Der Handel mit Emissionszertifikaten auf sogenannten Kohlenstoffmärkten gilt als Win-Win-Option im Klimaschutz: Wenn reiche Länder oder Firmen Emissionseinsparungen in armen Ländern finanzieren, indem sie entsprechende Zertifikate kaufen, dann soll Klimaschutz kostengünstiger werden, denn man kann in armen Ländern Emissionen kostengünstiger vermeiden als in reichen. Zugleich sollen arme Länder mit den Projekten, die sie auf diesen Märkten finanzieren lassen, zusätzliches Geld für ihre Entwicklung erhalten.
Im jüngsten Bericht über die 45 ärmsten Länder der Welt (LDCs) prüft die UN-Handels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD den zweiten Teil des Arguments: den Nutzen der Kohlenstoffmärkte für diese Staaten. Der wird danach deutlich überschätzt und geht zudem mit erheblichen Risiken für Länder einher, die sich auf diese Märkte einlassen.
Kein Beitrag zur Umsetzung der SDGs
Die Kohlenstoffmärkte bringen LDCs bisher nur wenig Geld, so der Bericht: 2023 entsprach die Summe rund einem Prozent der Entwicklungshilfe und nur 0,6 Prozent der Rücktransfers von Arbeitskräften im Ausland, die diese Länder in dem Jahr erhielten. Zwar könnten die LDCs wesentlich mehr CO2-Zertifikate erzeugen als bisher, hauptsächlich mit Projekten für Waldschutz und nachhaltige Landwirtschaft. Aber auch das werde nur einen sehr kleinen Beitrag für die Umsetzung der SDGs bringen, zumal ein Teil der Erträge an Projektentwickler und Zertifizierer geht.
Die UNCTAD hat auch die Erfahrungen mit solchen Projekten unter dem Clean Development-Mechanismus des Kyoto-Protokolls von 2004 bis 2020 [EB2] ausgewertet. Danach brachten die nicht unbedingt einen Zufluss von ausländischem Kapital und auch nicht automatisch einen Wissenstransfer – sie wurden in LDCs meist an den Behörden vorbeigeplant. Ein Teil war schlecht umgesetzt und mit Menschenrechtsverletzungen verbunden.
Viele Risiken und Nebenwirkungen
Die Beteiligung an Kohlenstoffmärkten birgt laut UNCTAD zudem erhebliche Risiken. So seien die technischen und administrativen Anforderungen hoch, so muss etwa die CO2-Einsparung dokumentiert werden. Die LDCs müssten große Landflächen mit langfristigen Verträgen für Klimaschutz binden, was den Spielraum etwa der Agrarpolitik auf Dauer einschränken könne. Und wenn die Zertifikate an Staaten verkauft werden, die sie auf eigene Minderungspflichten anrechnen – das tut etwa die Schweiz –, dann kann das arme Herkunftsland der Zertifikate sich nicht selbst die Einsparung anrechnen und ist möglicherweise zu zusätzlichen, teureren Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet.
Der Bericht rät den LDCs dennoch nicht von der Teilnahme an diesen Märkten ab. Sie sollten sie aber abwägen, die Projekte auf die eigenen Entwicklungsstrategien abstimmen und den Handel selbst mit regulieren – auch den eigenen Anteil am Geld und den Emissionsminderungen. Die Entwicklungshilfe solle das unterstützen. Auf keinen Fall dürfen der UNCTAD zufolge Einnahmen von Kohlenstoffmärkten als Teil der Klimafinanzierung angerechnet werden, die die Industrieländer zugesagt haben.
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