte man die Landrechte von Indigenen und ländlichen Gemeinschaften schützen. Dafür braucht man nicht viel Geld, müsste aber akzeptieren, wenn diese Gemeinschaften im Sinne der Nachhaltigkeit Bergbau, Großplantagen oder die Ölförderung in ihrem Lebensraum einschränken und damit globale das Angebot an Rohstoffen – man müsste also gleichzeitig den Verbrauch begrenzen. Das ist die beste Hoffnung, die heutige kapitalistische Plünderungswirtschaft aus wichtigen Ökosystemen fernzuhalten.

Und der Schutz von Ökosystemen erfordert zwar auch Geld. Aber um es zu beschaffen, müssten die Staaten nur tun, was sie in Montreal 2022 beschlossen haben: jährlich 500 Milliarden US-Dollar umweltschädliche Subventionen in Naturschutz umleiten. Seitdem sind laut UN-Umweltprogramm diese Subventionen gestiegen auf insgesamt weit über 1000 Milliarden pro Jahr. Biodiversitätsmärkte lenken von diesem Versagen nur ab.
 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2024: Wo Macht sich kaufen lässt
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