Dieser Artikel ist zuerst englisch auf der Online-Plattform "YaleEnvironment360" erschienen.
Delegierte aus 187 Ländern haben 2019 in Genf die ersten internationalen Regeln für den grenzüberschreitenden Transport von Plastikmüll verabschiedet. Ohne informierte Zustimmung des Empfängerlandes sollte nun kein Land mehr verunreinigtes, unsortiertes oder nicht wiederverwertbares Plastik ausführen können. Das war ein großer Schritt in Richtung auf das Ziel, die Müllflut zu verringern, die sich aus den reichen Ländern über ärmere Regionen ergoss – besonders Südostasien –, seit China solche Importe im Jahr zuvor verboten hatte.
Das Rahmenabkommen von 2019 bekam die juristische Form von Ergänzungen zur Basler Konvention, die Regeln für den Export gefährlicher Abfälle aus Industrieländern in Entwicklungsländer festlegt. Die Hoffnung war groß, dadurch mehr Kontrolle über den Handel mit Plastikmüll zu erreichen, der am Ende oft Felder übersät, Flüsse verstopft oder auf offenen Deponien verbrannt wird.
Seit das Rahmenabkommen 2021 in Kraft getreten ist, ist die Wirkung allerdings weit hinter dem ehrgeizigen Ziel zurückgeblieben. Manche Empfängerländer von Müll aus der westlichen Welt nehmen die Sache nun selbst in die Hand – zum Beispiel Indonesien. Das Land wurde wie seine Nachbarn Thailand und Malaysia von einer regelrechten Müllflut erfasst, als China – lange die Hauptadresse für Plastikabfälle – die weitere Annahme verweigerte und Exporteure in Nordamerika, Europa, Australien, Japan und Südkorea daraufhin hektisch versuchten, rasch wachsende Müllberge loszuwerden.
Gebrauchte Babywindeln und fragwürdige Exportfirmen
Bilder, auf denen sich dieses Plastik in indonesischen Dörfern auftürmte und in Flussläufen umherwirbelte, riefen Empörung im In- und Ausland hervor. Unter diesem Druck ging das Land hart gegen verschmutzte, unsortierte Importe vor; es verschärfte seine Bestimmungen und setzte sie konsequenter um. Indonesiens Erfahrungen damit sind gemischt und zeigen, wie kompliziert der Versuch ist, sich der von Jahr zu Jahr wachsenden globalen Flut von Plastikabfällen entgegenzustemmen.
Autorin
Beth Gardiner
ist Journalistin und Autorin des Buches „Choked: Life and Breath in the Age of Air Pollution“. Ihr Artikel ist zuerst englisch bei Yale Environment360 erschienen (https://e360.yale.edu/). Das Pulitzer Center on Crisis Reporting hat die Reise und die Recherche für diesen Artikel finanziert.Der Plastikmüll, der seit langem um die halbe Welt befördert wird, ist angeblich zur Wiederverwertung bestimmt. Manches davon wird am Ende tatsächlich in neue Produkte umgewandelt. Aber nach dem Ausstieg Chinas ist klar geworden: Vieles von dem, was in den USA, Europa und der übrigen westlichen Welt in Schiffscontainer geladen wurde, war stark mit normalem Müll wie gebrauchten Babywindeln verunreinigt oder enthielt einen hohen Anteil an nicht recycelbaren Kunststoffsorten.
Indonesien lässt heute nur noch gut sortierten Müll ins Land und verbietet die Einfuhr von Abfällen, die mit mehr als zwei Prozent Fremdmaterial am Gesamtvolumen verunreinigt sind. Jeder Container mit Ziel Indonesien muss vor der Verladung kontrolliert werden. Exporteure müssen sich zudem bei der indonesischen Botschaft in ihrem Land registrieren lassen. Das soll Transparenz in die Branche bringen, sagt Yuyun Ismawati, Mitbegründerin der Forschungs- und Umweltschutzorganisation Nexus3 Foundation in Jakarta; die Branche sei voll von fragwürdigen Firmen, die es mit häufigen Namenswechseln schwer machten, den Verantwortlichen für eine verunreinigte Ladung zu finden.
Weniger regelwidrige Müllabfuhren
Umweltschützer und Fachleute sind sich einig, dass diese härtere Gangart zu einer deutlichen Verringerung der regelwidrigen Mülleinfuhren nach Indonesien geführt hat. Viele Felder, die vor wenigen Jahren mit Plastik aus dem Ausland übersät waren, sind jetzt weniger verschmutzt. Die Veränderung ist zwar schwer zu quantifizieren – auf manchen Müllhalden wurde importiertes Plastik einfach durch eigenen Müll ersetzt –, aber laut Aktivisten, die diese Halden beobachten, ist die Verbesserung unbestreitbar.
Die Staatengemeinschaft geht das Plastikproblem an
Plastikmüll ist ein globales Problem – nicht nur wegen der Müllexporte: Kunststoffreste verschmutzen auch die Weltmeere, ...
Indonesische Unternehmen wollen leicht zu recycelnde Kunststoffe, besonders das etwa für Getränkeflaschen verwendete PET. Dieses Material sei kein Abfall, sagt Novrizal Tahar, Leiter der Abfallwirtschaft beim indonesischen Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft: „Das ist ein Rohstoff.“ Indonesische Produzenten von neuen Flaschen oder von Konsumgütern wie Eimern und Kisten sind auf Müllimporte angewiesen, weil es kein formales Abfallsortiersystem gibt und deshalb einheimisches Material ungeeignet ist, sagt Arisman, der Geschäftsführer des Center for Southeast Asian Studies in Jakarta (er trägt wie viele Indonesier nur einen Namen).
Aber das Recycling von Plastik, auch leicht zu verarbeitendem, ist problematisch: Das entstehende Material kann gefährliche Chemikalien wie Benzol in hoher Konzentration enthalten und ist in der Regel von schlechterer Qualität als das Ausgangsprodukt. Beim Recycling entweicht außerdem Mikroplastik in die Luft und ins Wasser. Und in armen Ländern, in denen Arbeits- und Umweltschutzauflagen nicht streng durchzusetzen sind, können Arbeitskräfte gefährlichen Giften ausgesetzt werden. Diese Risiken in Länder wie Indonesien auszulagern, ist nach Ismawatis Ansicht „eine neue Art von Kolonialismus“.
Indonesien gewinnt allmählich die Kontrolle über seine Importe – aber das undurchsichtige globale Netz des Abfallhandels ist ein Katz- und Mausspiel. Wenn ein Land Schranken errichtet, finden die Länder, die Müll loswerden wollen, andere Abnehmerländer. So verschiffen die USA weniger Plastikabfälle nach Südostasien als noch vor einem Jahr, aber mehr nach Mexiko und Indien. Europäische Länder, die früher nach Thailand exportierten, bevorzugen inzwischen die Türkei. Die Umbrüche im Müllhandel haben auch dazu geführt, dass wachsende Mengen Kunststoff, die Nordamerikaner und Europäer für die Wiederverwertung sortiert hatten, einfach im Inland verbrannt werden.
Ein Plastikmüllberg ragt hinter smaragdgrünen Reisfeldern auf
Indonesien hat zwar problematische Importe reduziert, aber die Grenzen dieses Fortschritts zeigen sich etwa fünfzig Meilen außerhalb der Hauptstadt Jakarta: Da ragt über roten Dächern, smaragdgrünen Reisfeldern und Bananenwäldchen ein gewaltiger Plastikmüllberg auf. Die Abfälle erstrecken sich über eine Fläche von mindestens zehn Fußballfeldern und türmen sich so hoch auf, dass man einige Minuten braucht, um von der Straße am Fuß des Müllberges bis zu seiner Spitze zu klettern. Das Plastik ist sauber und geruchlos und fühlt sich unter den Füßen schwammig an. Vieles ist geschreddert, aber es gibt noch lesbare Etiketten – gebratene Hähnchenbrust von Trader Joe‘s, gesalzene Erdnüsse mit Essig aus Neuseeland, Kronkorken mit koreanischer Aufschrift, die Verpackung eines italienischen Hörbuchs für Kinder.
Der Müllberg in der Stadt Serang nahe der nordwestlichen Küste von Indonesiens beliebtester Insel Java erhebt sich neben einer Fabrik, die zu einem der größten Papierhersteller des Landes gehört, Indah Kiat Pulp & Paper Products. Papiermühlen importieren in der Regel Altpapier zur Wiederverwertung, und manchmal sind die Lieferungen mit Plastik durchsetzt.
Indah Kiat vergrößert den Haufen täglich. Müllsammler bringen ihre Ausbeute zu einer Abfall-Sortieranlage gegenüber dem Müllberg, darunter Kasih, eine Frau mit großen dunklen Augen und schmutzigen nackten Füßen. Sie steigt jeden Tag nach ihrem Morgenjob, dem Verkauf von Bananen, auf den Berg aus Plastik. Mit dem, was sie und ihr Mann da sammeln – Flaschen und Drahtstücke sind am wertvollsten –, verdienen sie in sieben Stunden umgerechnet zwei bis viereinhalb US-Dollar. „Es ist sehr anstrengend“, sagt Kasih, manchmal müsse sie nach Luft ringen. An der Sortieranlage breiten Arbeiter das Plastik in der Sonne zum Trocknen aus, ehe sie es zum Verkauf an größere Zwischenhändler oder an Hersteller von Produkten minderer Qualität wie Schnur verpacken.
Selbst wenn die Grenze von zwei Prozent Beimengungen eingehalten wird – Umweltschützern zufolge wird sie trotz Besserung oft noch überschritten –, kann sich dieser kleine Prozentsatz an nicht verwertbarem Plastik zu einer ganzen Menge Kunststoffabfall summieren. Die Industrie behauptet, die Grenze werde eingehalten. Exporteure müssten „durch Öffnen jedes einzelnen Ballens Altpapier beweisen“, dass eine Sendung den Vorschriften entspricht, bevor sie sie nach Indonesien verschicken können, sagt Liana Bratasida, Geschäftsführerin der Indonesian Pulp & Paper Association.
Aktivisten sind enttäuscht von der Umsetzung
Doch für eine Nation, die Mühe hat, eine Geschichte der Korruption hinter sich zu lassen, ist die Durchsetzung von Vorschriften nach wie vor ein Problem. In der Hochphase des Plastikschmuggels um 2019 habe Bestechung von Zollbeamten illegale Einfuhren erleichtert, sagt Arisman. Schlecht sortierte Müllimporte seien schon immer verboten gewesen, aber manche Grenzbeamte „haben nur ihren eigenen Geldbeutel im Sinn“, sagt er. Die Zolldirektion sei zwar energisch gegen Korruption vorgegangen, ihre Haltung könne jedoch schnell schwanken, so Arisman. Kritiker behaupten, die Bemühungen der Regierung seien zuweilen mehr Schein als Sein. 2019 schickten Beamte ein paar verunreinigte Sendungen in die Herkunftshäfen zurück. Doch der zurückgewiesene Müll wurde laut Ismawati oft in andere Entwicklungsländer weitergeleitet.
Die Ergänzungen der Basler Konvention zu Plastik sind eine Errungenschaft, aber von der Umsetzung sind Aktivisten enttäuscht. Ihre Wirkung war von Beginn an dadurch eingeschränkt, dass die USA, der weltweit größte Verursacher von Plastikmüll, die Konvention zwar 1990 unterzeichnet, aber nie ratifiziert haben.
Schlupflöcher im Abkommen
Und viele Vertragsstaaten hätten die neuen Bestimmungen nicht adäquat umgesetzt, meint Jim Puckett, der Geschäftsführer des Basel Action Network mit Sitz in Seattle, das grenzüberschreitende Mülltransporte überwacht und sich für strengere Auflagen einsetzt. Viele nutzen Schlupflöcher im Abkommen – etwa durch falsche Anwendung einer Bestimmung, die Handel außerhalb der Konvention dann erlaubt, wenn er von gleich strengen anderen Vorschriften abgedeckt ist. Reiche Länder „finden Wege, sich aus dem Abkommen herauszuwinden“, und die ärmeren „sagen dann nur: ‚Wir werden keine Schwierigkeiten machen‘“, so Puckett. Bei jeder Müllverschiffung geht es darum, die Kosten des Umgangs mit Abfall auf jemand anderen abzuwälzen. Exporteure verdienen daran, dass sie die Kosten für die Abfallbehandlung auf andere verlagern, und Importeure verdienen, indem sie das lukrative Material herauspicken und den Rest deponieren, erklärt Puckett.
Kritiker weisen auf einen anderen Mangel der Basler Konvention hin: Es fehlen Bestimmungen zu Plastik, das zu Brennstoff in Industrieanlagen wie Zementöfen und Kraftwerken verarbeitet ist, etwa Pellets. Indonesien begrüßt diese Verwendungen seiner eigenen Plastikabfälle, sagte Tahar, der Regierungsbeamte; er sieht darin keine Gefahr, solange Giftstoffe aus dem Abgas gefiltert werden. Umweltschützer brandmarken die Verbrennung als Freisetzung von Giftstoffen und Treibhausgasen. Australien hat 2020 unter großem Tamtam versprochen, keinen Plastikmüll mehr zu exportieren, ist aber jetzt darauf erpicht, Plastikabfälle zu Brennstoffpellets zu machen und die in Länder wie Indonesien zu schicken.
Doch weitere neue Regeln sind zu erwarten. Im Januar hat das EU-Parlament vorgeschlagen, dass Länder, die europäische Wertstoffe einführen, nachweisen sollen, dass sie die nachhaltig nutzen können. Zudem solle die Ausfuhr von Kunststoffabfällen schrittweise eingestellt werden. Indonesische Importeure fürchten, dass diese Bestimmungen finanziell belastend sein und etwa die Einfuhr von Altpapier erschweren werden. Eine andere ermutigende Entwicklung sieht Ismawati in neuen Kunststoffrecyclinganlagen in Großbritannien. Wenn wohlhabende Länder wirklich an Recycling glaubten, dann sollten sie es zu Hause machen, sagt sie: „Es ist euer eigener Dreck. Ihr solltet euch selbst helfen können.“
Aus dem Englischen von Juliane Gräbener-Müller.
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