Wofür setzen Sie sich ein?
Das Denknetz ist eine Plattform für Austausch und Vernetzung zwischen engagierten Menschen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Dabei geht es uns um Grundlagendiskussionen, ohne dass wir uns direkt in die Tagespolitik einmischen. Wir wollen keinen Umsetzungs- oder Erfolgsdruck, sondern Inspiration und neue Perspektiven dadurch, dass Engagierte aus unterschiedlichen Wirkungsbereichen gemeinsam nachdenken und diskutieren. Manchmal erwachsen daraus aber doch auch praktische Erfolge.
Haben Sie ein Beispiel für so einen Erfolg?
Höhepunkt der Denknetz-Geschichte war der Reclaim-Democracy-Kongress von 2017 in Basel mit rund 1800 Teilnehmenden. Kürzlich hat unsere Fachgruppe Wirtschaftsdemokratie einige Thesen entwickelt, in denen sie unter anderem mehr Mitwirkungsrechte von Angestellten in Schweizer Unternehmen fordert. Danach brachte ein Abgeordneter im Nationalrat dazu eine Petition ein, die demnächst beraten wird. Dass unsere Vorschläge Eingang in die parlamentarische und öffentliche Debatte finden, ist für uns ein Erfolg.
Sie setzen auf Inspiration durch Begegnung. Wie geht das zu Zeiten von Corona?
Wir mussten in diesem Jahr fast alle Veranstaltungen absagen, das war bitter. Aber wir haben unsere Onlineauftritte weiterentwickelt. Mit Videos und Interviews im Netz erreichen wir heute mehr Leute als zuvor. Einen Onlinebeitrag anzuklicken ist einfacher, als einen Vortrag zu besuchen. Aber es ist oft auch weniger nachhaltig: Persönliche Gespräche fallen ebenso weg wie neue Kontakte, und die Konzentration ist im direkten Kontakt meist auch höher.
Wem würden Sie den Friedensnobelpreis verleihen?
Ich gönne dem World Food Programme den Preis, das ist ein gutes Signal in Zeiten, in denen internationale Organisationen politisch geschwächt werden. Aber an sich sehe ich es am liebsten, wenn gesellschaftspolitisches Engagement „von unten“ ausgezeichnet wird. Die Frauen, die sich in Belarus für Demokratie einsetzen, oder auch die Bürgerbewegung in Hongkong hätten den Preis genauso verdient.
Wie sind Sie persönlich zum Denknetz gekommen?
Ich habe mein Berufsleben als Lehrerin begonnen und mich später in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Mir war früh klar, dass es dabei nicht nur darum geht zu „helfen“, sondern auch partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und die Ursachen von Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die z.B. in der Steuer- und Wirtschaftspolitik liegen. Das Denknetz war und ist für mich ein guter Ort für diese Debatten.
Das Gespräch führte Barbara Erbe.
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