Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung befasst sich mit theologischen Grundlagen der Trennung christlicher Kirchen sowie mit gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und anderen Einflüssen auf ihre Einheit. Mit ihren 120 Mitgliedern gilt sie als repräsentativstes theologisches Forum der Christenheit und ist einer der zentralen Arbeitsbereiche des ÖRK. Auf der Tagung in Kreta standen Fragen nach dem Wesen der Kirche (Ekklesiologie), ihrer Autorität sowie der Grundlage ihrer Ethik im Mittelpunkt. Hier ging es unter anderem um Urteile zu Proselytismus (Bekehrung unter Druck), Homosexualität und Stammzellenforschung.
Auf der letzten Vollversammlung 2004 in Kuala Lumpur hatte die neue, beratende Rolle der Kommission unter den Delegierten zu Verwirrung und Frustration geführt. Viele zogen sich daraufhin aus der Kommissionsarbeit zurück. Entsprechend hoch, nämlich bei 80 Prozent, lag der Anteil der Neulinge auf Kreta. Die Zahl der Delegierten mit hohen Kirchenämtern war wesentlich geringer als zuvor. Die Kirchen hatten überwiegend junge Leute entsandt, was bei den Verfechtern der ökumenischen Idee immerhin die Hoffnung auf neuen Schwung nährt.
Die Kommission arbeitete anders als früher nicht primär auf Beschlüsse hin, sondern stellte den Diskussionsprozess ins Zentrum. Statt meist im Plenum über Vorträge zu diskutieren wie noch in Kuala Lumpur, bearbeiteten die Delegierten die drei Hauptthemengebiete überwiegend in Kleingruppen. „Es geht darum, die Leute in die Themen hineinzuziehen in der Hoffnung, dass sie diese zu Hause in ihren Kirchen weitertreiben“, sagt Ulrike Link-Wieczorek, Professorin für Systematische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Oldenburg, die die Tagung mit vorbereitet hatte.
„Die prozesshafte Orientierung verhindert, dass sich irgendjemand überrollt fühlt“, sagt Link-Wieczorek, die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) entsandt wurde. „Der ÖRK ist schließlich ein Forum und keine Instanz, die über allen Kirchen schwebt.“ Ähnlich sieht es Christian Polke, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Evangelischen Fakultät in Hamburg. „Die Kommission könnte ein wunderbarer Think Tank sein. Allerdings müsste sie dafür stärker professionalisiert werden“, erklärt Polke, der ebenfalls für die EKD in Kreta dabei war. Erst die Prozessorientierung hatte es möglich gemacht, sehr kontroverse Themen wie Homosexualität, Rassismus, Proselytismus oder Stammzellforschung auf die Tagesordnung zu setzen. Hier sollte es weniger um die Haltungen der Kirchen dazu gehen als vielmehr um die Frage, wie diese zu ihren Urteilen in der jeweiligen Frage finden.
„Schwierig erschien einigen Delegierten, einerseits die Fallbeispiele als Grundlage zu nehmen, dann aber nicht über die direkt damit verbundenen Fragen zu diskutieren, sondern über die Methode nachzudenken, wie die ethischen Urteile darüber in der jeweiligen Konfession entstehen“, sagt Stefanie Schardien, Juniorprofessorin für Systematische Theologie an der Universität Hildesheim. „Die Themen sind aber wichtig für die Frage nach der Kircheneinheit. Schließlich kommen in ethischen Konflikten dogmatische Glaubensüberzeugungen wie zum Beispiel Sünde oder das jeweilige Menschenbild zum Tragen“, fügt Schardien hinzu, die ebenfalls von der EKD zu dem Treffen in Kreta entsandt worden war.
Auf der Agenda der Tagung stand auch das 2005 veröffentlichte Papier „Wesen und Auftrag der Kirche“, zu dem bisher allerdings nur die wenigsten Kirchen Stellung bezogen haben. „In den Beiträgen im Plenum wurde von mehreren Referenten kritisiert, dass das Papier zu eurozentrisch sei und zu wenig die Erfahrungen aus den Ländern des Südens mit einbeziehe“, sagt Angela Berlis, Professorin für Geschichte des Altkatholizismus in Bern, die für die altkatholische Kirche in Kreta war. Bis Januar 2010 haben die 349 Kirchen des ÖRK noch Zeit für ihre Rückmeldung zu dem Papier. Die Standing Commission, die die Arbeit der Kommission zwischen den Vollversammlungen weitertreibt, wird die Rückmeldungen sammeln und in das Papier einarbeiten. Am Ende wird der Zentralausschuss darüber entscheiden.
Schließlich setzten sich die Delegierten noch mit der Frage auseinander, inwieweit die Texte von Kirchenvätern heute noch Bedeutung haben. „Das war nicht nur ein Zugeständnis an die orthodoxen Kirchen. Letztendlich ist es unsere gemeinsame Tradition“, sagt Berlis.