Strafrecht gegen Umweltsünden?

Umweltschutz
Gibt es neben Völkermord bald auch den Straftatbestand Ökozid, um Umweltsünder härter zu sanktionieren? So schlägt es eine Gruppe von Juristen vor. Warum das keine gute Idee ist, erklärt Stefanie Bock im Interview.

Stefanie Bock ist Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Rechtsvergleichung an der Philipps-Universität Marburg.
Eine Gruppe internationaler Juristen schlägt vor, „Ökozid“ als Tatbestand in das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag aufzunehmen. Wie definiert die Gruppe Ökozid?
Laut der Expertengruppe handelt es sich dabei um rechtswidrige oder willkürliche Handlungen, die in dem Wissen begangen werden, dass durch sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ernsthafte und weit verbreitete oder langandauernde Umweltschäden verursacht werden.

Könnte die Aufnahme eines solchen Straftatbestands in das ICC-Statut helfen, Umweltsünden zu verhindern?
Die grundsätzliche Frage ist, ob das Strafrecht tatsächlich präventiv abschreckend wirkt. Ich bezweifle das. Hinzu kommt: Wie weise ich nach, dass jemand Kenntnis hatte, dass seine Handlung sehr wahrscheinlich bestimmte schwerwiegende Schäden verursachen würde? Diese Begriffe werfen große Interpretationsspielräume auf. Und je unpräziser ein Gesetz ist, so wie in diesem Fall, desto geringer ist die Chance, dass es regulierend wirkt.

Welche weiteren Gründe sprechen gegen diesen Vorschlag?
Die klassischen internationalen Verbrechen sind Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen des Angriffskrieges – sie alle stellen die systematische Verletzung individueller Menschenrechte unter Strafe. Verbrechen gegen die Umwelt passen dort strukturell nur bedingt rein. Durch die Formulierung „Ökozid“ wird bewusst eine Gleichstellung zum Genozid hergestellt und das scheint mir im schlimmsten Fall sogar gefährlich zu sein. Völkermord zeichnet sich dadurch aus, dass der Täter eine bestimmte geschützte Gruppe zielgerichtet zerstören will. Bei Umweltverbrechen geht es dagegen in der Regel darum, dass eine bestimmte Handlung vorgenommen wird, um möglichst viel Geld zu erzielen – auch wenn sie der Umwelt schadet. Es wird aber nicht gezielt die Umwelt angegriffen.

Wie könnte gravierende Umweltverschmutzung besser auf internationaler Ebene strafrechtlich verfolgt werden?
Dafür eignen sich völkerrechtliche Verträge, beispielsweise im Rahmen der UN oder der EU. Darin könnte vereinbart werden, bestimmte Handlungen unter Strafe zu stellen, und geklärt werden, wie die internationale Zusammenarbeit zur Verfolgung dieser Taten aussehen soll. Wobei ich glaube, dass effektiver Umweltschutz primär an anderen Schaltstellen erfolgen muss – beispielsweise in der Politik und nicht ausgerechnet im Strafrecht.

Ist der Vorschlag des Gremiums also eher symbolischer Natur?
Die Expertengruppe sagt selbst, dass Strafverfahren wegen Ökozids zu einer Bewusstseinsänderung führen könnten. Ich schätze es zugegeben nicht, wenn das Strafrecht Symbolpolitik wird. Die Förderung von Unrechtsbewusstsein sollte immer nur die Folge einer Strafnorm sein, aber nicht deren primärer Zweck.

Das Gespräch führte Lisa Katharina Schneider.

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