Planlos in Afghanistan

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird immer mehr zu offenem Krieg. Zivile hilfsorganisationen sehen sich in ihrer Arbeit behindert und militärisch vereinnahmt. Zivile Krisenprävention und Friedensförderung brauchen einen neuen Schub, forderten im Bundestag die Grünen. Der Antrag wurde abgelehnt, obwohl er auf wenig Widerspruch stieß.

„Better News statt Bad News“, nennt der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, seine laufenden Aufzeichnungen zur Entwicklung in Afghanistan. In der Ausgabe Nr. 5 vom Juni vermerkt das Papier unter anderem „Teilerfolge“ bei der Drogenbekämpfung. Der Mohnanbau gehe zurück, die beste Weizenernte seit 32 Jahren stehe bevor.

Doch steht da auch: Ende Mai hätten die „Sicherheitsvorfälle“ (Beschuss, Gefechte, Sprengstoff anschläge) erstmals die Wochenzahl von 300 überschritten. Auch die Bundeswehr-Soldaten sind immer häufiger in Kampfhandlungen verstrickt. Hilfsorganisationen klagen, ihre Arbeit werde immer schwerer. Wie zuvor schon die Welthungerhilfe und andere Organisationen forderte nun auch Caritas international eindringlich, das zivile und das militärische Engagement strikt auseinander zu halten. Der Ruf, „eingebettete Helfer“ zu sein, die ihre Arbeit nicht klar unterscheidbar von militärischem Engagement verrichten, sei lebensgefährlich.

Nachtwei klagt, es gebe bis heute keine „Wirksamkeitsanalyse“ der Afghanistan-Strategie der Bundesregierung, die einerseits auf Militär und andererseits auf zivile Hilfe setzt. Dabei steht auch für hohe Militärs fest: Um ein Land zu stabilisieren, kann „der militärische Anteil ein wichtiger Türöffner sein, aber er ist nicht ausreichend“, befindet General Rainer Glatz, Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, und schiebt – bei einer Diskussion der Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin – die Frage der Politik zu. Die aber wird erst nach der Bundestagswahl über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats entscheiden.

Handlungsbedarf aber besteht jetzt. Wenn die Regierung sich weiter nur auf die Bundeswehr konzentriere und nicht mindestens auch den Aufbau von Polizei und Justiz vorantreibe, sei der Einsatz in Afghanistan nahezu aussichtslos, mahnte schon im Mai das Friedensgutachten 2009.

Ein erster Anlauf, in dieser Diskussion voranzukommen, scheiterte kurz vor der Sommerpause im Bundestag. In einem Antrag (Drucksache 16/13392) hatten die Grünen die Bundesregierung aufgefordert, eine unabhängige Evaluation zur Umsetzung des inzwischen fünf Jahre alten Aktionsplans „Zivile Krisenprävention“ in Auftrag zu geben und eine Friedens- und Sicherheitsstrategie „mit dem Primat des Zivilen“ zu entwickeln. Verteidigungspolitiker Nachtwei forderte darüber hinaus, mittels einer „Afghanistan Task Force“ die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr, Ministerien, Entwicklungsorganisationen und internationalen Akteuren besser zu koordinieren. In der Plenumsdebatte zum Antrag gab es zwar wenig Widerspruch. Abgelehnt wurde der Antrag am Ende dennoch – so wie meistens, wenn Anträge aus der Opposition kommen, Inhalt hin oder her.

erschienen in Ausgabe 8 / 2009: Kaukasus: Kleine Völker, große Mächte
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