Nach dem neuen Sicherheitsgesetz, das seit Juni 2020 in Hongkong in Kraft ist, kann Konspiration mit dem Ausland mit lebenslanger Haft geahndet werden. Entsprechend groß war der weltweite Protest, als Kardinal Zen wegen dieses Vorwurfs verhaftet wurde. Er habe „geheime Absprachen mit ausländischen Kräften“ getroffen und zu Sanktionen gegen die Verwaltung Hongkongs aufgefordert. Selbst der Vatikan, der gerade bei Äußerungen gegenüber China sehr vorsichtig ist, hatte seine Sorge öffentlich geäußert.
Zusammen mit drei anderen Aktivisten aus der Protestszene war der 90-jährige, international bekannte und gut vernetzte Kirchenmann Anfang Mai festgenommen, verhört und nach einigen Stunden auf Kaution wieder freigelassen worden. Die vier hatten vor einigen Jahren einen Hilfsfonds gegründet, der Hongkonger Demonstranten bei den Kosten von Rechtsberatung und medizinischer Versorgung unterstützt hat. Der Fonds wurde im vergangenen Jahr aufgelöst, nachdem die Behörden Informationen zu operativen Details, Spendern und Begünstigten verlangt hatten.
Geldstrafe in Aussicht
Ende Mai wurde Anklage gegen Kardinal Zen erhoben, allerdings nur noch auf der Grundlage einer angeblich nicht rechtmäßigen Registrierung des Fonds, was eine Geldstrafe von etwa 1300 US-Dollar nach sich ziehen kann. Katharina Feith vom China-Zentrum in Sankt Augustin, das gute Kontakte zur katholischen Kirche in China und Hongkong hat, glaubt allerdings nicht, dass der internationale Protest dazu geführt haben könnte, dass jetzt nur noch eine Ordnungswidrigkeit im Raum steht. Um den Fall wirklich bewerten zu können, müsse der Prozess abgewartet werden, der erst im September beginne.
„Für die katholische Kirche in Hongkong ist die Verhaftung und die Anklage des Kardinals jedenfalls eine deutliche Warnung, dass sich die Zeiten in Hongkong ändern“, sagt Feith. Zwar sei im Gegensatz zu Festland-China noch ein normales Gemeindeleben möglich, und die Kirche habe nach wie vor ihre Freiräume. Auffällig sei aber, dass sich die katholische Diözese in Hongkong bisher nur sehr zurückhaltend zu dem Fall geäußert habe. „Man wartet vermutlich ab, weil man noch nicht genau weiß, wie man als Kirche im Rahmen des neuen Sicherheitsgesetzes agieren kann.“
Seit längerem im Visier der Regierung
Auch der Kardinal selbst, der bis 2009 Bischof der Diözese Hongkong war, hatte in den sozialen Medien darum gebeten, keine große Sache aus dem Fall zu machen. Der Kirchenmann, der seit zwanzig Jahren offen für Demokratie und Menschenrechte eintritt und das autoritäre Regime in China scharf kritisiert, ist seit längerem im Visier der Regierung. So hat ihm im Januar eine pekingnahe Hongkonger Zeitung vorgeworfen, er habe lange Zeit seinen Status als Geistlicher missbraucht, um sich für Aktivitäten gegen China und Hongkong zu engagieren und „in Hongkong Aufruhr zu stiften“.
Isabel Friemann von der China-Infostelle in Hamburg, die über gesellschaftliche Entwicklungen und insbesondere das Christentum in China informiert, sieht in der Verhaftung und Anklage des Kardinals eine Warnung an die gesamte Kirchenlandschaft in Hongkong, gerade im Vorfeld des Gedenkens an die Massaker auf dem Tian’anmen-Platz am 4. Juni vor 33 Jahren. „Zum ersten Mal sind in diesem Jahr alle Demonstrationen und Kundgebungen verboten. Konten wurden bereits eingefroren, NGOs und Nachrichtenportale geschlossen“, sagt Friemann. Die Opposition sei zum Großteil zum Schweigen gebracht. „In Hongkong ist man sehr überrascht, wie schnell die Verhältnisse an Festland-China angeglichen werden.“
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