Molotow-Cocktails fliegen. Kurz darauf stehen aus Pappe und Plastikplanen zusammengeflickte Zelte und die wenigen Habseligkeiten venezolanischer Flüchtlinge in Flammen. Demonstranten applaudieren und skandieren „Keine Migranten!“. In der Hafenstadt Iquique im Norden Chiles ist die Lage schon lange angespannt. Ein Marsch von rund 5.000 Bewohnern gegen die Migranten endete jetzt mit Gewalt und offenem Hass.
Vielerorts in Chile, Ecuador, Peru und Kolumbien schlägt den Flüchtlingen aus Venezuela Ablehnung und Rassismus entgegen. So war es nicht immer. Aber mit der Corona-Pandemie, von der Lateinamerika besonders stark getroffen ist, kippte die Stimmung. Millionen Menschen sind in Armut gerutscht und fürchten, dass die Geflüchteten ihnen Arbeit und Sozialleistungen wegnehmen.
Täglich kommen laut den Behörden von Iquique mehrere Hundert Venezolaner illegal in die Stadt. In ihrer Not campieren sie meist am Strand oder in öffentlichen Parks. 2018 hatte sich der chilenische Präsident Sebastían Piñera noch solidarisch gezeigt und sogar exklusive Visa an Venezolaner ausgeben lassen, „damit sie Chancen in Chile haben“. Doch mit Beginn der Pandemie wurden die Grenzen geschlossen und es gab massenhaft sogenannte Rückführungsaktionen.
Peru: Der linke Präsident verspricht hartes Durchgreifen gegen Migranten
Der Flüchtlingsstrom aus Venezuela ist einer der größten weltweit. Laut UNHCR sind inzwischen mehr als 5,4 Millionen Venezolaner wegen der humanitären und wirtschaftlichen Krise aus ihrem Heimatland geflohen. Rund 82 Prozent von ihnen halten sich in Lateinamerika auf, vor allem in Kolumbien. Etwa die Hälfte aller Geflüchteten hat laut dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR keinen legalen Status. Sie sind damit behördlicher Willkür besonders ausgesetzt.
In Chiles Nachbarland Peru versprach der linkspopulistische Präsident Pedro Castillo schon im Wahlkampf ein hartes Durchgreifen gegen Migranten und nutzte damit die aufkeimende ausländerfeindliche Stimmung für seine Kampagne. Als eine seiner ersten Amtshandlungen nach dem Wahlsieg schloss Castillo dann im Sommer mit Venezuelas sozialistischem Staatschef Nicolás Maduro eine Vereinbarung über die Rückführung Zehntausender Migranten.
Linksliberal-grüne Bürgermeisterin von Bogotá schürt Vorurteile
In Kolumbien, dem Land mit den meisten venezolanischen Flüchtlingen, schürt ausgerechnet die sonst linksliberal ausgerichtete Bürgermeisterin von Bogotá, Claudia López, das Feuer. Die Grünen-Politikerin, die sich in ihrem Wahlkampf 2019 explizit gegen Diskriminierung eingesetzt hatte, macht die Neuankömmlinge öffentlich für Diebstähle, Gewaltverbrechen und eine große Unsicherheit in der Bevölkerung verantwortlich. „Die Fakten zeigen, dass eine Minderheit von Venezolanern zutiefst gewalttätig ist, sie töten, um zu stehlen“, erklärte López. Und 20 Prozent aller Diebstähle in Bogotá würden von Venezolanern begangen, fügte sie hinzu.
Die Zahlen der Generalstaatsanwaltschaft widerlegen allerdings ihre Aussagen. 3,6 Prozent der im Jahr 2020 registrierten Straftaten könnten mit einer Person venezolanischer Nationalität in Verbindung gebracht werden können, was ungefähr dem Anteil aller venezolanischen Migranten an der kolumbianischen Gesamtbevölkerung entspricht, heißt es in einem Bericht.
Täglich rund 25.000 illegale Grenzübertritte nach Kolumbien
Bürgermeisterin López schaffe es erfolgreich, den öffentlichen Diskurs in Richtung Fremdenfeindlichkeit zu lenken, beklagt Alejandro Daly von der Nichtregierungsorganisation Barometer der Fremdenfeindlichkeit (Barómetro de Xenofobia). Sie habe nicht nur das zweitwichtigste öffentliche Amt des Landes, sondern sei auch die politische Figur mit dem zweitgrößten Einfluss auf Twitter in Kolumbien, nach Ex-Präsident Álvaro Uribe.
Das kolumbianische Außenministerium geht von rund 25.000 illegalen Grenzübertritten pro Tag aus. Ein Großteil dieser Venezolaner deckt sich nur mit Lebensmitteln oder Medikamenten ein und kehrt dann zurück, andere bleiben oder schlagen sich in Nachbarländer durch. Inzwischen leben 1,8 Millionen Venezolaner in Kolumbien, in Peru sind es rund eine Million sowie in Ecuador und Chile etwa 400.000.
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