Eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie warnt nun das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen vor einer weiteren Verschlechterung der Ernährungslage. Standen im Frühjahr 2020 noch die Ernteerträge des Vorjahres zumindest für die Selbstversorgung zur Verfügung, wird es für Bäuerinnen und Bauern nun schwieriger, sich selbst und die örtlichen Nahrungsmärkte zu versorgen. Denn weil Transportwege und städtische Märkte geschlossen waren, konnten sie ihre Erzeugnisse nicht verkaufen. So fehlte ihnen das Geld, um Lebensmittel zu kaufen, die sie nicht selbst produzieren können. Ganz bitter ist die Situation für jene Bäuerinnen und Bauern, die nicht agrarökologisch wirtschaften und für die nächste Anbauperiode Düngemittel und Saatgut zukaufen müssen. Das Welternährungsprogramm befürchtet für das kommende Jahr schwere Ernährungsunsicherheit und Hunger.
Ernährungskrise in den großen Städten
Auf den städtischen Märkten des globalen Südens steigen die Preise für Nahrungsmittel für immer mehr Menschen ins Unbezahlbare. Die Lieferketten sind zusammengebrochen infolge von Lieferbeschränkungen und Währungsabwertungen, die importierte Nahrungsmittel verteuern. Der Preisanstieg importierter Waren wie Reis und Nudeln in Westafrika hat in städtischen Vierteln der Armen, etwa in Abidjan, zu großem Hunger und zu Fehlernährung geführt. Gleichzeitig sind vor allem für Straßenhändlerinnen, Tagelöhner oder Hausangestellte Einkommensquellen entfallen. Da an Miete oder Medikamenten kaum gespart werden kann, kürzen die Menschen bei den Mahlzeiten. Sie ersetzen frische Lebensmittel, die kaum verfügbar und deshalb teuer sind, durch verarbeitete Nahrung aus der Dose. Millionen Kindern fehlt mindestens eine Schulmahlzeit am Tag. Im zurückliegenden Jahr haben sich alle auch von Brot für die Welt immer wieder beschriebenen Schwächen der städtischen Nahrungsmittelversorgung zu einer großen Ernährungskrise zusammengebraut. Da die Pandemie bisher im globalen Süden vor allem in Städten wütet, trifft das Virus dort auf geschwächte Menschen, die zudem kein Land haben, um etwas für die eigene Versorgung anzubauen.
Um dem entgegenzuwirken, müssen Regierungen und Kommunen alles dafür tun, dass die informellen Märkte auch bei Lockdowns beliefert werden und geöffnet bleiben können. Gerade hier können sich arme Menschen für wenig Geld aus einem vielfältigen regional erzeugten Angebot mit Lebensmitteln versorgen. Neue Flächen für Supermärkte, die von Importen und schwankenden Weltmarktpreisen abhängen, sind die falsche Antwort. Eine weitere Abhängigkeit vom globalen „freien Markt“ wird zu weiteren Hungerkrisen auch in den Städten führen. Dagegen würde es der armen städtischen Bevölkerung enorm helfen, die informellen Märkte mit Wasseranschlüssen, Überdachung, Kühl- und Lagermöglichkeiten auszustatten. Das käme auch kleinbäuerlichen Produzenten der Region zugute: Sie könnten bessere Preise erzielen.
Corona hat gezeigt, wie schnell eine Krise große Teile der armen Bevölkerung in existenzielle Not bringt. Es bedarf einer Ernährungspolitik für die Städte, die zugleich der einheimischen Landwirtschaft hilft. Brot für die Welt unterstützt seine Partnerorganisationen, damit die arme Bevölkerung diesem Ziel näherkommt: einer neuen Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik, die bäuerliches Einkommen sichert und das Menschenrecht auf eine gesunde und vielfältige Ernährung in Stadt und Land garantiert.
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