Eine durchdachte Strategie mit Erfolg

Wolfgang Ammer
Nachhaltige Baumwolle
In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Baumwollproduktion in Afrika nachhaltiger und die Textilherstellung in Bangladesch sicherer für Mensch und Umwelt geworden. Eine kluge Entwicklungspolitik hat dazu beigetragen.

Roger Peltzer ist Diplomvolkswirt und hat für die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) das Projekt „Cotton made in Africa“ mit aus der Taufe gehoben und über viele Jahre begleitet. Er ist heute Rentner.
Am 8. September 2003 hielt die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wiezcorek-Zeul (SPD) auf der Welthandelskonferenz in Cancún mit Vertretern der vier afrikanischen Baumwollländer Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad eine gemeinsame Pressekonferenz ab. Gemeinsam beklagten sie die Politik der US-Regierung, die Baumwollproduktion US-amerikanischer Großfarmer zu subventionieren. Das vergrößere künstlich das Baumwollangebot auf dem Weltmarkt und schmälere die Einnahmen afrikanischer Kleinbauern.

In der Folge gründeten mehrere europäische Länder auf Initiative des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) den sogenannten Cotton Club, um das Verhandlungsteam der vier afrikanischen Länder bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu unterstützen. Zwar gelang es nicht, die US-amerikanischen Baumwollsubventionen abzuschaffen, aber immerhin musste Washington nach jahrelangen Verhandlungen Kompensationen an die Länder in Afrika sowie an Brasilien zahlen.

Zugleich war das der Startschuss für entwicklungspolitische Initiativen in Deutschland, an denen über zwanzig Jahre mehrere Ministerien beteiligt waren. Sie hatten zum Ziel, zunächst die Baumwollproduktion in Afrika, dann die internationale Textilproduktion und am Ende die globale Arbeitsteilung zumindest ein wenig umwelt- und sozialverträglicher zu machen. Diese Initiativen zeigen, dass eine durchdachte Strategie für einen gesamten Sektor viel mehr erreichen kann als kleinteilige Projektarbeit, die sogenannte Projektitis. Am vorläufigen Ende dieser Strategie steht jetzt das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz, das im Januar in Kraft getreten ist.

Pilotversuche zu zertifizierter Baumwolle funktionierten

Zu den vor zwanzig Jahren auf den Weg gebrachten Initiativen zählt Cotton made in Africa (CmiA).  Auf Einladung des BMZ verabredeten im Frühsommer 2005 Vertreter der Otto-Gruppe, die die Idee einer Marke für nachhaltige Baumwolle aus Afrika hatten, und Vertreter der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)  sowie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (heute GIZ) einen Pilotversuch in Benin, Burkina Faso und Sambia: Baumwolle von dort konnte die Zertifikation „CmiA“ erhalten, wenn bestimmte ökologische und soziale Mindeststandards erfüllt wurden. Auf der anderen Seite zahlten Einzelhändler in Europa eine Lizenzgebühr, wenn sie Textilien mit CmiA-Baumwolle vertreiben wollten. 

Die Pilotversuche zeigten, dass die CmiA Standards im kleinbäuerlichen Anbau gut funktionierten, so dass das Projekt ab 2009 mit Mitteln unter anderem der Gates-Stiftung schrittweise auf eine Million Baumwollbäuerinnen und -bauern in elf Ländern Afrikas ausgeweitet wurde. Heute repräsentiert CmiA 40 Prozent der afrikanischen Baumwollproduktion. Händler und Baumwollproduzenten berichten übereinstimmend, dass es gelungen ist, das Image der afrikanischen Baumwolle auf den Weltmärkten erheblich zu verbessern. Um das zu ermöglichen, haben das BMZ und private Stiftungen von 2005 bis 2016 insgesamt 57 Millionen Euro investiert. Heute finanziert sich die Aid by Trade Stiftung, der die Marke CmiA gehört, weitgehend selbst.

Es ist schwierig, Nachhaltigkeitsstandards zu etablieren

Allerdings hat es 15 Jahre gedauert, bis sich CmiA-Baumwolle am Massenmarkt durchsetzen konnte. Gerade weil es so schwierig ist, Nachhaltigkeitsstandards zu etablieren, hat das BMZ bereits vor mehr als zehn Jahren zusammen mit dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) die Initiative ergriffen, um sie in die öffentliche Beschaffung einzuführen. Meilensteine waren die Einrichtung einer Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beim Bundesinnenministerium (BMI) im Jahr 2013 und der im vergangenen Jahr veröffentlichte Leitfaden von BMZ und Bundesumweltamt für die nachhaltige Textilbeschaffung. Bis 2030 soll der Bund ausschließlich nachhaltige Textilien einkaufen.

Auch das von Umwelt-, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen geforderte und vom Bundesentwicklungs- und Bundesarbeitsministerium voran gebrachte Lieferkettengesetz gehört in diese Reihe von Initiativen. Schon bevor es dieses Jahr in Kraft getreten ist, hat das Gesetz bewirkt, dass die Nachfrage von Händlern nach CmiA-Baumwolle und vergleichbaren Produkte enorm gestiegen ist. Denn mit diesen Siegeln haben die Einzelhandelsunternehmen gegen eine relativ geringe Lizenzgebühr die Gewissheit, dass die gesetzlich geforderten Standards eingehalten werden, ohne dass sie das einen Aufpreis kostet.

Bessere Arbeits- und Umweltschutzstandards sind das Ziel

Als Reaktion auf den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als 1100 Menschen starben, gründete dann Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) 2014 das Textilbündnis, eine Initiative, die Einzelhandelsunternehmen, Entwicklungsorganisationen wie die GIZ und die DEG sowie nichtstaatliche Organisationen umfasst. Ziel ist es, mit diesen Beteiligten bessere Arbeits- und Umweltschutzstandards in der Wertschöpfungskette für Textilien durchzusetzen. Weil das zunächst sehr zäh verlief, schlossen sich auf Initiative des BMZ Pioniere der Initiative, darunter die Unternehmen Tchibo und Aldi, zusammen, um 2019 die Marke „Grüner Knopf“ zu gründen. Sie garantiert die Einhaltung ziemlich ambitionierter Standards. So müssen sich die beteiligten Unternehmen verpflichten, in ihrer Lieferkette existenzsichernde Löhne anzustreben oder ausschließlich nachhaltige Baumwolle einzukaufen. 

Zur Unterstützung dieser Initiativen fördert die GIZ etwa in Bangladesch die Kapazitäten staatlicher Behörden, die für die Überwachung von Arbeitssicherheit sowie Gebäude- und Feuerschutz zuständig sind. Sie wirkt an der Einführung einer Unfallversicherung mit, und sie hat mit Partnern aus Bangladesch 180.000 Arbeitnehmerinnen in Arbeitssicherheit geschult. Die GIZ hat auch daran mitgewirkt, großflächig giftige Klärschlämme der Industrie umweltfreundlich in die Herstellung von Zement zu entsorgen. 

Arbeitssicherheit hat sich in Bangladesch verbessert

Als Ergebnis dieser wie auch privatwirtschaftlicher Anstrengungen haben sich die Arbeitssicherheit und der Feuerschutz in der Textilindustrie in Bangladesch deutlich verbessert – auch wenn das Land weiterhin von der Zahlung existenzsichernder Löhne weit entfernt ist. Immerhin haben sich 15 größere Textilunternehmen dem „Grünen Knopf“ angeschlossen und sich verpflichtet, dessen Standards einzuhalten. 

Die Geschichte, die mit dem Auftritt von Heidemarie Wieczorek-Zeul und Vertretern von vier afrikanischen Baumwollproduzenten vor der Presse in Cancún begonnen hat, ist 20 Jahre später mit dem Lieferkettengesetz sicher noch nicht beendet. Sie zeigt, was machbar ist, wenn Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an verschiedenen Punkten ansetzen, am Ende aber an einem Strang ziehen, um entwicklungs- und umweltpolitische Ziele zu erreichen. Als nächstes Ziel steht an, dass die Produktion nachhaltiger Baumwolle existenzsichernde Löhne bringt und die Verwendung von chemischen Pestiziden im Baumwollanbau gestoppt wird.

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