Als die EU Anfang Juni in Brüssel mit Mitgliedern der SADC ein vorläufiges Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreement, EPA) unterzeichnen wollte, unterschrieben von 15 Ländern nur Botswana, Lesotho und Swasiland; knapp zwei Wochen später folgte noch Mosambik. Namibias Regierung weigerte sich. Wie der namibische Industrie- und Handelsminister Hage Geingob später erklärte, hätten in dem Text des Interim- EPA Zusagen gefehlt, die Außenhandelskommissarin Catherine Ashton noch im März gegeben habe. Bereits zuvor war Angola ausgestiegen, Südafrika nahm nicht einmal die Einladung zur Zeremonie der Vertragsunterzeichnung an.
Über Jahrzehnte hat die EU die regionale Zusammenarbeit im südlichen Afrika und insbesondere die Gründung der SADC unterstützt, die ursprünglich sogar „Wirtschaftsgemeinschaft“ hieß. Gut 15 Milliarden Euro sind in das Vorzeigeprojekt für regionale Integration nach EU-Muster geflossen. Der Außenhandelsabteilung der EU-Kommission ist es jedoch mit den Verhandlungen über regionale Freihandelsabkommen in drei Jahren gelungen, die 15 SADC-Mitglieder in sechs rivalisierende Gruppen zu teilen. Fünf SADC-Länder sind nun Mitglieder im (unfertigen) EPA für „Ost- und Südafrika“ (Eastern and Southern Africa Group, ESA). Tansania ist dem einzigen anderen „vorläufigen“ EPA beigetreten, das bisher bei der Welthandelsorganisation WTO angemeldet worden ist, dem mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft.
Schaden für die Zollunion
Die Demokratische Republik Kongo (ebenfalls ein Mitglied der SADC) soll einem EPA für Zentralafrika angehören, dessen Bestand generell in Zweifel steht, seitdem Kamerun ein separates Abkommen mit der EU abgeschlossen hat, das noch nicht ratifiziert ist. Und mit Südafrika hatte die EU ohnehin schon 2000 ein besonderes Freihandelsabkommen geschlossen. Für Malawi, Angola und nun auch Namibia gelten derzeit nur die einseitig von der EU gesetzten Außenhandelsregeln nach dem „Allgemeinen Präferenz- System“ und den Vorteilen für die am wenigsten entwickelten Länder (LDC), „alles außer Waffen“ zollfrei in die EU zu exportieren.
Für alle SADC-Länder ist die EU der größte überseeische Handelspartner. Die unterschiedlichen Zollsätze und Ursprungsregeln, die in jedem EPA anders gefasst sind, behindern aber aufeinanderfolgende Verarbeitungsstufen von Exportprodukten in verschiedenen EPA-Zonen. Das hat gerade für die südafrikanische Zollunion SACU (Südafrika, Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland) Folgen, die ihr Überleben in Frage stellen. Sie galt als Kern einer SADC-weiten Zollunion mit gemeinsamen Außenzöllen und zollfreiem internen Warenaustausch. Mosambik war bisher der erste neue Beitrittskandidat.
Südafrikas Handelsminister Rob Davies erklärte in der Haushaltsrede vor dem Parlament Ende Juni, die SACU könne ernsthaft verletzt werden. Mit mindestens fünf unterschiedlichen Abkommen, die gegenwärtig zwischen der EU und verschiedenen SADC-Mitgliedern abgeschlossen würden, entstehe eine Gefahr für Handelsverzerrungen, der begegnet werden müsse. „Vollgültige EPA verlangen von einzelnen SADC-Migliedern, auf Forderungen der EU hinsichtlich Dienstleistungen und Investitionen einzugehen, bevor die Region selbst eigene Märkte und Regeln aufgebaut hat“, warnte Davies.
Autor
Heimo Claasen
ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS sieht sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert, nachdem die Elfenbeinküste und Ghana 2008 einzelne Interim-EPA eingegangen sind. Verhandlungen von ECOWAS mit der EU-Kommission im Frühjahr und ein Ministertreffen mit Handelskommissarin Ashton Mitte Juni führten zu dem Ergebnis, ein regionales vorläufiges EPA auf Oktober zu verschieben. Die in den beiden Einzelabkommen festgeschriebenen Bestimmungen erwiesen sich als in so starkem Widerspruch zu den Erfordernissen der regionalen Integration, dass eine für die 16 ECOWAS-Länder annehmbare Fassung wohl so schnell nicht zu erreichen ist.
Inzwischen regt sich auf afrikanischer Seite Widerstand von unten gegen die EPA-Verhandlungen. Eine Versammlung von fast allen christlichen Kirchen Westafrikas in Liberias Hauptstadt Monrovia äußerte die harsche Kritik, dass die EPA „in ihrer gegenwärtigen Form nicht anzunehmen sind“. Sie ließen den ECOWAS-Mitgliedern nicht genug politische und wirtschaftliche Handlungsfreiheit, um beispielsweise die Ernährungssicherung zu gewährleisten. Es sei wichtiger, die regionalen Zölle in Übereinstimmung zu bringen, um den regionalen Handel zu erleichtern. Ein Sprecher des Gewerkschaftsbundes von Ghana wandte sich gegen das übermäßige Bemühen der Regierung um Zugang zu den Märkten der EU. Stattdessen solle der regionale Markt entwickelt werden, da es hier eine Nachfrage nach afrikanischen Erzeugnissen gebe.
Zugang für EU-Banken
Das World Development Movement verweist in einer Analyse zu den bisher ausgehandelten Freihandelsabkommen der EU darauf, dass darin den Finanzdienstleistungen großes Gewicht zukommt. Dies schlägt sich auch in den „vorläufigen“ EPA nieder. Sie sollen zunächst nur dem WTO-Prinzip der Gegenseitigkeit von Zollermäßigungen im Warenaustausch genügen, enthalten aber immer auch Verpflichtungen, in weitere Verhandlungen über „vollgültige“ EPA einzutreten und dort den Zugang der EU-Banken zu gewährleisten. Das erste und einzige „vollgültige EPA“ mit der Karibik-Gruppe der AKP vom Oktober 2008 enthält Bestimmungen über die Handlungsfreiheit genau der Sorte von Offshore-Banken und Hedgefonds, die schon zu dieser Zeit als eine der Ursachen für die globale Finanzkrise erkannt waren. Dazu zählen unter anderem die Aufhebung von staatlichen Beschränkungen zur Niederlassung und Tätigkeit von Banken und Finanzdienstleistern sowie die Aufhebung von Transferbeschränkungen für Geld und Wertpapiere und die Aufhebung nationaler Beschränkungen für auswärtige Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Auch Bestimmungen gegen Exportsteuern und Ausfuhrverbote finden sich durchgängig in Interim-EPA wie in Verhandlungstexten für „vollgültige EPA“.
Die Folgen sind absehbar: Tansania, das dem Interim-EPA der Ostafrikanischen Gemeinschaft angehört, wird sein zeitweiliges Verbot für den Maisexport im vergangenen Jahr – als Aufkäufe durch zwei weltweit operierende Getreidehändler zu Knappheit und hohen Preisen auf dem Binnenmarkt führten – nicht wiederholen dürfen.