Hilfe gegen Corona: Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) präsentiert Schutzmasken, die von der Partnerstadt Hangzhou, China, gespendet wurden.
Die Stadt München hat Ende Mai eine Soforthilfe in Höhe von 15.000 Euro für Indigene im peruanischen Amazonasgebiet freigegeben. Weitere 5000 Euro kamen über private Spenden zusammen. Mit dem Geld können in Peru Lebensmittel, Medikamente und medizinisches Material wie beispielsweise Atemschutzmasken gekauft werden. Die indigenen Gemeinschaften im Regenwald Perus sind in besonderer Weise vom Coronavirus gefährdet, weil es in den abgelegenen Gebieten kaum eine Gesundheitsversorgung gibt. Menschen mit schwerem Krankheitsverlauf können nicht behandelt werden. Peru ist (Stand Anfang Juni) mit etwa 180.000 Infizierten und rund 5000 Toten neben Brasilien das am meisten von der Corona-Pandemie betroffene Land Lateinamerikas. München ist schon seit 1997 mit dem indigenen Volk der Asháninka in Peru, rund 80.000 Menschen, verbunden. In der Notsituation nutzt die bayerische Landeshauptstadt die über lange Jahre gewachsenen Beziehungen zur Zivilgesellschaft in Peru, um gezielt zu helfen.
In der Corona-Pandemie haben viele Bürgermeister oder Partnerschaftsvereine ihre Solidarität mit den Partnerstädten etwa in Videobotschaften oder offenen Briefen ausgedrückt. Für besonders Bedürftige wurden Spendenaufrufe gestartet. Andererseits können gemeinsame Vorhaben nicht wie geplant stattfinden. Gegenseitige Besuche sind auf absehbare Zeit unmöglich, andere Formen des Kontakts müssen gefunden werden.
Die kommunale Nord-Süd-Zusammenarbeit wird sich in der Krise verändern. Humanitäre Notsituationen könnten im globalen Süden wieder zunehmen, meint Oliver Müller von Caritas International und „Entwicklungsfortschritte der letzten Jahre durch die Pandemie und ihre Folgen infrage gestellt werden“. Grund dafür ist weniger die Pandemie als solche, sondern die Sekundärfolgen wie das Herunterfahren des öffentlichen Lebens. Der Aspekt von Hilfe steht daher momentan in vielen Partnerschaften wieder an erster Stelle. In Notsituationen dürfen deutsche Kommunen im Ausland auch mit Geldspenden helfen, ansonsten sind solche direkten Transferleistungen rechtlich untersagt.
Das Risiko besteht, ins alte Nord-Süd-Schema zu fallen
Für Heinz Schulze vom Arbeitskreis Asháninka in München ist klar, „dass man Freunden in der Not helfen müsse“. Doch es sei wichtig, diese Hilfe richtig zu gestalten. Daher habe man die Spende aus München in Peru nicht an die Bürgermeister, sondern direkt an ein Bündnis von indigenen Gruppen ausgeteilt und verlange von ihnen Nachweise, wie sie das Geld ausgeben. Denn es habe in der Corona-Krise bereits Fälle gegeben, in denen Hilfsgelder internationaler Organisationen veruntreut worden seien. Ohne solche Nachweise bestehe das Risiko, wieder in das alte Schema von „der Norden gibt, der Süden nimmt“ zurückzufallen. Dann könnte sich eine Empfängermentalität verstärken nach dem Motto: Nächstes Mal fragen wir wieder unsere Partner im reichen Norden.
Für Oliver Müller von Caritas International ist neben direkter Unterstützung für Notleidende außerdem wichtig, die Perspektiven des globalen Südens in die Diskussion bei uns einzubringen und so einer deutschen oder europäischen Nabelschau vorzubeugen. Dazu können Städtepartnerschaften einen wichtigen Beitrag leisten.
Das sieht auch Udo Schlüter so, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland: „Die derzeitig erkennbaren Tendenzen zu nationalen Egoismen sind besorgniserregend“, schreibt er in einem offenen Brief an politische Entscheidungsträger in Deutschland. „Solidarität darf nicht vor nationalen Grenzen Halt machen, denn sie ist unteilbar.“ Eine-Welt-Initiativen seien wichtig, damit Engagement für das Gemeinsame nicht an den Landesgrenzen ende. Dabei geht Solidarität heute nicht mehr nur in Nord-Süd-Richtung: Auch deutsche Kommunen waren dankbar für Hilfe zur rechten Zeit. So hat etwa Dresden zu Beginn der Pandemie in Deutschland 10.000 FFP2-Atemschutzmasken von seiner Partnerstadt Hangzhou in China erhalten. Seit mehr als zehn Jahren ist Dresden mit der Stadt südlich von Schanghai verbunden. Die Masken wurden zu einem Zeitpunkt geliefert, als Dresden sie besonders dringend brauchte.
Deutsch-französische Solidarität als Vorbild
Wie sehr Partnerstädte Menschen verbinden, zeigt auch die deutsch-französische Solidarität in der Krise. Diese nach dem Zweiten Weltkrieg begründeten Verbindungen haben nach 1945 viel zur Versöhnung der beiden Länder beigetragen. Manch einer hielt sie inzwischen für überholt. Doch in der Pandemie haben die deutsch-französischen Städtepartnerschaften Wichtiges geleistet. Städte wie Kassel, Trier und Völklingen haben auf dem Höhepunkt der Krise in Frankreich schwer kranke Patienten aus den Partnerstädten Mulhouse, Straßburg und Forbach in Lothringen in ihren Kliniken behandelt.
Die Corona-Krise sei trotz aller Schwierigkeiten auch eine Zeit der Solidarität, schreibt Udo Schlüter. „Wir erleben eine Welle der gegenseitigen Hilfe und der Suche nach neuen Lösungen.“ Daraus könne man Zuversicht für die Zukunft schöpfen.
Mehr Berichte zu den Auswirkungen der Pandemie in verschiedenen Ländern finden Sie in unserem Corona-Dossier.
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