„Wenn du für ein Jahr planst, pflanze Reis an. Wenn du für zehn Jahre planst, pflanze Bäume. Planst du aber für hundert Jahre, bilde Kinder aus.“ Diese alte Weisheit wird einem chinesischen Gelehrten aus dem 7. Jahrhundert vor Christus zugeschrieben. Und sie hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Der Wert der Bildung wächst im digitalen Zeitalter, in dem die Welt immer stärker vernetzt ist und die beruflichen Anforderungen rasch wechseln. Viele nichtstaatliche Organisationen, Regierungen, Geber und Entwicklungsbanken setzen sich deshalb einzeln und gemeinsam dafür ein, eine „inklusive, gerechte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle zu fördern“. So ist es im vierten Ziel der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung verankert.
Einer der größten Finanzgeber für Bildung im globalen Süden ist die Weltbank. Mit Programmen im Umfang von derzeit 15 Milliarden Euro unterstützt sie mehr als 80 Länder im globalen Süden. Zudem verwaltet sie den Fonds der 2002 gegründeten Globalen Bildungspartnerschaft (GPE), der Regierungen armer Länder dabei berät und begleitet, Bildungspläne zu erstellen und zu überprüfen, und ihnen dabei finanziell unter die Arme greift. Der GPE gehören rund 65 Entwicklungs- und 20 Geberländer an sowie internationale und zivilgesellschaftliche Organisationen, Lehrer und Vertreter von Unternehmen.
70 Prozent der Zuschüsse aus dem Fonds erhalten die Empfänger sofort, wenn sie einen verlässlichen Plan für den Bildungsbereich vorlegen, wenn sie erklären, wie sie Daten für die Erfolgsmessung erheben, und zusagen, ihre Ausgaben für Bildung zu erhöhen. Die restlichen 30 Prozent bekommen sie, wenn sie zuvor festgelegte Lernerfolge nachweisen können. Auf diese Weise gingen jüngst 88,5 Millionen Euro an Afghanistan für die nächsten fünf Jahre, um vor allem Mädchen in abgelegenen Provinzen den Schulbesuch zu ermöglichen. Zudem sollen mit dem Geld neue Schulen gebaut, Lehrer besser ausgebildet und neue Lehrpläne erstellt werden.
Fokus auf Krisenregionen
Besonderes Augenmerk legt die GPE auf Länder, in denen Kriege und Konflikte herrschen. Hier arbeitet sie eng mit dem Fonds „Education cannot wait“ zusammen, der seit Anfang 2017 Mädchen und Jungen in humanitären Krisen den Schulbesuch ermöglichen will. Der Fonds wird vom UN-Kinderhilfswerk UNICEF verwaltet, eingebunden sind Regierungen, humanitäre und Entwicklungsorganisationen. Der Unterricht findet in Flüchtlingslagern, in improvisierten Gebäuden oder unter freiem Himmel statt – Hauptsache, die Kinder und Jugendlichen bekommen Orientierung für ihr Leben und die Chance, mehr daraus zu machen. Wie der 13-jährige Jospin aus einem Lager für intern Vertriebene in der Zentralafrikanischen Republik. Dort hat „Education cannot wait“ eine Schule für knapp 1700 Schülerinnen und Schüler aufgebaut. Er liebe den Unterricht, sagt Jospin – und will Arzt werden.
Autorin
Gesine Kauffmann
ist Redakteurin bei "welt-sichten".Die Praxis studieren – statt grauer Theorie
Dünn gestreut: So zeigt sich die deutsche Wissenschaftskooperation mit Afrika. Seit 2014 strengt Deutschland sich an, den Austausch zu verbessern: Deutsche und afrikanische Wissenschaftler ...
Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) setzt im Bildungsbereich in ihren Partnerländern vor allem auf Grund- und Berufsbildung. 2017 hat sie dafür rund 66,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In den kommenden Jahren will sie ihr Engagement verstärken: Der Bundesrat hat beschlossen, die Finanzmittel für den Zeitraum von 2017 bis 2020 um die Hälfte gegenüber dem Zeitraum 2013 bis 2016 zu erhöhen.
Eine Schule besuchen ist nicht dasselbe wie lernen
Wie erfolgreich sind all diese Anstrengungen? Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) überwacht die Fortschritte beim SDG vier. In ihrem Monitoring-Bericht von Anfang Dezember 2018 muss sie feststellen: Trotz Erfolgen sei man „nicht auf dem Weg, das Ziel bis 2030 zu erreichen“. Obwohl die Alphabetisierungsrate bei Jugendlichen und Erwachsenen global betrachtet in den vergangenen beiden Dekaden von 83 auf 92 Prozent gestiegen sei, könnten noch immer 750 Millionen Menschen weltweit nicht lesen und schreiben, zwei Drittel davon sind Frauen. 262 Millionen Kinder und Jugendliche besuchten keine Schule. Und mehr als die Hälfte der Heranwachsenden sei nicht in der Lage, zu lesen und einfache Rechenaufgaben zu lösen, obwohl die Mehrzahl von ihnen die Schulbank drückt.
Eine Schule besuchen ist eben nicht dasselbe wie lernen. Das stellt auch die Weltbank in ihrem Weltentwicklungsbericht (WDR) 2018 etwas selbstkritisch fest und listet eine Reihe von Gründen dafür auf: mangelernährte Kinder aus armen Familien sind körperlich und geistig nicht in der Lage, dem Unterricht zu folgen; Lehrer sind schlecht ausgebildet, unterbezahlt und bleiben öfter dem Unterricht fern; es fehlen Bücher und Computer; die Schulen werden schlampig geführt. Die Ursachen für die Lernkrise lägen jedoch tiefer: Oft würden Bildungssysteme von widerstreitenden wirtschaftlichen und Machtinteressen von Politikern, Behördenmitarbeitern, Lehrern und Unternehmern unterminiert – etwa, indem politische Entscheidungsträger bestimmte Ethnien oder Gegenden vorrangig mit Schulen versorgten, um ihren Rückhalt zu sichern.
Das oberste Ziel, Wissen inhaltlich und didaktisch gut zu vermitteln, gerate aus dem Fokus, kritisiert die Weltbank. Und dort – bei den Systemen – müssten Veränderungen ansetzen. Dafür sei zwar mehr Geld nötig, das allein reiche jedoch nicht, meinen die Weltbank-Experten und belegen mit einer Reihe von Studien, dass eine Erhöhung der öffentlichen Bildungsausgaben nicht automatisch zu besseren Lernerfolgen führt.
Zusätzliche Darlehen für Bildungsprogramme
Als Ausweg aus der Krise hat die internationale Bildungskommission unter Leitung des UN-Sondergesandten für globale Bildung, Gordon Brown, dennoch bereits vor zwei Jahren ein neues Finanzierungsinstrument vorgeschlagen. Mit dessen Hilfe könnten 200 Millionen Kinder weltweit zusätzlich in die Schule geschickt werden, so die Kommission. Die International Finance Facility for Education (IFFE) soll es Entwicklungsbanken ermöglichen, mit Hilfe von Bürgschaften und Zuschüssen von Gebern armen Ländern zusätzliche Darlehen für Bildungsprogramme zu geben. Das könne zur „größten Bildungsinvestition der Geschichte“ werden, betont Kommissionsmitglied Ngozi Okonjo-Iweala, die unter anderem Finanzministerin Nigerias war, in einem Zeitungsbeitrag. Für den Start würden Bürgschaften in Höhe von 1,7 Milliarden Euro benötigt, fügt sie hinzu.
Bei der Weltbank und weiteren vier regionalen Entwicklungsbanken stößt das Instrument auf große Zustimmung. Auch die Regierungen zahlreicher Länder aus Süd und Nord, darunter Bangladesch, Pakistan, Malawi und die Elfenbeinküste sowie Großbritannien, Norwegen, Kanada und die Niederlande, sagten bei der UN-Vollversammlung im September 2018 ihre Unterstützung zu. Derzeit liefen Beratungen darüber, wie die IFFE genau ausgestaltet sein solle, und man sei zuversichtlich, dass ab 2019 die ersten Darlehen vergeben werden können, heißt es bei der internationalen Bildungskommission.
Doch es melden sich auch kritische Stimmen zu Wort. Owen Barder und Andrew Rogerson von der US-amerikanischen Denkfabrik Center for Global Development bezweifeln einerseits, dass es eine Nachfrage dafür gibt. Regierungen armer Länder liehen sich schon jetzt ungern Geld für Vorhaben, die sich nur langfristig auszahlten – wie es bei Bildung der Fall ist. Und andererseits: Auch die IFFE könne nicht garantieren, dass die finanzierten Programme erfolgreich sind.
Die Bundesregierung zögert noch. Man prüfe derzeit, ob eine „finanzielle Beteiligung haushaltsrechtlich möglich und entwicklungspolitisch sinnvoll ist“, teilt ein Sprecher des Entwicklungsministeriums auf Anfrage mit. Auf der Online-Kampagnenplattform „Avaaz“ hingegen läuft eine Petition an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die IFFE als „bahnbrechenden Plan“ der UN zu unterstützen. Knapp 73.000 Unterzeichner (Stand Mitte Januar) haben sich schon gefunden. Um Bildung sorgen sich nicht nur chinesische Gelehrte.
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