Klimaverhandlungen, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen, sind meist von Staaten geprägt und von der Annahme, dass territoriale Souveränität über allem steht. Innerhalb dieses Systems steht auch fest, welche Stimmen am Verhandlungstisch am lautesten klingen und gehört werden. Es sind die Vertreter der Nationalstaaten, die vorgeblich die Ansichten ihrer Bürgerinnen und Bürger repräsentieren. Das ist zwar an sich nicht anstößig. Aber es steht oft im Widerspruch zu der Notwendigkeit, globale Lösungen für die Folgen des globalen Klimawandels zu finden.
Selbst aus nationaler Perspektive ist bei weitem nicht klar, dass die Vertreter von Staaten am besten geeignet sind, entsprechende Verhandlungen zu führen. Beispielsweise wissen Minister und andere hochrangige Repräsentanten zwar natürlich, wie sich der Klimawandel auf ihre Länder auswirkt. Aber nicht sie sind es, die im Alltag mit den zunehmenden Katastrophen umgehen müssen. Es sind die politischen Führer und die Entscheidungsträger in Städten und Regionen, die an vorderster Front stehen, wenn es gilt, Infrastruktur und Dienstleistungen für die Bevölkerung zu gewähren und zu erhalten. Und sie sind es meist, die angesichts von Überschwemmungen oder Dürren dafür sorgen müssen, dass die Menschen vor Ort ihre Lebensgrundlage oder gar ihr Leben nicht verlieren.
Zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent: Dort werden im Jahr 2050 laut Schätzungen fast eine Milliarde mehr Menschen als heute in Städten und städtischen Regionen leben. Bis Ende des Jahrhunderts wird Afrika 40 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen. Der westafrikanische Küstenstreifen von Abidjan bis Lagos über Accra, Cotonou und Lomé zählt schon heute zu den sich am schnellsten urbanisierenden Regionen der Welt (siehe den Beitrag von Howard French auf Seite 16). Die Geografie dieser Küstenregion, die einstmals Siedler und Händler anlockte, die das Wachstum der Städte ausgelöst haben, macht die Region heute besonders verwundbar für die Folgen des Klimawandels. Allein im Jahr 2022 erlebte beispielsweise Nigeria Überschwemmungen, die über 600 Menschen das Leben kosteten und 1,3 Millionen obdachlos machten. Wissenschaftler schätzen, dass derart extreme Überschwemmungen in Nigeria heute aufgrund klimatischer Veränderungen 80-mal wahrscheinlicher geworden sind.
In die Städte muss mehr Geld fließen
Die Folgen derartiger Ereignisse zu lindern und sich an neue klimatische Bedingungen anzupassen, ist grundlegend, um Leben und Lebensunterhalt der örtlichen Bewohner zu schützen und es ihnen zu ermöglichen, dass sie ihre Ziele verfolgen. Dabei ist es unerlässlich, dass mehr Geld in die Städte fließt. Städte wie Lagos oder Accra brauchen es, um ihre Infrastruktur nachzurüsten und die Folgen des Klimawandels abzufedern. Die vielen Städte, die bis 2050 überall auf dem Kontinent neu entstehen werden, brauchen umfassende Investitionen in die Infrastruktur, damit trotz Klimaveränderung Menschen dort überhaupt hinziehen, leben und arbeiten können.
Autorin
Astrid R.N. Haas
ist Ökonomin und selbstständige Beraterin mit Schwerpunkt städtische Wirtschaft in Kampala, Uganda. Derzeit ist sie Außerordentliche Lehrbeauftragte für Wirtschaftswissenschaften der Universität von Pretoria und Mitglied des Infrastructure Institute an der School of Cities an der Universität von Toronto.Ein Blick auf die jüngsten Daten aus dem Jahr 2019 der Climate Policy Initiative, die Klimafinanzierung weltweit dokumentiert, zeigt: Nur drei Prozent der geschätzten 622 Milliarden US-Dollar fließen in afrikanische Länder südlich der Sahara. Von diesen drei Prozent wiederum geht nur ein sehr geringer Anteil an Städte, um dort die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren und die Infrastruktur entsprechend nachzurüsten.
Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sich nicht nur die globale Architektur zur Bekämpfung des Klimawandels am Staatensystem orientiert, sondern auch die Verfahren zur Finanzierung dieser Aufgabe. Ein gutes Beispiel dafür ist der vom Pariser Klimaabkommen geschaffene Grüne Klimafonds (GCF), die weltweit größte multilaterale Institution zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen. Wer von ihr gefördert werden möchte, muss sich jedoch als nationale oder regionale Einheit oder als multilaterale Institution akkreditieren. Bis heute bietet der GCF keine Möglichkeit für Städte, sich bei ihm direkt Geld zu leihen.
Ein anderes großes Hindernis für Städte, insbesondere in Afrika, ist, dass die Hälfte der internationalen Klimafinanzierung über Kredite vergeben wird. Afrikanische Städte gelten aber – mit wenigen Ausnahmen – nicht als kreditwürdig und unterliegen zudem gesetzlichen Beschränkungen, die sie daran hindern, sich direkt an die Finanzmärkte zu wenden.
Städte brauchen mehr politische Macht
Gleichzeitig müssen sich Bürgermeister und andere städtische Führungskräfte mehr und mehr um Klima-Notfälle kümmern. Das wirft die Frage auf, welche Richtung die globalen Klimaverhandlungen nehmen würden, wenn die Vertreterinnen und Vertreter dieser Städte am Verhandlungstisch säßen, vor allem wenn sie aus Entwicklungsländern kämen. Wie würde das die Verhandlungsergebnisse beeinflussen?
Höchstwahrscheinlich läge der Fokus weniger auf vagen Versprechungen als vielmehr auf der Umsetzung ganz konkreter Zusagen. Zudem würde es vermutlich vorrangig darum gehen, dass zum einen Entwicklungsländer generell, zum anderen aber eben auch Institutionen unterhalb der nationalen Ebene schneller und einfacher Zugang zu Fördergeldern bekommen. Schließlich würde es darum gehen, wie insbesondere Städten und Lokalregierungen finanziell besser geholfen werden könnte – etwa indem mehr Zuschüsse und Beihilfen statt Kredite vergeben werden.
Derartige Veränderungen auf der globalen Ebene können natürlich nicht isoliert voneinander ablaufen. Städte in Afrika haben viel daran zu arbeiten, ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern, beispielsweise indem sie ihre Einkünfte steigern und ihre Haushalte konsolidieren. Auch müssen die Nationalen Klimaschutzbeiträge (National Determined Contributions, NDC) der afrikanischen Staaten die Bedürfnisse der Städte berücksichtigen. In den NDC schreiben die Staaten ihre verbindlichen CO2-Reduktionsziele fest, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Dass all das notwendig und dringend ist, hat der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, bereits vor mehr als zehn Jahren kurz und bündig zusammengefasst: „Unser Kampf für weltweite Nachhaltigkeit wird in den Städten gewonnen oder verloren.“ Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass die Städte genug Geld und politische Macht erhalten, um die internationale Klimapolitik zu beeinflussen und den Kampf gegen den Klimawandel dort auszutragen, wo er sich besonders stark auswirkt.
Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
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