Ähnlich wie die Protestanten sieht Gülen wirtschaftlichen Erfolg durch harte Arbeit als gottgefällig an. Mit seinen Lehren hat er weltweit Erfolg. Seine Anhänger gründen Privatschulen, etwa in der Türkei, in Deutschland, den Niederlanden und den USA sowie Australien. Die Potsdamer Konferenz mit mehr als 150 Teilnehmern aus der ganzen Welt diente auch als Aushängeschild seiner Bewegung. Organisiert wurde sie vom Institut für Religionswissenschaften der Uni Potsdam und dem Forum für interkulturellen Dialog Berlin, einem Verein, dessen Ehrenvorsitzender Fethullah Gülen ist.
Die Gülen-Bewegung zeigte sich in Potsdam demonstrativ tolerant. Die Diskussionsforen wurden abwechselnd von evangelischen und katholischen Theologen sowie Rabbinern moderiert. Auch die Redner stammten aus den verschiedenen monotheistischen Religionen sowie der Wissenschaft und Politik. Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth lobte die Gülen-Privatschulen als „Sauerteig für die öffentlichen Schulen“, also als Herausforderung, das Niveau der staatlichen Schulen anzuheben. Zu den so genannten Dialog-Schulen haben nicht nur türkischstämmige oder muslimische Schüler Zugang. Die bisher elf Einrichtungen in Deutschland setzen auf die Vermittlung vor allem von Naturwissenschaften und eine werteorientierte Haltung.
Wie viele Anhänger Gülen weltweit zählt, lässt sich nicht ermitteln, da die Aktivitäten nicht zentral organisiert sind. Gülens Bewegung hat großen Einfluss auf einige wichtige Medien, darunter die zweitgrößte Zeitschrift der Türkei „Zaman“. Sie wird als wichtige Qualitätszeitung jedoch nicht nur von seinen unmittelbaren Anhängern gelesen. Ein Zeichen, wie weit verbreitet „Zaman“ ist, zeigte eine Umfrage der US-Zeitschrift „Foreign Policy“ und des britischen Magazins „Prospect“, die 2008 die wichtigsten lebenden Intellektuellen der Welt ermitteln wollten. Nach einem Aufruf in „Zaman“, sich an der Umfrage zu beteiligen, erreichte Fethullah Gülen unter 100 Kandidaten den ersten Platz. Zudem gehören zur Gülen-Gruppe ein Fernsehsender und eine Bank. Der Prediger selbst lebt inzwischen in den USA, da sein Wirken in der streng laizistisch orientierten Türkei auf Widerstand der Kemalisten gestoßen ist. Ihm wurde vorgeworfen, zu einer Übernahme des Staates durch fromme Muslime aufgerufen zu haben, er wurde aber in Abwesenheit von einem Gericht freigesprochen.
In Potsdam lobten die Redner durchweg Gülens Aufforderung an seine Anhänger, sich in ihrem Aufenthaltsland gesellschaftlich zu engagieren. Gülen wende sich ausdrücklich gegen Terror und Gewalt im Namen des Islam. Seine Lehre sei weniger auf Politik als vielmehr auf eine spirituelle Entwicklung ausgerichtet.
Reinhard Kirste, evangelischer Theologe und Gründer der Interreligiösen Arbeitsstelle in Westfalen, lobte Fethullah Gülen als „Brückenbauer der ersten Stunde“. Es sei an der Zeit, das Christentum nicht mehr als den Mittelpunkt der Religionen zu verstehen und grenzenübergreifend in Dialog zu treten. Gülen mache hier ein Angebot. Rainer Hermann, der als Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ 17 Jahre in Istanbul gelebt hat, nannte die Gülen-Bewegung „die heute wichtigste gesellschaftliche Bewegung in der Türkei“. Sie bilde ein Netzwerk für die neue türkische Mittelschicht, sowohl in der Türkei als auch in Deutschland. Hermann: „Dieser Islam ist keine Gefahr, sondern ein Partner.“ (Charlotte Schmitz)