Ende Oktober hat der weltgrößte Kupferhändler Trafigura einen Auftrag der Bundesregierung gemeldet, die deutsche Industrie mit 500.000 Tonnen Nichteisenmetallen zu beliefern. Die Bank Société Générale und sieben weitere Geldinstitute geben dafür einen Kredit von 800 Millionen US-Dollar, der mit einer – in dieser Höhe seltenen – staatlichen Bürgschaft besichert ist. Berlin setzt laut Trafigura damit seine Rohstoffstrategie um und sichere Mineralien, die für grüne Energie sowie für die Elektronik-, Chemie-, Auto- und die Bauindustrie unverzichtbar seien. Dabei sei auch die Einhaltung sozial-ökologischer Nachhaltigkeitskriterien, sogenannter ESG-Standards, geprüft worden.
Gegen die wird im Rohstoffgeschäft häufig verstoßen. Umweltzerstörung, Ausbeutung von Arbeitern oder Missachtung von Menschenrechten sind weit verbreitet. Der Arbeitskreis Rohstoffe, ein Bündnis von Entwicklungs-, Menschenrechts- und Umweltorganisationen, forderte deshalb beim „alternativen Rohstoffgipfel“ im Oktober in Berlin Politik und Wirtschaft auf, in der Rohstoffstrategie von 2020 eine „Wende“ zu vollziehen: Um den Bergbau nicht stark auszuweiten, müsse der Verbrauch sinken. Damit die Versorgung mit Sekundärrohstoffen aus Recycling steigen könne, müsse die Kreislaufwirtschaft ins Zentrum der Strategie rücken. Und drittens müssten in Lieferketten von Mineralien höchste menschenrechtliche und ökologische Standards eingehalten werden. Über diese Wende will das Bündnis mit Wissenschaft, Industrie und Gewerkschaften diskutieren – in Deutschland und in den Abbaugebieten.
Etwa in Lateinamerika, wo immer mehr Lithium für Elektroautos gewonnen wird. Die Verkehrswende wird den Bedarf in den nächsten Jahrzehnten um bis zu 3500 Prozent steigern, schätzen Wissenschaftler.
Pia Marchegiani von der Umweltstiftung FARN aus Argentinien mahnt, statt Benziner eins zu eins durch E-Autos zu ersetzen, sollten intelligente Mobilitätskonzepte erarbeitet werden, um Ressourcen zu schonen. Allerdings sei die überschuldete Regierung ihres Landes auf Exporteinnahmen und breiten Abbau aus, wobei Gefahren für Mensch und Umwelt in viel zu kurzen Genehmigungsverfahren gar nicht ergründet werden könnten.
Der Bedarf an Lithium könnte um 3500 Prozent steigen
Auch der brasilianische Menschenrechtsanwalt Danilo Chammas zeigt sich alarmiert, wie bereits heute die Wasserhaushalte lateinamerikanischer Länder zunehmend unter Druck geraten. Für Lithium werde mit hohem Wasseraufwand Salzlake verdunstet. In Brasilien zerstöre der Abbau von Eisenerz Wasserläufe, die wichtig seien für die Klimabilanz des Planeten. Nach den desaströsen Dammbrüchen von Mariana (2015) und Brumadinho (2019) drohten im industriellen Bergbau zudem in 40 Risikostaudämmen neue Unglücke, warnte Chammas.
Derweil stagnieren die Recyclingquoten in Deutschland – für die Massenmetalle Aluminium, Stahl und Kupfer bei 35 bis 50 Prozent. Viele Technologiemetalle wie Kobalt sind zudem noch schwerer zu recyceln.
Benedikt Jacobs vom BUND wirbt daher dafür, schon bei der Herstellung von Produkten Materialien so einzusetzen, dass sie wieder zu trennen und zu verwerten seien. Auch eine intensivere Nutzung – wie etwa von Autos über Carsharing – senke den Bedarf. „Wir müssen reduzieren und brauchen ein Ressourcenschutzgesetz“, sagt Jacobs.
Doch das erste Anliegen der Rohstoffstrategie ist bisher die Versorgungssicherheit. Das gilt weiter, wenn es jetzt darum geht, etwa Seltene Erden nicht mehr nur aus China, sondern auch von anderswo zu beziehen. Wirtschaftsminister Robert Habeck strebt indes „eine strategische Neuausrichtung“ der deutschen Rohstoffpolitik an, wie er beim Industriegipfel sagte. Die Regierung wolle die Kreislaufwirtschaft ausweiten und auch Reduktionsziele für Rohstoffe setzen, erläuterte Staatssekretärin Franziska Brantner. Doch brauchten neue E-Autos sowie Solarpaneele und Windräder nun einmal erst Primärrohstoffe, die dann später zu recyceln seien. Eine ganz neue Strategie sei deshalb nicht angezeigt.
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