Anfang Mai haben Somalia und die EU einen neuen Fahrplan für ihre Zusammenarbeit beschlossen, eine sogenannte Joint Operational Roadmap. Demnach will Brüssel Somalia beim Aufbau und der Stabilisierung staatlicher Strukturen einschließlich einer schlagkräftigen Armee unterstützen. Zudem sollen über Handel und Investitionen die wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft und Somalias Landwirtschaft, die Fischerei, die Infrastruktur etwa für die Energie- und Wasserversorgung sowie der Bildungssektor gestärkt werden.
Ende Juni hat der Rat der EU diesen Fahrplan bekräftigt und einige Schlussfolgerungen für die Zusammenarbeit mit Somalia daraus gezogen. Die EU-Regierungen appellieren an die somalische Regierung, endlich die seit langem angekündigte Verfassung zu verabschieden. Zudem fordern sie Präsident Hassan Sheikh Mohamud auf, das Gespräch mit den Regierungen der somalischen Bundesstaaten zu suchen und zu vertiefen. In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Konflikte zwischen der Zentralregierung in der Hauptstadt Mogadischu und den Bundesstaaten gegeben, die seit jeher großen Wert auf ihre Autonomie legen.
Auch die Armee soll unterstützt werden
Der EU-Rat erinnert „an das gemeinsam vereinbarte Ziel“, dass Somalia die Verantwortung für die eigene Sicherheit übernimmt. Seit rund 15 Jahren terrorisiert die islamistische Al-Shabaab-Miliz das Land; erst in den vergangenen Monaten hat sie wieder Dutzende Menschen bei Anschlägen getötet, darunter viele Soldaten der Militärmission ATMIS der Afrikanischen Union (AU). Die EU hat ATMIS (früher AMISOM) seit ihrem Beginn im Jahr 2007 mit insgesamt knapp 2,5 Milliarden Euro unterstützt, fährt ihre Zuschüsse aber seit dem vergangenen Jahr deutlich zurück. Ende 2024 sollen die letzten ATMIS-Soldaten nach Hause geschickt und die Mission beendet werden. Der Rat der EU bekräftigt in seinen Schlussfolgerungen die Zusage der EU, stattdessen die Unterstützung für die somalische Armee in diesem und im nächsten Jahr „schrittweise aufzustocken“.
Von 2014 bis 2021 hat die EU Somalia rund 1,6 Milliarden Euro Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe geleistet; hinzu kommen 2,8 Milliarden Euro aus der bilateralen Zusammenarbeit einiger EU-Mitglieder wie Deutschland, Schweden und den Niederlanden. Im Jahr 2017 bekam die Zusammenarbeit nach der Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt Farmajo, zunächst einen Schub, weil die EU in ihm einen vertrauenswürdigen Partner bei der Stabilisierung Somalias sah. Brüssel gewährte der neuen Regierung damals sogar 100 Millionen Euro Budgethilfe – als erster Geber überhaupt. Die Partnerschaft endete, als Farmajo für 2021 angesetzte Wahlen mehrmals verschob und mit Gewalt Proteste der Bevölkerung unterdrückte.
Budgethilfe hat das Bildungswesen gestärkt
Jetzt baut die EU auf Hassan Sheikh Mohamud, der 2022 zum Präsidenten gewählt wurde. Seit dem Regierungswechsel überweist Brüssel auch wieder Budgethilfe nach Mogadischu. Diese Art Hilfe ist nicht projektgebunden; die Partnerregierung kann mehr oder weniger frei darüber verfügen. Volker Hauck von der entwicklungspolitischen Denkfabrik ECDPM in Maastricht hält das für richtig. Zum einen sichere sich die EU damit einen strategischen Platz am Tisch jener wichtigen Kräfte und Geber wie der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der USA, die die wirtschaftliche und politische Lage in Somalia stark beeinflussen. Zum anderen habe die Budgethilfe der EU staatliche Institutionen gestärkt, vor allem im Bildungsbereich, sagt Hauck.
Der ECDPM-Experte hat eine Evaluierung der EU-Zusammenarbeit mit Somalia in den Jahren 2014 bis 2021 geleitet. Demnach hat das Engagement der EU in vielen Bereichen die Lage in Somalia verbessert, doch das Ziel, das Land insgesamt deutlich zu stabilisieren, war zu ambitioniert. „Somalia ist heute noch immer sehr weit davon entfernt, ein aus eigener Kraft funktionierender Staat zu sein“, heißt es in dem im Mai vorgelegten Evaluierungsbericht. Gelobt wird die EU darin unter anderem dafür, die Kooperation mit der somalischen Zivilgesellschaft und mit lokalen Organisationen gesucht zu haben. Das sei der richtige Weg, um gesellschaftliche und politische Strukturen an der Basis zu stärken und von unten aufzubauen.
Präsident Mohamud suche stärker als sein Vorgänger Farmajo den Ausgleich mit den Bundesstaaten, sagt Hauck. Die EU versuche ihn auf diesem Weg zu unterstützen. „Dem sind aber Grenzen gesetzt, weil einige der Bundesstaaten nur sehr schwache staatliche Strukturen haben“, sagt Hauck. Dennoch sei die Strategie richtig. Hauck sieht nicht, dass die ATMIS-Mission Ende 2024 wirklich komplett abgezogen werden kann. Dazu sei Somalia noch nicht stabil genug. „Es ist wichtig, dass die EU sich angesichts der wichtigen geopolitischen Lage und der enormen Nöte des Landes weiter langfristig in Somalia engagiert. Sie sollte dem Land treu bleiben.“ Unter dem Eindruck der Kriege in Äthiopien und im Sudan gelte Somalia bei vielen in der EU als Hoffnungsschimmer am Horn von Afrika.
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