Freiburg (epd). Das katholische Hilfswerk Caritas International hat die Weltgemeinschaft zu stärkerer Unterstützung für notleidende Menschen aufgerufen. Dabei fehle es nicht an finanziellen Mitteln, sondern am politischen Willen, kritisierte Caritas-Präsident Peter Neher am Mittwoch in Freiburg. Während die EU-Geberkonferenz jüngst 7,4 Milliarden Euro für einen Impfstoff gesammelt habe, sei der Corona-Hilfsfonds der Vereinten Nationen erst zu einem Fünftel gefüllt. Weil die Zahl der Corona-Infizierten weltweit weiter ansteigt, würden dafür weitere sieben Milliarden Dollar benötigt.
Der Leiter von Caritas International, Oliver Müller, sagte, auch der Hilfsbedarf sei durch Corona weltweit stark gestiegen. Die Hilfsorganisation habe seit März 600.000 Menschen unterstützt, etwa mit medizinischer Grundausstattung oder Lebensmittelverteilungen. Eine solche weltweite, zeitgleich ablaufende Krisen-Reaktion habe es seit Bestehen des Caritas-Netzwerks noch nie gegeben.
"Alte" Krisen dürfen nicht vergessen werden
Große Sorge bereite auch eine starke Politisierung und Instrumentalisierung der humanitären Hilfe, hieß es weiter. Ein Beispiel dafür seien die Debatten im UN-Sicherheitsrat über die Offenhaltung von türkisch-syrischen Grenzübergängen. Müller bezeichnete es als "beschämend", dass jetzt nur noch an einem Übergang lebensrettende Hilfe ins Land gebracht werden könne. Das sei viel zu wenig, um alle Hilfesuchenden angemessen zu versorgen. Den Entscheidern gehe es nicht um das Leben der Zivilbevölkerung. Dieses werde lediglich als Druckmittel verwendet, um eigene politische Positionen durchzusetzen.
Neben der weltweiten Pandemie dürften "alte" Krisen und Katastrophen nicht vergessen werden, sagte Müller. Anders als in Europa sei Corona in zahlreichen Teilen der Erde nur ein weiteres Lebensrisiko unter vielen weiteren. Besorgniserregend sei zudem die zunehmende Gefährdung humanitärer Helfer.
"Geflüchtete leben unter katastrophalen Umständen"
Caritas-Präsident Neher kritisierte auch die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dass auf griechischen Inseln Geflüchtete unter katastrophalen, menschenunwürdigen Umständen lebten, sei ein beschämendes Ergebnis einer "zu Kompromissen unfähigen Asylpolitik". Europa müsse endlich Lösungen für die geflüchteten Menschen und die Einheimischen auf den Inseln finden.
Ein gemeinsames europäisches Handeln sei zudem auch erforderlich, um die Friedensbemühungen in Syrien, Afghanistan und dem Südsudan zu unterstützen. "Die Kriege müssen enden, damit die Menschen ihre Länder nicht mehr verlassen müssen", sagte Neher.
In humanitäre Hilfen hat das Hilfswerk im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben mehr als 82 Millionen Euro investiert. Dies sei ein neuer Höchststand. Trotz der Corona-Krise habe es in der ersten Jahreshälfte 2020 eine hohe Spendenfreudigkeit gegeben, die ein Drittel über der Planung liege, hieß es.
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