Mit dem Tatendrang allein gelassen

„undjetzt?!“ lautete plakativ das Motto einer Konferenz, zu der im August in Berlin Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Auslandsprojekten der entwicklungspolitischen Freiwillendienste in Potsdam zusammenkamen. Viele wollen ihre neuen Erkenntnisse und Erfahrungen gern weitergeben, wissen aber nicht, wie sie das anstellen sollen.

Mehrere Monate, häufig ein Jahr und länger waren die meisten der rund 150 jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Entwicklungsländern gewesen. „Für viele war die Rückkehr ein Kulturschock“, sagt Benjamin Hohlmann vom Netzwerk Idem, das zusammen mit dem Freiwilligenforum grenzenlos e.V. die Konferenz organisiert hat. Sie haben hautnah erlebt, dass es existenziellere Sorgen gibt als die Frage, ob der Krankenkassenbeitrag ein halbes Prozent hoch oder runter geht und auch im Winter jederzeit Erdbeeren verfügbar sind. Der Wunsch sei groß, diese Erfahrungen in den eigenen weiteren Werdegang einzubauen. Nur wie das geschehen kann, da gebe es viele Fragen.

Das Thema hat an Dringlichkeit gewonnen, seit das Entwicklungsministerium (BMZ) 2008 sein Freiwilligenprogramm „weltwärts“ gestartet hat. Das Programm ist stark gefragt. Einige tausend junge Leute sind bereits unterwegs. Bis zu 10.000 Freiwillige im Alter von 18 bis 28 Jahren sollen künftig jährlich mit Hilfe ausgewählter Entsendeorganisationen und dem staatlichen Deutschen Entwicklungsdienst (DED) die Realität in den Entwicklungsländern und -projekten kennenlernen können. Sie alle kommen mit diesen Fragen und Wünschen zurück. „Die zweite große Rückkehrerflut rollt schon“, hieß es im Potsdamer Konferenz-Camp mit einem gewissen Unbehagen. Das Programm versuchte, Orientierung und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

Die Frage „Was habe ich dazu gelernt und wie kann ich es einbringen“ sei genau die richtige, hatte Bundespräsident Horst Köhler der Konferenz in einem Grußwort mit auf den Weg gegeben. In Workshops und OpenSpace-Gruppen diskutierten die Teilnehmer, wie aus dem „undjetzt?!“ ein „undjetzt!“ werden kann. Am Ende wurde abgestimmt, was ihnen am Vordinglichsten scheint: Es sind die Stärkung der Selbstorganisation und mehr Unterstützung nach der Rückkehr.

„Der Freiwilligendienst endet nicht mit dem letzten Tag im Ausland“, heißt es in der abschließenden „Potsdamer Erklärung“. Vom BMZ wird neben anderem erwartet, dass es eine unabhängige „Informationsplattform“ fördert, auf der sich Freiwillige und Rückkehrer austauschen können. Gefordert wird, dass das Ministerium für „nachhaltige Qualitätssicherung“ und effiziente Mittelverwendung sorgt – und nicht zuletzt: dass es das Ziel, schon im kommenden Jahr bis zu 10.000 „weltwärts“-Freiwillige zu entsenden, noch einmal überdenkt. Es bestehe die Gefahr, dass diese große Zahl nicht angemessen vorbereitet, betreut und nach der Rückkehr unterstützt werden könne.

Hans-Peter Baur, im BMZ für „weltwärts“ zuständig, will diese Kritik nicht gelten lassen. Dem BMZ und dem DED, bei dem das „weltwärts“-Sekretariat zur Vorauswahl der mittlerweile über 200 zugelassenen Entsendeorganisationen angesiedelt ist, gehe es ganz klar um „Qualität vor Quantität“. An den bis zu 10.000 Entsendungen pro Jahr will das BMZ festhalten. Baur: „Die Zielgröße bleibt.“ Und zumindest das bei der Organisation InWEnt angesiedelte ASA-Programm, das die Vor- und Nachbereitung derjenigen „weltwärts“-Freiwilligen übernimmt, die der DED selbst entsendet, genießt auch bei den „undjetzt?!“-Leuten einen guten Ruf. Baur macht zudem darauf aufmerksam, dass das Freiwilligenforum grenzenlos e.V. Mitglied im „weltwärts“-Beirat ist – und also auf die Ausgestaltung des Freiwilligendienstes schon jetzt Einfluss habe.

Er räumt aber indirekt ein, dass es Defizite bei der Nachbereitung gibt: Schon in Kürze werde das BMZ eine neue „Finanzierungslinie“ vorstellen, die Verbesserungen bringe. Unter anderem sollen Rückkehrerinnen und Rückkehrer, wenn sie denn möchten, geschult werden, ihre Erfahrungen weiterzugeben, etwa an Schulklassen oder in Jugendclubs. Das wäre immerhin ein Angebot, den Freiwilligen nach ihrer Rückkehr mehr Halt zu geben. Die jetzigen, obligatorischen Nachbereitungsseminare dauern gerade einmal fünf Tage – dann ist, von Staats wegen, die Sache erledigt.

erschienen in Ausgabe 9 / 2009: Medien: Die heiße Ware Information
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