Ein Gesetzentwurf, mit dem ein Nationaler Rat für christliche Bildung geschaffen werden soll, entzweit die Kirchen in Nigeria. Er sei unnötig und „aufgrund unserer unterschiedlichen Lehrmeinungen nicht umsetzbar“, heißt es in einer Stellungnahme der katholischen Bischofskonferenz von Anfang Juli. Die Kirchen müssten damit ihre in der Verfassung garantierte Autonomie im Bildungswesen an die Regierung abtreten.
Der Gesetzentwurf sei zudem unvereinbar mit dem in der Verfassung garantierten säkularen Charakter des nigerianischen Staates. Keine Regierung, weder auf Bundes- noch auf Landesebene, dürfe eine Religion als offizielle anerkennen.
Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, einheitliche Standards für den christlichen Religionsunterricht in allen Schulen des Landes festzulegen. Der nationale Rat soll aus neun Mitgliedern und einem Vorsitzenden bestehen, die vom Präsidenten des Landes ernannt werden. Der Rat soll sowohl für die staatliche Zertifizierung von Religionslehrerinnen und -lehrern zuständig sein als auch für die Genehmigung der Lehrpläne des christlichen Religionsunterrichts an allen Schulen.
Auch auf die Studienprogramme christlicher theologischer Einrichtungen hätte er dann Einfluss. An diesem Punkt ist für die katholischen Bischöfe eine rote Linie überschritten: Damit sei die in der nigerianischen Verfassung garantierte Freiheit der religiösen Lehre in Unterricht und Ausbildung ausgehebelt.
Lieber Angriffe auf Christen stoppen
Die Idee für einen Nationalen Rat für christliche Bildung war 2019 bei einem Bildungsgipfel des Verbands christlicher Schulen in Nigeria entstanden. Der größte kirchliche Dachverband, die Christian Association of Nigeria (CAN), begrüßte diesen Vorschlag kurz darauf und forderte die Gesetzgeber zu einem Entwurf auf.
Die Bischofskonferenz, die selbst Mitglied bei CAN ist, kritisierte nun den Verband: Er solle sich lieber für Gesetze einsetzen, mit der die Angriffe auf Christen insbesondere im Norden des Landes gestoppt werden könnten. Es sei kontraproduktiv, die Regierung aufzufordern, einen Rat für christliche Bildung einzurichten, nur weil die Muslime einen solchen haben. Und wenn die CAN einen solchen Rat für nötig halte, solle der „die dogmatischen Unterschiede der verschiedenen christlichen Konfessionen anerkennen“ und unter der Kontrolle von CAN stehen, nicht der Regierung.
Das muss auf dem Hintergrund des konfessionellen Proporzes in Nigeria gesehen werden. Knapp die Hälfte der 230 Millionen Nigerianerinnen und Nigerianer sind Christen, aber nur etwa ein Fünftel der Christen sind Katholiken. Charismatische und Pfingstkirchen vertreten viel mehr Christinnen und Christen – Schätzungen zufolge insgesamt bereits die Mehrheit. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht, weil diese Kirchen ihre Mitglieder nicht registrieren. Und der Einfluss dieser Kirchen in Gremien und Institutionen wächst.
Vereinheitlichung der religiösen Lehre komm möglich
Gleichzeitig unterscheiden sich die Kirchen in Nigeria theologisch sehr stark. Die Katholiken stehen mit ihrer an Rom orientierten Theologie auf der einen Seite des Spektrums; am anderen Ende stehen Freikirchen, in denen das sogenannte Wohlstandsevangelium oder die geistliche Kriegsführung gepredigt werden.
Unter ersterem versteht man die Vorstellung, dass Wohlstand, Gesundheit und Erfolg sichtbare Beweise für Gottes Gunst sind. Bei der geistlichen Kriegsführung geht es um den spirituellen Kampf gegen Kräfte des Bösen, zum Beispiel in Form von Gebetsmärschen oder Gebetsketten. Es ist daher fraglich, ob eine Vereinheitlichung der religiösen Lehre an den Schulen überhaupt möglich ist.
Rückendeckung bekommen die katholischen Bischöfe von der anglikanischen Kirche in Nigeria, die etwa ein Sechstel der Christen vertritt. Es sei falsch, den Religionsunterricht in Nigeria regulieren zu wollen, sagte der anglikanische Bischof der Diözese Calabar, Nneoyi Egbe, gegenüber lokalen Medien. Er ruft die Regierung auf, das Projekt fallenzulassen und sich auf wichtigere Themen zu konzentrieren.
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