Frankfurt a.M., Niamey - Hadjara sieht ihr Heimatdorf Inatès seit vielen Monaten nur noch in ihren Alpträumen. Darin erlebt die dreifache Mutter immer wieder, wie radikale Islamisten ihrem Vater und zwei anderen Alten ihres Dorfes in Niger nahe der Grenze zu Mali die Kehle durchschneiden. Das war vor drei Jahren.
In Panik ergriff die Flucht, wer konnte. Seither lebt Hadjara mit ihren Kindern und rund 5.000 weiteren Vertriebenen in einem Lager in Ouallam, etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Niamey entfernt. Hadjara möchte zwar wieder nach Hause, aber darauf kann sie noch immer nicht hoffen. In den Staaten des zentralen Sahel, also vor allem in Burkina Faso, Mali und Niger, hat sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert.
Militante Islamisten, die teils zum Al-Kaida-Netzwerk, teils zum „Islamischen Staat im Sahel“ gehören, kämpfen gegen die Regierungen, verüben Attentate, löschen die Bevölkerung ganzer Dörfer aus. Verschiedene dschihadistische Gruppen im Maghreb und der Sahelzone haben nach Daten der spanischen Internationalen Beobachtungsstelle für Terrorismusstudien (OIET), die der vatikanische Pressedienst Fides verbreitet hat, allein im Januar dieses Jahres 34 Anschläge verübt. Es gab 415 Opfer. Auch die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen in Burkina Faso, Mali und Niger hat laut den Vereinten Nationen im vergangenen Jahr mit mehr 2,9 Millionen einen neuen Höhepunkt erreicht.
Niger ist wichtiger politischer Partner für Europa
Nach jeweils zwei Militärputschen in Mali und Burkina Faso gilt Niger in Deutschland und anderen westlichen Ländern noch als Stabilitätsanker in der Region - obwohl die Gewalt islamistischer Gruppen auch dort eskaliert. Aber im Unterschied zu den Machthabern in Burkina Faso und Mali, die sich Russland angenähert haben und zum Westen auf Distanz gehen, betont der nigrische Präsident Mohamed Bazoum die Partnerschaft mit dem Westen.
Für die europäischen Staaten wird Niger deshalb als politischer und militärischer Partner in der Region immer wichtiger. Weil der Militäreinsatz der Bundeswehr in Mali spätestens im Mai 2024 zu Ende gehen soll, will die Bundesregierung ihre Präsenz in Niger verstärken. Das Ziel: Die Gewalt islamistischer Gruppen, die von Mali aus ins Nachbarland übergreifen, so weit wie möglich einzudämmen.
Neu ist Niger als Einsatzland für die Bundeswehr nicht, deutsche Soldatinnen und Soldaten trainieren am Standort Tillia seit 2018 nigrische Spezialkräfte. Ulf Laessing vom Sahelbüro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung attestiert dem Bundeswehreinsatz und dem militärischen Engagement der Europäischen Union in Niger einen „bescheidenen Erfolg“ - im Unterschied zu der gescheiterten EU-Ausbildungsmission im benachbarten Mali. Die neu ausgebildeten nigrischen Streitkräfte sollen vor allem im Grenzgebiet zu Burkina Faso und Mali eingesetzt werden. Letzteres ist die Gegend, aus der Hadjara floh.
Dort hat die Gewalt in den vergangenen Monaten zugenommen, wohl auch als Folge des französischen Abzugs aus Mali im August letzten Jahres. Bis dahin hatte die französische Armee in ihrer ehemaligen Kolonie mit teilweise bis zu 4.500 Soldaten gegen islamistische Terrorgruppen gekämpft.
Machtvakuum im Norden Malis
Allerdings hat sich wohl die Sicherheitslage in einigen Gebieten im Zentrum Malis verbessert. Das berichteten jedenfalls Bauern, die aus der Gegend stammen, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Norden dagegen, wo Frankreich vor allem militärisch aktiv war, sei nun ein Machtvakuum zu spüren, sagt Laessing. Da sei es nicht überraschend, dass der „Islamische Staat“ dort nun ungestörter operieren könne und von dort aus seine Angriffe nach Niger verstärkt habe.
„Ich fürchte, dass diese Situation noch lange andauern wird“', sagt Mano Aghali, der die nigrische Hilfsorganisation HED Tamat leitet. Unter anderem mit Geld vom Auswärtigen Amt versucht HED Tamat, junge Menschen davon abzuhalten, sich den bewaffneten Islamisten anzuschließen - durch Ausbildungsprogramme und Friedensforen.
Doch Frieden könnte es nur geben, erklärt Aghali, wenn die bewaffneten Islamisten kein Geld mehr hätten. Die radikalen Gruppen finanzieren sich unter anderem durch Entführungen und Lösegelder sowie den Schmuggel von Drogen. Deren Konsumentinnen und Konsumenten sitzen vor allem in Europa. Und so lange der Konsum anhält, werde den Islamisten das Geld nicht ausgehen, befürchtet Aghali.
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