Über 800 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen, und in schätzungsweise vier von fünf Fällen sind Krieg und organisierte Gewalt dafür zumindest mit verantwortlich. Hungerhilfe wird denn auch vorwiegend an Kriegsopfer oder in Ländern mit sehr schwachem Staat geleistet. Mit solcher Hilfe auch zu Frieden beizutragen, hat sich das UN-Welternährungsprogramm (WFP) vorgenommen. Es ist dazu 2018 eine Partnerschaft mit dem Stockholmer Friedenforschungsinstitut SIPRI eingegangen, das nun an vier Ländern dessen Praxis untersucht hat.
Danach stützen WFP-Programme öfters Friedensprozesse – manchmal aber ungeplant, sozusagen aus Versehen. Denn der Organisation als Ganzer fehle eine „Theorie des Wandels“, die erklärt, auf welchem Weg und unter welchen Umständen Projekte Friedenskräfte stärken. Die WFP-Mitarbeitenden vor Ort folgen laut dem Bericht verschiedene Theorien, die von den Ergebnissen mehr oder weniger bestätigt werden.
Viele nehmen an, dass die Gefahr von Gewaltkonflikten sinkt, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt besser sichern können. Bestätigt werde dies von einem Projekt in El Salvador, das allerdings für das WFP eher untypisch ist: Es habe Jugendlichen und abgeschobenen Migranten mit Hilfe privater Firmen eine Ausbildung und praktische Berufserfahrung verschafft und sie so davon abgehalten, sich gewalttätigen Banden anzuschließen.
Ressourcen effizienter nutzen
Eine andere im WFP verbreitete Theorie sei, es legitimiere den Staat, wenn öffentliche Dienste verbessert werden. Auch das werde teilweise von Erfahrung bestätigt, zum Beispiel im Fall von Schulspeisungen in Kirgistan. Nach einer dritten Theorie nehmen Konflikte um knappe Ressourcen wie Wasser und Land ab, wenn man hilft, diese effizienter zu nutzen. Das habe in El Salvador funktioniert, wo das WFP Vereinbarungen zwischen Landeigentümern und Landwirten ausgehandelt und diesen so über die Dauer des Projektes hinaus sicheren Zugang zu Ackerland verschafft habe. Weniger erfolgreich sei die Vermittlung zu Landstreitigkeiten in Gemeinschaften in Mali gewesen.
Die im WFP beliebteste Theorie laute, dass Hilfe zur Ernährung Gemeinschaften stabilisiert und die Rückkehr zur Normalität unterstützt. Diese Wirkung ist laut dem Bericht schwer zu belegen und der Befund ist gemischt – unter anderem weil solche Hilfe Neid unter nicht Begünstigten schüren kann.
Nothilfe mit längerfristiger Entwicklungshilfe verbinden
Der Bericht macht klar, wie vielschichtig die Wechselwirkungen zwischen Frieden und Hilfe zur Ernährung sind. Sie seien auch deshalb schwer zu messen, weil man Frieden unterschiedlich verstehen und zum Beispiel kurzfristige Stabilisierung in Widerspruch zu langfristiger Friedenssicherung stehen könne. Die Begriffsklärung und methodische Probleme nehmen deshalb breiten Raum ein, was den Bericht streckenweise recht abstrakt macht.
Wichtig ist er, wo er gängige Annahmen hinterfragt wie die Forderung, Nothilfe mit längerfristiger Entwicklungshilfe zu verbinden: Dass das WFP beides macht, kann laut SIPRI problematisch sein, weil dann humanitäre Hilfe nicht mehr als neutral erlebt wird. Viele Empfehlungen – zum Beispiel stets Konfliktanalysen vorzunehmen und mit örtlichen Partnern aus ganz verschiedenen Bereichen zu arbeiten – dürften Kenner der Debatte über Entwicklung und Friedensförderung aber nicht sehr überraschen. (BL)
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