„Südostasien gewinnt geopolitisch an Bedeutung und wird als globaler Partner zunehmend wichtig“, schreibt Bundesrat und Außenminister Ignazio Cassis im Vorwort der Südostasien-Strategie, die im Februar verabschiedet wurde. „Schweizer Wirtschaftsakteure können an diesem Aufstieg teilhaben und zur weiteren Entwicklung der Region beitragen.“ Dabei dürfe man den Blick für die regionalen Herausforderungen nicht verlieren, darunter die bewaffneten Konflikte und den Klimawandel, so Cassis.
Die Südostasien-Strategie übernimmt die vier Schwerpunkte der Außenpolitischen Strategie 2020–2023: Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung. Ein fünfter Schwerpunkt betrifft Dienstleistungen für die in der Region ansässigen Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Mehr als 18.000 Schweizerinnen und Schweizer leben in Südostasien, davon fast 10.000 in Thailand.
Im Bereich Frieden und Sicherheit engagiere sich die Schweiz für die Prävention und die Beilegung von bewaffneten Konflikten in Südostasien, etwa den in Myanmar. Der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement werde in einigen Ländern der Region zunehmend eingeschränkt. So werde in Kambodscha die Arbeit der Medien und von Menschenrechtsaktivisten durch weitreichende Überwachungsgesetze behindert. Auch Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten werden vielerorts diskriminiert und verfolgt.
Die Einhaltung des Völkerrechts bildet einen weiteren Schwerpunkt des Schweizer Engagements. Die Mitgliedschaft der Schweiz im UN-Sicherheitsrat in den Jahren 2023 und 2024 bietet Gelegenheit, die diesbezügliche Zusammenarbeit mit den Regierungen der betreffenden Länder zu verstärken.
Den Marktzugang für Schweizer Firmen verbessern
Viel Platz räumt die Südostasien-Strategie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein. Immerhin bilden die elf Länder der Region (Indonesien, Malaysia, Myanmar, Singapur, Philippinen, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Laos, Brunei Darussalam, Timor-Leste) zusammen den fünfgrößten Wirtschaftsraum der Welt. Im Fokus stehe für die Schweiz, über Freihandelsabkommen den Marktzugang für Schweizer Firmen zu verbessern. Neben bereits bestehenden Abkommen mit Indonesien, den Philippinen und Singapur arbeitet die Schweiz im Verbund mit den EFTA-Partnern Island, Lichtenstein und Norwegen an Freihandelsverträgen mit Malaysia, Thailand und Vietnam.
Der Fokus auf die Handelspolitik stößt bei Hilfswerken auf Kritik. „Für uns kommen Aspekte wie Arbeitsrechte und Unternehmensverantwortung in der Strategie deutlich zu kurz“, sagt Anja Ibkendanz, Programmbeauftragte Asien bei der Organisation Solidar Suisse, die sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit einsetzt. Die Organisation hat in jüngster Zeit wiederholt über katastrophale Bedingungen in den Abschiebezentren der malaysischen Provinz Sabah berichtet. Bei den Inhaftierten handele es sich vorwiegend um Migrantinnen und Migranten aus Indonesien, die ohne Papiere arbeiten, die meisten von ihnen auf Palmölplantagen.
Solidar Suisse hatte das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bereits ersucht, diese Missstände bei den laufenden bilateralen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Malaysia zu thematisieren. Das Abkommen sieht so wie das Indonesien-Abkommen Zollvergünstigungen für als nachhaltig zertifiziertes Palmöl vor. Malaysia ist nach der Côte d’Ivoire und den Salomonen der drittwichtigste Palmöllieferant der Schweiz. „Es darf nicht sein, dass die Schweiz Zollvergünstigungen gewährt für Produkte, die unter Verletzung von Grundrechten produziert werden“, sagt Ibkendanz.
Auch auf zertifizierten Palmölplantagen gibt es Missstände
Zwar hat das Seco vergangenen Herbst gegenüber der Tageszeitung „Tages-Anzeiger“ versichert, die Schweiz und ihre Efta-Partner bestünden darauf, dass Malaysia seine Verpflichtungen im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommens einhalten werde. Ob das verwirklicht wird, ist eine andere Frage. Das Abkommen mit Indonesien zumindest sieht keine Sanktionen bei Verstößen vor.
Solidar Suisse sei nicht per se gegen Freihandelsabkommen, aber es bedürfe verlässlicher Mechanismen zur Kontrolle, ob Nachhaltigkeitsbestimmungen eingehalten werden. Solidar Suisse weist zudem darauf hin, dass es Missstände auch auf zertifizierten Plantagen gebe.
Ein anderer Streitpunkt ist das Übereinkommen des internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen von 1991 (UPOV91). Die Schweiz verlangt im Rahmen ihrer geplanten Freihandelsabkommen mit Malaysia und Thailand, dass beide Länder dem UPOV-Übereinkommen beitreten. Das verletze die Saatgutrechte von Bauern und gefährde die Biodiversität, kritisiert unter anderem Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft sechs großer Hilfswerke.
In Laos und Kambodscha hingegen steht für die Schweiz laut Strategie die Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund, besonders im Bereich nachhaltiger Ressourcennutzung, inklusiver Wirtschaftsentwicklung und der Förderung demokratischer Strukturen. Die Schweiz gehört auch zu den wichtigsten Geldgebern der Mekong-Flusskommission, die eine gerechte Nutzung der Wasserressourcen fördern und grenzüberschreitende Konflikte angehen will. In Myanmar wiederum fokussiert sie sich auf humanitäre Hilfe und eine langfristige politische Lösung des Konflikts zwischen Regierung und ethnischen Gruppen.
Die Südostasien-Strategie 2023–2026 ist die fünfte Regionalstrategie zur Vertiefung der Außenpolitischen Strategie 2020–2023. Bisher gibt es Strategien für die MENA-Region, Subsahara-Afrika, China und dem gesamten amerikanischen Kontinent.
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