„Niemand darf gezwungen werden“

Fünf Fragen
Franz Nadler ist Mitbegründer und Vorsitzender des Vereins Connection, der sich für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure einsetzt. Angesichts der Teilmobilmachung Russlands lohnt ein Blick auf seine Arbeit.

Franz Nadler ist Mitbegründer und Vorsitzender des Vereins Connection. Dieser setzt sich für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure ein.
Was beschäftigt Sie gerade am meisten?
Die Teilmobilmachung in Russland. Ich höre in den Nachrichten, dass es jetzt für russische Kriegsdienstverweigerer einfacher werden soll, in Deutschland Aufnahme zu finden. Aufgrund unserer Erfahrungen bin ich da allerdings skeptisch. Kriegsdienstverweigerer müssen nachweisen, dass sie in ihrem Herkunftsland einen Antrag eingereicht haben, der dann abgewiesen wurde. Wer aber in Russland auch nur ein bisschen an sich selber denkt, stellt nicht erst einen Antrag und protestiert auch nicht öffentlich gegen den Krieg, sondern packt seine Sachen und flieht. 

Wie kann diesen Menschen geholfen werden?
Militärdienstflüchtlinge brauchen einen eigenen Status, so wie er auch den Menschen zuerkannt wird, die aus der Ukraine fliehen. Aktuell leben um die 100.000 russische Militärdienstflüchtlinge in Georgien, Armenien, Serbien, Türkei oder Kasachstan, und eben auch in Deutschland. Wir sind – zusammen mit Partnerorganisationen in den jeweiligen Ländern – auf Hochtouren damit beschäftigt, Informationen für sie zu sammeln, sie zu beraten und juristischen Beistand zu suchen. Und selbstverständlich auch für die Kriegsdienstverweigerer aus Belarus, der Ukraine und anderen Ländern.

Spüren Sie Unterschiede in der gesellschaftlichen Akzeptanz von Kriegsdienstverweigerern?
Die Ukraine verteidigt sich gegen einen Angriff, alle westlichen Regierungen stehen zu ihr. Da werden ukrainische Militärflüchtlinge gesellschaftlich schon kritischer betrachtet als russische oder welche aus Belarus. Für Connection spielt es aber keine Rolle, weshalb jemand nicht zum Militär will. Unsere Überzeugung ist, dass niemand gezwungen werden darf, zum Militär zu gehen.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich für Kriegsdienstverweigerer einzusetzen?
Ich bin selbst in den 1970er Jahren als Wehrdienstverweigerer abgelehnt worden und aus meinem bayerischen Dorf nach West-Berlin gezogen, wie rund 50.000 andere auch. Denn es gab dort nach alliiertem Recht keine Wehrpflicht. Damals habe ich gemerkt, wie wichtig Informationen und Beratung sind. 

Wie wichtig ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung bei uns heute nach dem Ende der Wehrpflicht?
Das Bewusstsein für die Schrecken des Krieges ist bei uns verblasst, jüngere Menschen hören allenfalls noch von ihren Großeltern davon. In vielen Ländern ist das anders. Zum Beispiel in der Türkei. Dort gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Dennoch entziehen sich immer wieder junge Männer dem Militär und nehmen dafür harte Sanktionen und hohe Risiken in Kauf. 

Das Gespräch führte Barbara Erbe.
 

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erschienen in Ausgabe 11 / 2022: Leben in Krisenzeiten
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