Der malawische Verlag Pan African Publishers veröffentlicht seit zehn Jahren anspruchsvolle Literatur, die sich mit der Gegenwart und der Zukunft Afrikas befasst. Shadreck Chikoti ist Chef des Verlags und zugleich Schriftsteller. Im Interview erklärt er, woher seine Leidenschaft fürs Schreiben kommt und wie Literatur die Lage von Frauen verbessern kann.
Herr Chikoti, Sie fördern innovative Literatur in Ihrem Heimatland Malawi. Und Sie zählen zu den wichtigsten jüngeren Autoren Afrikas. Wie kam es dazu?
Meine Leidenschaft ist das Schreiben, mein Vater hat mich dazu ermutigt. Er war Pastor der Christian Community Presbyterian Church und gab eine Zeitschrift heraus. Ich bin fest davon überzeugt, dass Literatur die Gesellschaft verändern kann. Ein großes Hindernis sind aber die Verlage, denn sie leben von Schulbüchern. Romane und Kurzgeschichtseditionen verkaufen sich schlecht, das entmutigt viele Autoren. Sie sehen keine Zukunftsperspektiven und geben schließlich auf, obwohl sie sehr talentiert sind. Malawi zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Menschen überlegen sich, ob sie Bananen oder ein Buch kaufen sollen. Das wollte ich ändern, deshalb habe ich einen eigenen Verlag gegründet.
Ihr Verlag heißt Pan African Publishers. Warum ist Ihnen der Panafrikanismus wichtig?
Ich möchte afrikanischen Autoren – nicht nur aus Malawi – die Freiheit geben, das zu schreiben, was ihnen wichtig ist. Bislang geben die etablierten Verlage die Themen vor und die Autoren orientieren sich daran. Folglich beschränken sich viele auf populäre Geschichten über Armut und Mädchen, die in Dörfern aufwachsen. Pan African Publishers unterscheidet sich davon. Seit 2009 arbeiten wir daran, innovativen Autoren andere Möglichkeiten zu bieten. Das Geld dafür nehmen wir durch Bücher von anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein – beispielsweise von Kirchenvertretern und früheren Parlamentariern in Malawi. Der Verkauf ihrer Schriften ermöglicht uns, die Werke junger Autoren zu publizieren. Inzwischen sind es fünfzehn Bücher. Sie sind in unserer Landessprache Chichewa und auf Englisch erschienen, so erreichen wir sowohl ein nationales als auch ein internationales Publikum. Jedoch ist der direkte Buchversand in andere afrikanische Länder weiterhin schwierig, weil es viele bürokratische Hindernisse gibt. Da wir ein kleiner Verlag sind, nehmen wir Bücher mit zu Festivals, die anderswo auf dem Kontinent stattfinden. Gleichzeitig arbeiten wir daran, den Vertrieb zukünftig zu verbessern.
Große Anerkennung erhielt Ihr Verlag für die Anthologie „Imagine Africa 500“, in der es um die Zukunft des Kontinents geht. Was ist das Besondere daran?
Wir hatten in etlichen afrikanischen Ländern Autoren aufgefordert, futuristische Geschichten einzureichen. Über achtzig Texte wurden uns geschickt, daraus wählten wir die zehn besten aus, Beiträge aus Uganda, Botsuana, Südafrika und Nigeria. Nach einem Workshop mit malawischen Autoren über futuristische Geschichten kamen fünf weitere Texte dazu. Es sind sowohl fatalistische als auch hoffnungsvolle Erzählungen. Denn die Zukunft, die man will, muss man sich selbst schaffen, wie schon Abraham Lincoln ähnlich sagte. Der erste Schritt dazu ist die Imagination.
Warum ist es so wichtig, sich literarisch mit der Zukunft auseinanderzusetzen?
Bislang halten uns Politiker und Geber von Entwicklungshilfe davon ab, ernsthaft über die Zukunft nachzudenken. Alle sind in Gegenwartsproblemen verhaftet: Wasserversorgung, Abholzung oder HIV/Aids. Oft heißt es, all das hätten frühere Regierungen vernachlässigt und nun müsse man diese Probleme beheben. Das ist zweifellos wichtig, jedoch sollten wir viel mehr über unsere Zukunft reflektieren. Unsere Anthologie enthält Erzählungen über Hightech in Afrika und afrikanische Staaten als Supermächte. Eine Geschichte greift das Stereotyp auf, Frauen seien vom Mars – und ganz anders als Männer. Sie handelt aber von zukünftigen Geschlechterbeziehungen und nimmt überraschende Wendungen.
Welche Impulse kann die Literatur geben, die heutige Situation von Frauen zu verbessern?
Kultur hat bislang zur Abwertung von Frauen und Mädchen beigetragen. Verbreitet ist etwa die Einschätzung, Frauen seien wie Blumen, die schnell verwelken. Lieder und Gedichte bringen das zum Ausdruck. Dem können Autorinnen und Autoren etwas entgegensetzen, wenn sie anders über Frauen und Feminismus schreiben. Dafür brauchen wir Orte zum Nachdenken und Austausch.
Gibt es solche Orte bei Ihnen zu Hause?
Ich habe aus diesem Grund 2013 den Story Club gegründet. Für Literatur- und Kulturinteressierte organisieren wir regelmäßig Lesungen, Buchvorstellungen und Diskussionen. Inzwischen finden sie in unserem Arts Cafe in Lilongwe statt, einem Ort voller Leben, wo man spürt, wie befreiend künstlerische Ausdrucksformen sein können. Dort gibt es auch eine kleine Bibliothek. Vor allem junge Autorinnen und Autoren nutzen sie und treffen sich dort mit großer Begeisterung.
Und wie greifen Sie das Thema Gleichberechtigung dort auf?
Kürzlich hat der Story Club eine Diskussion veranstaltet, in der es um die Frage ging: Können Männer Feministen sein? Darüber haben die Medien dann intensiv und positiv berichtet. Auch auf diesem Wege tragen wir zur Bewusstseinsbildung bei. Die sehr gut besuchte Diskussionsrunde war eine Vorbereitung zu unserem Feminart Arts and Books Festival, das im November 2019 stattfinden wird. Es ist das erste große Festival zu diesem Thema in Malawi, wir wollen Kunst für Feminismus fördern und diesen feiern.
Was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort?
Viel Literatur, aber auch Theaterstücke und Filme. Vor allem Lesungen und Diskussionen über feministische Werke afrikanischer Autorinnen. Exemplarisch ist das Buch „Der Preis der Freiheit“ von Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe. Sie zeigt, wie Frauen behandelt werden und wie schwer es für sie ist, beruflich erfolgreich zu sein. Für das Festival, an dessen Finanzierung wir derzeit arbeiten, laden wir Schriftstellerinnen aus anderen afrikanischen Ländern ein, die sich mit malawischen Autorinnen und Autoren austauschen werden. Ziel ist es, positiver über Feminismus zu sprechen. Wir ermutigen männliche Autoren, sich ebenfalls aktiv dafür einzusetzen. Kunst hat Macht und kann zu Veränderungen beitragen, darauf bauen wir.
Aber wie erreichen Sie die malawische Öffentlichkeit?
Wir planen eine öffentliche Debatte auf dem großen Markt in Lilongwe. Dort haben im Januar 2012 Händler Frauen angegriffen, die Hosen oder Shorts trugen. Sie wurden gewaltsam entkleidet. Hosen seien Männerkleidung, hieß es. Weder die Regierung noch die Kirchen haben reagiert. Nur wir Autoren haben das öffentlich kritisiert und Musiker aufgefordert, im Radio Lieder dagegen zu singen. In den Jahren danach gab es zwar keine große Gewaltaktion gegen Frauen, jedoch wurden Käuferinnen auf dem Markt immer wieder sexuell belästigt und wegen ihrer Kleidung angepöbelt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass dort eine Diskussionsveranstaltung stattfindet.
Das Gespräch führte Rita Schäfer.
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