Palmöl für Koreas Laster

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China Dialogue/Mighty Earth
In Westpapua hat das südkoreanische Unternehmen Korindo seit 1998 Ölpalmplantagen angelegt. Riesige Waldgebiete sind dafür beseitigt worden. 
Südkoreanische Palmölindustrie
Südkorea subventioniert Unternehmen, die in Indonesien Palmöl erzeugen und es importieren. Das geht auf Kosten des Waldes und indigener Völker, sagen koreanische Gruppen.

Südkoreas Palmölmarkt ist einer der am schnellsten wachsenden der Welt. 2005 importierte das Land noch 194.000 Tonnen des Rohstoffs, 2019 waren es bereits 745.000 Tonnen. Angetrieben wird dieser Boom vom Staat, der Palmöl als lukrative grüne Industrie politisch fördert – auch um Südkorea Lebensmittel- und Energieimporte zu sichern.  

Der größte Teil dieses Palmöls kommt aus Indonesien und Malaysia und wurde bis vor kurzem in verarbeiteten Lebensmitteln genutzt wie Instant-Nudeln. Doch im Zuge des im vergangenen Jahr begonnenen „Green New Deal“ in Südkorea wird Palmöl auch als erneuerbarer Rohstoff für Biodiesel und die Stromerzeugung angepriesen. Dabei ist dessen Ökobilanz heiß umstritten. Sowohl die USA als auch Europa haben die Verwendung als Brennstoff eingeschränkt, weil der Palmölanbau mit großflächiger Abholzung von Wäldern und hohen CO2-Emissionen in Verbindung gebracht wird. 

Im Gegensatz dazu haben staatliche Stellen in Südkorea im Namen einer „nachhaltigen“ Entwicklung Unternehmen, die Plantagen in Indonesien anlegen, mit Millionen von US-Dollar subventioniert. Umweltaktivisten und Anwälte in Südkorea protestieren immer lauter wegen der mit dem Geschäftszweig verbundenen Menschenrechtsverletzungen und Abholzungen in Indonesien und fordern von der Regierung, die Finanzierung zerstörerischer Praktiken zu stoppen.

Südkorea ist für 97 Prozent seiner Energieversorgung und 75 Prozent seiner Lebensmittel auf Importe angewiesen. Nach der globalen Nahrungsmittelkrise 2008 hat die Regierung 2009 die „Entwicklung ausländischer Agrarressourcen” auf den Weg gebracht. Dieses Programm für öffentliche Kredite finanzierte 70 Prozent der Geschäftskosten privater südkoreanischer Unternehmen, damit sie Weizen, Sojabohnen, Mais und Palmöl anbauen und vertreiben.

Palmöl als strategisches Gut

Nach südkoreanischem Recht gilt Palmöl als strategisches Gut, und die koreanische Forstbehörde (Korea Forest Service) sowie verschiedene Finanzinstitute klassifizieren neue Ölpalm-Anbauflächen als „Bioenergie-Aufforstungsprojekte“. Das ist eine verdrehte Verwendung des Wortes „Aufforstung“, welches im Allgemeinen das Pflanzen von Bäumen zum Nutzen der Umwelt und des Klimas bezeichnet – nicht die Abholzung von Tropenwald für den Anbau von Monokulturen. 

„Ich finde dieses Vorgehen sehr imperialistisch. Weil wir wenig Rohstoffe haben, hilft die südkoreanische Regierung Unternehmen, die Ressourcen anderer Länder auszubeuten“, sagt Chung Shin-young Chung. Sie ist Anwältin bei Advocates for Public Interest Law (APIL), die Südkoreas Palmölindustrie untersucht hat und die Kampagne gegen die öffentliche Finanzierung der Industrie anführt.

Investitionen in die Palmölindustrie wurden seit Mitte der 2000er auch von der Verwendung von Palmöl als Treibstoff vorangetrieben: Seit 2015 mussten südkoreanische Unternehmen, die Kraftstoffe aus Erdöl importieren oder exportieren, dabei sicherstellen, dass diese mindestens 2,5 Prozent Biodiesel enthalten; später wurde der Anteil auf 3 Prozent erhöht. Und von Südkoreas Biodiesel-Importen machten 2017 Palmöl und seine Nebenprodukte 88 Prozent aus.

Klimafreundlicher Diesel aus Palmöl? Südkorea will damit die Wirtschaft grüner machen. China hat 2013 schon Testflüge damit ­unternommen – hier zeigt ein ­Mitglied der Crew den dabei eingesetzten Palmöltreibstoff.

Ins internationale Rampenlicht gerieten südkoreanische Palmölproduzenten 2016, als die Umweltschutzorganisation Mighty Earth in Zusammenarbeit mit dem Verband koreanischer Umweltorganisationen (KFEM) große Waldrodungen in den Palmölkonzessionen der Firmen Korindo und Posco International im indonesisch verwalteten Papua aufdeckte. Satellitendaten und Drohnenbilder zeigten, dass Korindo in den zwei Jahren zuvor 30.000 Hektar Regenwald und Posco International in den vier Jahren zuvor 19.000 Hektar gerodet hatten. „Das koreanische Modell der Abholzung für Palmölplantagen erinnert an die alten, dunklen Tage der Palmölindustrie, als Wälder, Pflanzen und Tiere sowie indigenes Land zerstört wurden, um riesigen Monokulturen Platz zu machen, während die Gewinne hauptsächlich an ausländische Eigentümer gingen“, sagt Mighty-Earth-Kampagnenleiterin Deborah Lapidus.

Autorin

Seulki Lee

ist freie Journalistin in Südkorea. Ihr Text ist zuerst englisch auf chinadialogue.net erschienen.
Laut Chung betreiben beide Unternehmen ihr Palmölgeschäft mit öffentlichen Geldern des Korea Forest Service und der Koreanischen Export-Import-Bank. „Schaut man sich den Regierungskredit für Posco International genau an, dann sieht man, dass sie kaum ein Geschäft mit ihrem eigenen Geld aufbauen. Aber Posco International ist damit nicht allein. Auch LG International, Daesang und davor JC Chemical bekamen Kredite über den Korea Forestry Service“, berichtet Chung. Gemeinsam mit dem Verband der Umweltbewegungen KFEM hat ihr Team die Verbindungen der südkoreanischen Palmölunternehmen mit Rechtsverletzungen und Abholzung in Indonesien seit 2016 untersucht. 

Zwischen 2010 und 2019 stellte der Korea Forest Service laut Chung Shin-young von APIL umgerechnet rund 27,3 Millionen Euro für 24.000 Hektar Palmpflanzungen zur Verfügung, hauptsächlich in Indonesien. Öffentliche Kredite gingen unter anderem an Daesang Holdings, LG International Corp., Kodeco und JC Chemical.

Die lokale Community bleibt mit leeren Händen zurück

Die Expansion südkoreanischer Palmölunternehmen gefährdet auch die Lebensgrundlagen indigener Gemeinschaften, von denen viele in der Vergangenheit von ihrem Waldland vertrieben wurden. „Ich befürchte, dass Korindo und Posco International in Papua die sozialen Gräben und das Unrecht dort weiter verschärfen“, sagt Angky Samperante von der Organisation zum Schutz papuanischer Rechte Yayasan Pusaka. Sein Team kämpft seit 2010 darum, die Rechte der indigenen Völker und Papuas Umwelt vor koreanischen Palmölunternehmen zu schützen. „Die großen Unternehmen kriegen alles, während die lokale Community mit leeren Händen zurückbleibt“, fährt er fort. „Für die meisten indigenen Papuaner sind die Wälder Supermarkt, Bank, Krankenhaus und heiliger Ort. Großflächige Waldumwandlung bedeutet, dass sie ihre Lebensgrundlage verlieren.“ 

Korindo führt für sein Geschäft mit Holz das Zertifikat des Forest Stewardship Council (FSC) für Holz aus nachhaltiger Erzeugung. Der FSC beobachtet die Geschäfte der Firma genau, seit Mighty Earth 2017 die Vorwürfe wegen zerstörerischer Praktiken und Menschenrechtsverletzungen erhoben hat. Das Nachhaltigkeitszertifikat wurde dem Unternehmen aber nicht entzogen. Den Vorwurf, das Unternehmen sei an illegalen Brandrodungen beteiligt, wies die Korindo Group im Juli 2019 zurück (diesen Vorwurf fand der FSC nicht bewiesen). Es erklärte sich aber bereit, mit dem FSC zusammenzuarbeiten, um seine Standards zu verbessern. 

In Indonesien werden die ­Ölpalmfrüchte auch weiterverarbeitet; hier wird Speiseöl abgepackt.

Von Beginn an wurde die koreanische Palmölindustrie mit dem Leid indigener Gruppen in Indonesien in Verbindung gebracht. Das erste „koreanische“ Palmölunternehmen in der indonesischen Papua-Provinz gründete der Korindo-Konzern 1995 in Merauke. Dort waren die Völker der Marind und Mandobo bereits Anfang der 1970er Jahre unter dem Entwicklungsplan der indonesischen Zentralregierung aus ihrem angestammten Wald vertrieben worden. 1997 erwarb Korindos Palmölunternehmen PT. Tunas Sawa Erma die Genehmigung zum Anbau von Ölpalmen und pflanzte sie bis Ende 2001 auf 7800 Hektar Land. Das war der Grundstein für die groß angelegten koreanischen Palmölunternehmungen in Indonesien ab 2007.

Neben Korindo sind sechs weitere große südkoreanische Unternehmen zu wichtigen Beteiligten an der Palmölindustrie geworden. Sie haben umgerechnet fast 165 Millionen Euro öffentliches Geld erhalten, um in Indonesien mehr als 65.000 Hektar Palmölplantagen zu schaffen. Diese Schätzungen beruhen auf öffentlich zugänglichen Daten des Korea Forest Service, der Export-Import-Bank und des südkoreanischen Parlaments. 

Menschenrechtsverletzungen vermeiden

Seit 2019 Berichte erschienen sind, die auf den Untersuchungen der Anwälte von APIL und des Verbands KFEM beruhen, haben koreanische Gruppen eine Kampagne gestartet, um die Regierungskredite an Palmölunternehmen in Indonesien zu stoppen. „Wir drängen koreanische Exportkreditagenturen, eigene Menschenrechtsstandards zur Bedingung zu machen, wenn sie öffentliche Kredite für Auslandsprojekte wie die Palmölindustrie vergeben. Es ist die verfassungsmäßige Verantwortung der Behörden, alle Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden“, sagt Chung.

Koreanische Wissenschaftler sorgen sich zudem um die steigenden „CO2-Schulden“ der Regierung angesichts ihrer Unterstützung für die Palmölindustrie. „Südkorea verwendet als einen Hauptbestandteil für Bioenergie ein Nebenprodukt von rohem Palmöl: Palmfettsäure-Destillat. Wegen seiner hohen Kohlenstoffintensität und der ökologischen Kosten würde das in Ländern wie den USA und Großbritannien nicht als Hauptbestandteil von Biodiesel zugelassen“, erklärt Shin Jung-Yull von der Prüfungsabteilung der Korea Energy Agency. Laut Shins Dissertation aus dem Jahr 2018 machte das Palmfettsäure-Destillat 2015 fast die Hälfte des koreanischen Biodiesels aus und führt zu 5,7 Mal mehr Treibhausgasemissionen als alternative Öle. Die EU plant, wegen der Abholzung und der hohen Emissionen palmölbasierte Kraftstoffe bis 2030 auslaufen zu lassen.

Seit 2015 stellt auch das südkoreanische Parlament Fragen nach der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von öffentlichen Krediten an die Palmölindustrie im Ausland. Unter dem öffentlichen Druck hat der Korea Forest Service bereits Korindo von öffentlichen Krediten für Auslandsgeschäfte ausgeschlossen und zusätzliche Kredite für Aufforstungsprojekte mit Ölpalmen 2019 zurückgezogen. Zuvor hatte die Behörde neue Bewertungskriterien eingeführt, wonach Unternehmen Belege wie etwa Satellitenbilder vorlegen müssen, die beweisen, dass sie nicht für die „Umwandlung von Wald“ verantwortlich sind. Allerdings sind Unternehmen, die ihren Kredit vor 2019 erhalten haben, nicht an die strengeren Kriterien gebunden. Die Kriterien für öffentliche Finanzierung verlangen auch weder die Mitgliedschaft im Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO) – der globalen Zertifizierungsorganisation für ethisch vertretbares Palmöl – noch die Festlegung auf die Politik „keine Abholzung, keine Nutzung von Moorflächen, keine Ausbeutung“.  

Doch der Druck der Öffentlichkeit auf die Unternehmen war und ist groß. Posco International ist im März 2020 dem RSPO freiwillig beigetreten und hat eine Null-Abholzungs-Politik für seine Palmölplantage in der indonesischen Provinz Papua eingeführt. Auf Anfrage von China Dialogue bezüglich der Empörung über das Geschäft in Indonesien sagt Joyce Eun Jeong Seo von der Abteilung für nachhaltiges Management bei Posco International: „Bei ihrem Palmölgeschäft in Indonesien haben Posco International und seine Tochtergesellschaft PT. Bio Inti Agrindo das indigene traditionelle Recht als oberste Priorität berücksichtigt und eingehalten. Sie sind bestrebt, das von internationalen Normen geforderte Maß an sozialer Verantwortung für ein globales Unternehmen zu erfüllen.“

Doch der Druck aus der koreanischen Öffentlichkeit wächst. Sie hat gerade erst begonnen, eine stärkere Offenlegung der Palmöllieferkette und der Probleme zu fordern, die mit dem Anbau des allgegenwärtigen Rohstoffs verbunden sind.

Aus dem Englischen von Carola Torti.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2021: Abholzen, abbrennen, absperren
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