„Der Präsident hat Reue gezeigt“

Ein junger Mann kniet zwischen Kreuzen mit Rosen, eine Faust geballt, in der anderen Hand eine Fahne Kenias.
picture alliance / ZUMAPRESS.com/Katie G. Nelson
Der Kampf geht weiter: Junger Mann im Juni in Nairobi beim Gedenken an Demonstranten, die während der Proteste gegen die Steuergesetze getötet worden sind.
Kenia
Kenias Präsident William Ruto hat Ende Juni nach heftigen Protesten ein Gesetz zu einigen Steuererhöhungen gestoppt. Kurz zuvor hatten ihn Kirchenführer ins Gebet genommen. Bischof David Kodia zu Hintergründen und wie es weitergeht.

David Kodia ist Bischof der anglikanischen Diözese von Bondo in der Nähe des Victoriasees in Kenia.

Das Parlament hatte dem Gesetz über eine Steuererhöhung in zweiter Lesung bereits zugestimmt. Nur die Unterschrift des Präsidenten fehlte noch. Warum die heftigen Proteste dagegen? 
In der jungen Generation hat sich über Jahre eine große Frustration aufgebaut. Jedes Jahr machen 50.000 Studierende ihren Abschluss und drängen auf den Arbeitsmarkt. Die meisten finden aber keine Anstellung. Die Regierung hat zwar neue Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst geschaffen. Aber nur Leute mit Beziehungen haben sie am Ende bekommen. Die übergroße Mehrheit der jungen Leute, darunter wirklich hoch qualifizierte Menschen, ist leer ausgegangen und verdient Peanuts, wenn überhaupt. Dabei haben sie sehr viel Geld für ihre Ausbildung ausgegeben. Zum Teil haben Familien Landbesitz verkauft, damit ihre Kinder studieren können. Und jetzt sind die arbeitslos.

Ende Juni hat Präsident Ruto das Gesetz gekippt. Sie hatten am Tag zuvor ein Treffen mit ihm. Was haben Sie Ruto gesagt?
Der National Council of Churches in Kenya und die katholische Bischofskonferenz haben das Gespräch gefordert, weil die Polizei auf Demonstranten geschossen und Menschen getötet hat. Es ist beunruhigend, mit welcher Brutalität die staatlichen Sicherheitskräfte vorgegangen sind. Sie zerstören die Zukunft der jungen Generation und unsere Demokratie. Die Demonstranten haben doch nichts außer ihren Handys. Die Polizei dagegen hat Tränengas, Wasserwerfer und Waffen. Und die setzen sie auch ein.

Haben Sie sich vorher mit Ihren Kollegen im Kirchenrat abgesprochen?
Wir haben gemeinsam ein Memorandum formuliert, das wir dem Präsidenten vorgelesen haben. Wir haben es bewusst vorher nicht veröffentlicht, weil wir sichergehen wollten, dass der Präsident es im vollen Wortlaut von uns hört und auch versteht.

Welche Punkte haben Sie angesprochen?
Die Verbitterung der Menschen zum Beispiel. Die Polizei hat Demonstranten getötet, und der Präsident entschuldigt sich nicht einmal bei den Angehörigen. Er trauert nicht mit ihnen und macht ihnen keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Als Vater der Nation muss er den Menschen eine Perspektive geben, anstatt sich darüber aufzuregen, dass es Demonstrationen gegen seine Politik gibt.

Wie hat er reagiert? 
Er wurde nachdenklich. Wir haben auch die Korruption in seiner Regierung angesprochen. Da hat er versagt. Es gibt Minister, die stehlen das Geld, welches der Staat als Steuern eintreibt. Solange das nicht aufhört, gibt es keinen Grund, weitere Steuern zu zahlen. 14 Milliarden Kenia- Schilling (100 Millionen Euro) sind aus dem Staatshaushalt verschwunden und keiner weiß, was damit passiert ist. Wir wollen wissen, wer dafür verantwortlich ist. Die Frau des Präsidenten und die seines Stellvertreters haben eine Milliarde Schilling (sieben Millionen Euro) ohne Auflagen zugewiesen bekommen. Keiner weiß, wofür. Dies ist eine unzulässige Verwendung öffentlicher Gelder in einem Land, in dem Lehrer nicht eingestellt werden können und Mediziner mit Peanuts bezahlt werden.

Haben Sie auch über die junge Generation gesprochen, die ja die Demonstrationen organisiert hat?
Ja, wir haben die hohe Jugendarbeitslosigkeit angesprochen. Es kann nicht sein, dass Minister Jobs nur an Verwandte vergeben. Jungen Menschen wird damit signalisiert, dass es sich nicht lohnt, zur Schule zu gehen. Wofür etwas lernen, wenn man später keinen Job bekommt?

Wie hat der Präsident auf Ihren Besuch reagiert?
Er zeigte Reue. Ich glaube, dass er das Ruder noch rumreißen kann, wenn er den Menschen wieder Hoffnung gibt, Arbeitsplätze schafft und sich an das hält, was er zusagt. Was wir nicht brauchen, sind Versprechen, die er am Ende doch nicht hält. Das war das Problem in der Vergangenheit.

Wie geht es mit Kenia weiter?
Die jungen Leute wollen für ihre Zukunft kämpfen. Sie anerkennen die staatlichen Strukturen nicht mehr. Sie haben das Parlament gestürmt. Sie haben auch den Dienstag als allgemeinen Feiertag und damit zu einem freien Tag deklariert, an dem niemand zur Arbeit, in die Schule oder an die Universität geht.

Werden Sie nun dienstags auch nicht arbeiten? 
Ich schließe mich ihnen an, wie viele meiner Kollegen auch. Wir stehen hinter den jungen Leuten und ihren Forderungen für eine bessere Zukunft.

Sehen das alle Kirchen in Kenia so? 
Leider nicht. Die evangelikalen Kirchen, zu der immerhin ein Fünftel der Bevölkerung gehört, stehen weiterhin hinter dem Präsidenten. Sie erhoffen sich Vorteile. Wir haben in Kenia die bedauerliche Situation, dass es nicht nur zwischen der Politik und der Bevölkerung knirscht. Auch die Kirchen schaffen es nicht, mit einer Stimme zu sprechen und sich gemeinsam für eine Stabilisierung der Lage und eine bessere Zukunft einzusetzen.

Das Gespräch führte Katja Dorothea Buck.

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