Entwicklungsfinanzierer fühlen sich benachteiligt

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Ein junger Afrikaner deutet auf zwei Stromzähler einer Solaranlage, die an einer Hauswand befestigt sind.
PIUS UTOMI EKPEI/AFP via Getty Images
Stromzähler einer Solaranlage für ein Dorf in Togo. An solchen Projekten sind oft Entwicklungsfinanzierer wie die DEG beteiligt.
Brüssel
Die Regeln der Europäischen Union für umwelt- und sozialverträgliche Investitionen benachteiligen Entwicklungsfinanzierer wie die deutsche DEG. Der europäische Verband der Branche plädiert deshalb für Korrekturen.

Seit dem Jahr 2023 müssen in der Europäischen Union ansässige Unternehmen und Banken darüber berichten, inwieweit ihre Geschäfte der sogenannten EU-Taxonomie entsprechen. Das ist ein von der EU beschlossener Katalog von Kriterien, die darüber Aufschluss geben sollen, wie „nachhaltig“, also wie umwelt- und sozialverträglich, Unternehmen und Banken Geld vergeben. Auf diese Weise sollen nachhaltige Investitionen und Geschäfte gefördert und „greenwashing“ – die bloße Behauptung umweltfreundlicher Geschäfte – verhindert werden. Seit Anfang dieses Jahres müssen Unternehmen und Banken außerdem mit dem Green Asset Ratio angeben, welchen Anteil umwelt- und sozialverträgliche Geschäfte an ihrem Gesamtumsatz haben.

Der Verband europäischer Entwicklungsfinanzierer (European Development Finance Institutions, EDFI) kritisiert, dass die Vorgaben der EU von Entwicklungsbanken und entwicklungspolitischen Finanzinstitutionen oft nicht erfüllt werden können und sie zudem benachteiligen. So seien Unternehmen in ärmeren Ländern, in die Entwicklungsfinanzierer wie die deutsche DEG investieren, oft nicht in der Lage nachzuweisen, ob ihre Geschäfte der EU-Taxonomie genügen oder nicht. Zudem seien die Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie den Bedingungen in den Partnerländern oft nicht angemessen.

Investitionen jenseits der EU bleiben unberücksichtigt

Ein wesentlicher Mangel ist laut EDFI zudem, dass Investitionen von Banken und Unternehmen in Ländern außerhalb der EU in deren Green Asset Ratio grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Das habe zur Folge, dass Entwicklungsfinanzierer, die naturgemäß hauptsächlich im Ausland investieren, hier schlecht abschneiden: Auf dem Papier sieht es so aus, als sei der Anteil nachhaltiger Investitionen an ihrem Gesamtgeschäft sehr klein. Als Beispiel nennt EDFI die niederländische Entwicklungsbank FMO, die im Jahr 2023 mehr als eine Milliarde Euro in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern investiert habe, mit denen mehr als zwei Millionen Tonnen CO2 vermieden worden seien. Trotzdem betrage der Green Asset Ratio der Bank auf dem Papier null Prozent.

EDFI plädiert für eine Reihe von Korrekturen, damit die EU-Regeln besser zum Geschäft der Entwicklungsfinanzierer passen. So solle Brüssel die EU-Taxonomie flexibel handhaben, so dass sie besser vereinbar ist mit den Taxonomien, die etliche Entwicklungs- und Schwellenländer selbst erlassen haben. Ähnliches hatte bereits im April eine von der EU-Kommission mandatierte Expertengruppe zur Förderung nachhaltiger Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern vorgeschlagen. In deren Abschlussbericht heißt es, die EU solle andere Länder bei der Ausarbeitung von Taxonomien unterstützen und zugleich auf globale Standards für nachhaltige Investitionen hinarbeiten. 

EDFI schlägt außerdem vor, neben der EU-Taxonomie andere Standards für umwelt- und sozialverträgliche Investitionen wie etwa die der Weltbank-Tochter IFC als gleichwertig anzuerkennen. Aus der EU-Kommission heißt es dazu allerdings auf Anfrage: „Um ,greenwashing‘ zu verhindern, zielt die EU-Taxonomie auf einen einheitlichen Standard als Maßstab für die Umweltberichterstattung. Sie unterscheidet deshalb auch nicht, ob es sich um eine ,entwickelte‘ oder eine ,sich entwickelnde‘ Wirtschaft handelt.“

Keine klaren Standards

Auch die belgische Organisation Counter Balance, die die Arbeit europäischer Entwicklungsbanken kritisch begleitet, hat Einwände gegen die Anliegen von EDFI. Standards wie die der IFC böten Unternehmen „keine klaren Nachhaltigkeitsstandards“, sondern bestenfalls allgemeine Richtlinien, heißt es auf Anfrage. Sie als Alternative zur EU-Taxonomie zu nehmen habe zur Folge, dass Unternehmen auf umweltschädlichere Praktiken zurückgreifen können.

Entwicklungsfinanzierer wie die DEG oder die niederländische FMO spielen in der EU-Initiative Global Gateway für Infrastrukturinvestitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern eine wichtige Rolle. EDFI betont, ohne die vorgeschlagenen Korrekturen könnten die gegenwärtigen EU-Regeln den Beitrag der Entwicklungsfinanzierer zu Global Gateway behindern. 

Eine DEG-Sprecherin erklärt, die DEG unterstütze „den Impuls der bilateralen europäischen Entwicklungsfinanzierer, mit der EU in den Austausch zur Ausgestaltung der EU Sustainable-Finance-Regularien zu gehen, insbesondere was deren Anwendbarkeit in Entwicklungs- und Schwellenländern und Anrechenbarkeit angeht“. Die europäischen Entwicklungsfinanzierer wollten damit „konstruktiven Input in Richtung EU zu Gegebenheiten in Entwicklungs- und Schwellenländern geben und den Austausch dazu vertiefen“.

Counter Balance betont, Global Gateway habe den Anspruch, den UN-Nachhaltigkeitszielen zu dienen. „Das setzt voraus, dass die technischen Komplikationen im Zusammenhang mit der Taxonomie überwunden werden, ohne Umweltstandards zu senken.“

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