Sie waren gerade im Süden Angolas. Wie ist dort die Lage?
Dort herrscht eine Dürre, unter der sehr viele Menschen leiden. Es hat schon im Jahr 2018 praktisch nicht geregnet, besonders in der Provinz Cunene. Betroffen sind vor allem die ländlichen Gebiete, wo die Menschen für ihren Lebensunterhalt von der Landwirtschaft abhängig sind. Sie konnten nur wenig ernten und es sind bereits Menschen verhungert. Auch viele Tiere sind verendet – Rinder sind in dem Gebiet auf dem Land das wichtigste Vermögensgut. In Lubango, der Hauptstadt der Provinz Huíla, und in Ondjiva, der Hauptstadt von Cunene, sieht man sehr viele Kinder und Jugendliche vom Land, die in die Stadt geflohen sind, weil es in den Dörfern keine Nahrung und kein Wasser gibt. Weil sauberes Trinkwasser fehlt, breiten sich Krankheiten aus.
Beobachten Sie, dass mit dem Klimawandel solche Dürren häufiger oder schwerer werden?
Das kann ich nicht sagen. Dürren sind in dieser Region schon seit Unabhängigkeit Angolas immer wieder aufgetreten, besonders in der Provinz Cunene. Nur wurden solche Notlagen bis zum Ende des Bürgerkrieges 2002 kaum bekannt und es gab kaum Berichte darüber. Jetzt wird es mehr zur Kenntnis genommen – erstens dank der sozialen Medien und zweitens, seit im Herbst 2017 der neue Präsident João Lourenço im Amt ist.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Das wissen wir nicht, wir haben dazu keine neuen Zahlen. Es gibt aber Zahlen zur vorigen Trockenheit: Nach offiziellen Angaben hat die Dürre von 2012 bis 2016 über eine Million Menschen getroffen und über 1500 Rinder sind verendet.
Sind jetzt mit den Ernteausfällen die Nahrungsmittelpreise gestiegen?
Natürlich, sie steigen und steigen. Das hat allerdings auch mit der allgemeinen Wirtschaftskrise im ganzen Land zu tun. Ich fürchte, das wird schlimmer werden, weil die Regierung demnächst die Treibstoffpreise anheben will.
Kaum beachteter Hunger
Im Süden Angolas haben viele Menschen nicht genug zu essen. Das Ausmaß der Not ist nicht genau bekannt, doch die Zahl der Betroffenen steigt: Laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef benötigten im Januar ...
Ja. Es regnet dort selten, aber wenn, dann sehr heftig. Entscheidend ist deshalb das Wassermanagement: Man muss das Wasser speichern, wenn es einmal regnet, und es vernünftig verteilen. Das ist möglich. Solche Verhältnisse herrschen ja nicht nur in Angola. Zum Beispiel hat die an Cunene angrenzende Region in Namibia dasselbe Problem, aber dort hat die Regierung es mit Hilfe eines großen Kanals gelöst, der die Region mit Wasser versorgt. Auch bei uns in Angola gibt es Erfahrungen, wie man unter solchen Bedingungen ausreichende Ernten erzielt. Zum Beispiel unterstützen wir in einer Gemeinde seit 2017 den Bau von Wasserspeichern und seitdem haben sich die Lebensverhältnisse grundlegend geändert: Auch in dieser Gemeinde hat es 2018 gar nicht geregnet und 2019 bisher nur wenig, aber die Menschen überleben dank des gespeicherten Wassers.
Was wird in der Gegend vor allem angebaut?
Zwei Arten Hirse namens Massambala und Masango, außerdem Mais. Wenn die Regierung in Wassersysteme investieren würde, wäre die Lage zu bewältigen.
Die Regierung hat die Landgebiete und besonders den Süden des Landes vernachlässigt?
Ja. Im Staatshaushalt ist viel weniger für die Entwicklung der Landgebiete vorgesehen als für die der Städte. Das ist ein Erbe der vorigen Regierung und es war auch der Anstoß für die Gründung unserer Organisation ADRA. Noch immer wird zu wenig für die Landwirtschaft getan, aber wir hoffen, dass sich das unter dem neuen Präsidenten nun ändert. Ein Anzeichen dafür ist, dass er regelmäßig Landgebiete besucht. Für die notleidenden Gebiete hat die Regierung jetzt ein Hilfsprogramm aufgelegt, das viele internationale Organisationen unterstützen. Aber es braucht lange, bis die Maßnahmen in Gang kommen. Zum Beispiel hat die Europäische Union 2018 für ein Projekt zur Bewältigung der Dürre in Cunene, Huila und Namibe Geld bereitgestellt, aber bisher ist noch nichts passiert. Der Staatspräsident hat im Mai Cunene besucht, aber wir sehen noch keine Maßnahmen. Nur Nothilfe wird bisher geleistet, also Nahrung, sauberes Trinkwasser und etwas Tierfutter verteilt.
Ist die Nothilfe ausreichend?
Nach unserer Ansicht nicht. Wir beobachten jeden Tag, wie die Menschen leiden. Und Nothilfe ist sehr wichtig, aber ebenso wichtig wäre eine nachhaltige Förderung der Landwirtschaft. Wenn die Regierung das Wasserproblem löst, werden die Menschen selbst für die Entwicklung der Landwirtschaft sorgen.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
Neuen Kommentar hinzufügen