Die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit (EZA) bleibe eine notorische Baustelle, sagt Lukas Schlögl, Senior Researcher bei der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). Die EZA sei zwar auf verlässlichem Niveau weitergeführt worden, man könne aber auch sagen: auf einem immer noch nicht besonders ambitionierten Niveau.
Von der Annäherung der öffentlichen Entwicklungsgelder an das internationale 0,7 Prozent-Ziel, zu dem sich auch Österreich bekennt, ist man weit entfernt. Die ODA-Quote, also der Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe (Official Development Assistance, ODA) am Bruttoinlandsprodukt, ist von 0,30 Prozent im Jahr 2020 auf zuletzt nach vorläufigen Berechnungen 0,38 Prozent im Jahr 2023 gewachsen. Dieser Anstieg ist aber besonders den Ausgaben für Ukraine-Geflüchtete in Österreich geschuldet, die zur ODA gerechnet werden. Es gebe keinen glaubwürdigen langfristigen „Fahrplan“ in Richtung einer nachhaltigen Budgetsteigerung, bemängelt Schlögl.
An Gewicht gewonnen habe über die letzten Jahre die humanitäre Zusammenarbeit. „Die ÖVP hat dies mit dem Schlagwort ‚Hilfe vor Ort‘ vorangetrieben und gleichzeitig das Narrativ der EZA als Fluchtursachenbekämpfung und Migrationsbremse etabliert“, sagt Lukas Schlögl. Das lasse sich auch am gestiegenen Budget des Auslandskatastrophenfonds (AKF) sehen. Der wurde bereits infolge des Syrienkriegs unter dem damaligen ÖVP-Außenminister und späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz 2016 auf 20 Millionen Euro vervierfacht. Nach der Krise im Flüchtlingslager Moria 2020 auf der griechischen Insel Lesbos erhöhte die damalige Bundesregierung den Auslandskatastrophenfonds auf 50 Millionen Euro. Im Jahr 2024 beläuft sich das AKF-Budget auf 80 Millionen Euro.
Nach dem 7. Oktober wurde, so Schlögl, infolge des Nahostkonflikts das österreichische EZA-Engagement in Gaza in Frage gestellt: „Es hat mich überrascht, dass die EZA unter eine Art Generalverdacht möglicher Terrorismusfinanzierung gestellt wurde.“ Zumal diese Zweifel aus den Reihen des großen Koalitionspartners ÖVP kamen, die das Außenministerium und somit die EZA-Verantwortung innehat. Eine Prüfung habe den Generalverdacht letztlich nicht bestätigt.
Warten auf das nächste Dreijahresprogramm
Jetzt warte man, wie bereits zu Beginn der Legislaturperiode 2020, wieder auf das nächste Dreijahresprogramm der Entwicklungspolitik. Damals verzögerte sich der Beschluss ein Jahr lang wegen koalitionsinterner Verhandlungen. Das Dreijahresprogramm dient der strategischen Ausrichtung und bestimmt die Verwendung öffentlicher Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit. Jetzt harre erneut ein beschlussreifes Dreijahresprogramm, das unter Beteiligung vieler – von Ministerien bis zur Zivilgesellschaft – erarbeitet wurde, seit Frühjahr auf einen Beschluss. Aus dem Außenministerium heißt es dazu auf Anfrage, dass die politische Koordinierung des Dreijahresprogramms derzeit noch nicht abgeschlossen sei.
„Es ist zu einem Problem geworden, dass nun auch das EZA-Programm zur Verhandlungsmasse gehört, die zwischen den Koalitionspartnern als politischer Spielball benutzt wird“, sagt Schlögl. Hier brauche es mehr Verpflichtung auf EZA-Politik auf höchster politischer Ebene. Auch Anja Appel, die Leiterin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO), sieht dies als Problem. Sie hat Anfang Juli gemeinsam mit Lukas Wank, dem Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, eine Stellungnahme zum Dreijahresprogramm veröffentlicht. „Es wäre sehr wichtig, das Programm noch vor den Wahlen zu beschließen“, sagt sie. Denn die Strategien für einzelne Partnerländer und Themen sowie deren Umsetzung wären sonst mit Ablauf des geltenden Programms Ende des Jahres ungewiss.
Von Lösungen im Süden lernen
Für die kommenden Jahre sieht Lukas Schlögl drei große Anforderungen: erstens die Ukrainekrise und den Wiederaufbau des kriegsgebeutelten Landes, zweitens eine Vielzahl eskalierender Konflikte und Krisen auch in Partnerländern der EZA, bei denen eine Frage sei, wie man sich zu den jeweiligen Regierungen verhalte, und drittens die Bewältigung des Klimawandels. Bei Letzterem brauche es eine langfristige Strategie. Man müsse überlegen, welche Rolle erneuerbare Energien in der EZA spielen sollten, wie man die grüne Wende kohärent vorantreiben könne, an welche Bedingungen Finanzierungszusagen geknüpft werden oder wie man mit Flugreisen und anderen Emissionen im EZA-Sektor umgehe.
Anja Appel betont, es sei notwendig, die EZA aufzuwerten und sichtbarer zu machen. „Ich würde mir wünschen, dass die Erfahrung und das Wissen, das in Jahrzehnten über Konflikte, Friedensprozesse oder Ressourcenfragen gesammelt wurde, auch als Lernquelle für die eigene Politik wahrgenommen wird“, sagt Appel. Beispielsweise beim Umgang mit Wasserknappheit, die bereits heute viele Länder trifft und auch Österreich künftig beschäftigen dürfte.
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