Viel zu tun: Helfer des Roten Kreuzes verteilen Lebensmittel in Uganda.
Ausgangsbeschränkungen, Abstandregeln und geschlossene Grenzen verstärken in vielen Ländern des Südens die soziale und wirtschaftliche Not – und sie erschweren die Arbeit derer, die helfen wollen. Zum Beispiel, wenn es um die Verteilung von Nahrungsmitteln geht. „Wir fahren mehr Stellen an als zuvor, um größere Menschenaufläufe zu verhindern. Dafür müssen wir mehr LKWs anmieten und mehr Leute beschäftigen“, erklärt Dirk Bathe von World Vision.
Auch andere Hilfswerke und entwicklungspolitische Organisationen passen teilweise ihre Arbeit an. „Es geht mehr um Hygiene, Gesundheitsaufklärung und Seuchenprävention. Und es wird verstärkt Nothilfe geleistet, weil der Bedarf da ist und die eigentliche Projektarbeit aufgrund der Einschränkungen nicht möglich ist“, sagt Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender des entwicklungspolitischen Dachverbands Venro. Der große Hilfsbedarf ziehe steigende Kosten nach sich. Zudem belasteten die Ausgaben für medizinische Schutzkleidung für Ortskräfte, die Rückholung von Mitarbeitenden nach Deutschland sowie die Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen die Kassen der Hilfsorganisationen.
14 Prozent sehen ihre Existenz bedroht
Zugleich beklagen einige Organisationen sinkende Einnahmen. Laut Bornhorst berichten rund ein Drittel der 100 Venro-Organisationen, die an einer internen Umfrage teilgenommen haben, von einem Rückgang der Spendeneinnahmen infolge der Corona-Pandemie. 18 Prozent hätten Kurzarbeit angemeldet, sechs Prozent rechneten mit Entlassungen, 14 Prozent gingen sogar davon aus, dass die Krise ihre Existenz bedrohen könnte.
Das trifft aber längst nicht alle Organisationen. „Wir erhalten sogar mehr Spenden derzeit, weil die Spender damit ihrer Solidarität in einer globalen Krise ausdrücken wollen“, sagt Anne Jung von Medico International. Auch bei World Vision und dem katholischen Hilfswerk Misereor, für das Bornhorst tätig ist, macht man ähnliche Erfahrungen. Statt auf der Straße sammeln sie nun verstärkt Spenden online ein. „Aber wir wissen nicht, ob das längerfristig die fehlenden Einnahmen durch Klingelbeutel oder Straßenaktionen ausgleichen kann. Vor allem dann nicht, wenn sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland weiter verschlechtert“, warnt Bornhorst. Als besonders gefährdet sieht er kleinere Hilfsorganisationen und solche, die eher im Inland in der Bildungsarbeit tätig sind. „Spendeneinnahmen decken bei vielen einen großen Teil der Ausgaben für Mitarbeiter und Büromiete. Einbrüche sind da nur schwer auszugleichen.“
Bornhorst hofft auf mehr Unterstützung von der Politik. Die im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehene Kreditförderung für gemeinnützige Vereine helfe nicht weiter. „Für die meisten Hilfsorganisationen kommt das nicht infrage, weil sie die Kredite kaum zurückzahlen können und es dem Gemeinnützigkeitsrecht widerspricht, die für eine Rückzahlung nötigen Gewinne zu erwirtschaften“, sagt Bornhorst. „Wir brauchen Zuschüsse, um die Existenz der Organisationen zu sichern.“
Drei Milliarden mehr aus dem Konjunkturpaket
Lob gibt es von Venro für die Ankündigung der Bundesregierung, mehr Geld für die weltweite Bekämpfung der Pandemie-Folgen bereitzustellen. Drei Milliarden Euro zusätzlich sieht das Konjunkturpaket dafür bis Ende 2021 vor. Das bedeutet vermutlich auch mehr Fördermittel für Projekte zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die aber könnten Probleme haben, die Mittel abzurufen, weil sie den dafür nötigen Eigenanteil von 25 Prozent nicht aufbringen könnten, befürchtet Bornhorst. Er schlägt deshalb vor, den Eigenanteil zumindest vorübergehend auf 10 Prozent zu verringern.
Generell wünschen sich die Hilfsorganisationen mehr Flexibilität in der Krise, etwa was die Umwidmung von Projektmitteln angeht. Es wäre sinnvoll, wenn das Entwicklungsministerium es erleichtern würde, einen Teil der Gelder unbürokratisch hin und her zu schieben, erklärt Bornhorst.
Dirk Bathe von World Vision unterstützt diese Forderung – geht aber noch einen Schritt weiter. Statt bei jeder Krise neue Mittel aufzubringen oder vorhandene umzuschichten, sollte sich die Bundesregierung für den Aufbau eines globalen Sozialfonds einsetzen. Mit dessen Mitteln könnten Bedürftige in Krisenlagen direkt unterstützt werden, etwa mithilfe von Bargeldtransfers. „Wir müssen da grundsätzlicher denken“, sagt Bathe.
Mehr Berichte zu den Auswirkungen der Pandemie in verschiedenen Ländern finden Sie in unserem Corona-Dossier.
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