Entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist oft eine trockene Angelegenheit, beschränkt auf kleine, interessierte Kreise und häufig mit erhobenem Zeigefinger. Doch wenn die Themen anschaulich und erlebbar präsentiert werden, kann es gelingen, auch andere Zielgruppen anzusprechen. Mit einem sogenannten Weltacker auf der Bundesgartenschau in Mannheim, die noch bis zum 8. Oktober läuft, zeigen das Eine-Welt-Forum Mannheim und der Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg (DEAB), wie sich Fragen der globalen Ernährungssicherheit, Klimagerechtigkeit, nachhaltigen Entwicklung und Überlegungen zu unserem Konsumverhalten anschaulich vermitteln lassen.
Die Idee des Weltackers stammt von der Berliner Zukunftsstiftung Landwirtschaft, die sich für eine ökologische Landwirtschaft einsetzt. Kern der Idee ist eine Ackerfläche, die in kleinem Maßstab die global für den Anbau von Nahrungs- und Genussmitteln, Textilien und Biopflanzen zur Verfügung stehende Fläche darstellt. Weltweit wird nach Angaben der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO derzeit auf 1,5 Milliarden Hektar Land Ackerbau betrieben. Geteilt durch die Weltbevölkerung ergeben sich für jeden Erdenbewohner durchschnittlich knapp 2000 Quadratmeter Anbaufläche. Darauf muss alles wachsen, was der einzelne Mensch braucht und will: Getreide, Obst, Gemüse, Ölsaaten, Kaffee, Zucker, Nüsse, Tierfutter, Biogas, Baumwolle für Kleidung.
Tatsächlich beansprucht ein Deutscher jedoch eine durchschnittliche Anbaufläche von rund 4300 Quadratmetern, wie die Zukunftsstiftung errechnet hat. Auf dem Weltacker wird sichtbar, dass wir zu viel konsumieren. Lernstationen laden dazu ein, sich zu informieren.
Futter für zwei Schweine belegt die ganze Fläche
Auf dem Weltacker wird ungefähr proportional gepflanzt, was auch weltweit auf den Ackerflächen angebaut wird. Dazu gibt es an den Lernstationen Informationen über den Anbau und seine globalen Dimensionen. So können die Besucher erfahren, dass Reis zu 80 Prozent direkt von Menschen verzehrt wird, während 90 Prozent des weltweit angebauten Soja für Tierfutter verwendet werden. Auf den jedem Menschen zur Verfügung stehenden 2000 Quadratmetern könnte ausreichend gepflanzt werden, um zwei Schweine zu mästen – dann bliebe aber keine Fläche übrig für andere Pflanzen.
Mithilfe des Weltackers können globale Probleme wie der Fleischkonsum und seine ökologischen und sozialen Folgen heruntergebrochen und für den einzelnen begreifbar gemacht werden; sie bleiben nicht weiter abstrakt, sagt Bildungsreferentin Solveig Velten vom DEAB. So kann der Weltacker auch verdeutlichen, dass die Landwirtschaft erheblich zu den weltweiten Treibhausgasemissionen beiträgt. Nach Angaben des Weltagrarberichts verursacht Landwirtschaft zwischen 21 und 37 Prozent aller CO2-Emissionen, je nachdem, was mit eingerechnet wird.
Schulworkshops sind lange ausgebucht
Die Resonanz der Besucherinnen und Besucher sei gut; bis Anfang Juni haben insgesamt tausend Menschen an den täglichen Führungen teilgenommen, „und zwar aus allen Altersgruppen“, sagt Velten. Schulworkshops seien bereits bis September ausgebucht.
Begleitende Bildungsangebote für verschiedene Altersgruppen zielen darauf ab, mehr Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln zu schaffen. Sie thematisieren den Zusammenhang zwischen Konsumentenentscheidungen hier bei uns und strukturellen Problemen der Landwirtschaft weltweit und zeigen mögliche Lösungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auf. Andere Workshops behandeln die Auswirkungen der globalen Textilindustrie auf Klima und Umwelt, den Rohstoffverbrauch von Handys oder Ansätze zur Selbstversorgung in den Industrieländern. Oder es geht gemeinsam mit der Black Academy, einer Initiative von aus Afrika stammenden Männern und Frauen, darum, welche Ideen junge Menschen im globalen Süden zur Klimaanpassung mitbringen.
Die erstmals 2013 in Berlin verwirklichte, noch junge Idee der Weltäcker zieht langsam Kreise. Heute gebe es in Deutschland 16 Weltäcker als Bildungsorte, sagt Gesine Schaumann von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, unter anderem in Landshut (Bayern), Nürnberg und Überlingen am Bodensee. Acht weitere gibt es im europäischen Ausland, darunter in Frankreich, Lichtentenstein und Schottland, zwei weitere in Kenia und in Schanghai. Im August 2022 fand der erste internationale Weltacker-Gipfel in Berlin statt.
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