Im Zentrum der Strategie des European Green Deal stehen unter anderem der Umbau der Energieversorgung zu erneuerbaren Quellen und die Ausrichtung der Landwirtschaft an Umwelt- und Klimaschutz. Beides – Energieversorgung und langfristige Ernährungssicherheit – ist seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zu einer Frage der Sicherheitspolitik geworden. Die Gefahr besteht, dass die EU als Folge des Krieges die Ambitionen des Green Deal zurückschraubt und vor allem nur noch auf sich selbst bezieht, und die Zusammenarbeit mit anderen Staaten und Regionen, vor allem in Afrika, vernachlässigt. Das wäre ein großer Fehler, argumentieren Autoren des European Center for Development Policy Management (ECDPM) in einem Positionspapier.
Bei der Energieversorgung steht die EU vor einem Dilemma: Sie will unabhängig von russischem Gas werden und zugleich erneuerbare Energien ausbauen. Letztere können aber die Versorgungslücke nicht kurzfristig schließen. Die Folge: EU-Politiker reisen nach Afrika und versuchen dort neue Gaslieferanten zu finden, so wie Bundeskanzler Olaf Scholz vor kurzem im Senegal. Für das ECDPM führt das aber in die Sackgasse, weil solch kurzfristiges Denken neue Investitionen in fossile Energien lenkt, was doch eigentlich vermieden werden soll.
Aufbau krisenfester Ernährungssysteme
Ähnlich in der Landwirtschaft: Hier droht die Gefahr, dass die EU die umwelt- und klimapolitischen Ziele ihrer Farm-to-Fork-Strategie vernachlässigt und auf eine Ausweitung der Agrarproduktion allein in Europa setzt. Für Afrika, das von der Ernährungskrise infolge des Ukraine-Krieges viel stärker betroffen ist als Europa, bliebe in diesem Szenario lediglich humanitäre Hilfe statt Unterstützung beim Aufbau krisenfester Ernährungssysteme.
Das ECDPM rät, als Antwort auf den Krieg den European Green Deal noch stärker als ursprünglich gedacht als internationales Projekt anzupacken, also in Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten der EU und vor allem mit Afrika. Für die Energieversorgung würde das heißen, dass Brüssel dort nicht nur auf schnelle Gaslieferungen schielt, sondern den Aufbau klimafreundlicher Energiesysteme und Industrien sowie den Netzausbau fördert. Investitionen in „die lokale produktive Nutzung erneuerbarer Energien würde stabilere Energiesysteme schaffen, die längerfristig besser mit europäischen Netzen verbunden werden könnten“, heißt es im ECDPM-Papier – und das würde auf lange Sicht die Energiesicherheit für Europa erhöhen.
Für die Landwirtschaft plädiert das ECDPM ähnlich: Die EU sollte von den umwelt- und klimapolitischen Zielen der Farm-to-Fork-Strategie nicht abweichen, ihre Abhängigkeit von Dünger aus Russland und der Ukraine reduzieren und etwa über faire Handelsabkommen mit Produzenten im globalen Süden dort die Landwirtschaft stärken.
Neuen Kommentar hinzufügen