Misereor: Teilen statt herrschen

Hilfswerke
Mit Appellen für einen nachhaltigen Konsum hat das katholische Hilfswerk sein 60-jähriges Jubiläum gefeiert. Damit alle genug für ein menschenwürdiges Leben haben.

Joseph Kardinal Frings war ein weitsichtiger Mann. Der frühere Erzbischof von Köln plädierte schon 1958, inmitten des deutschen Wirtschaftswunders, sinngemäß für eine „Ökonomie des Genug“ und appellierte an die Gläubigen, sich nicht gedankenlos dem Wachstumsprinzip zu unterwerfen – eine Forderung, die heute, 60 Jahre später, immer noch unter dem Begriff „Degrowth“ diskutiert wird.

Frings wählte sogar damals schon das Symbol, an dem diese Debatte heute noch oft festgemacht wird: das Auto. Wer bisher einen Volkswagen gefahren habe, sagte Frings, und sich nun einen Mercedes leisten könne, der solle doch weiter den alten Wagen fahren und die gesparten 3000 oder 4000 Mark für den Kampf gegen den Hunger in der Welt spenden. Heute würde Frings wohl darauf hinweisen, dass es keinen triftigen Grund gibt, mit panzerartigen Geländewagen durch deutsche Großstädte zu kutschieren.

Die Reichen sollen U-Bahn fahren

Frings' Rede auf der Bischofskonferenz im August 1958 in Fulda war der Startschuss für das katholische Hilfswerk Misereor, das unlängst in Berlin seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Misereor-Geschäftsführer Pirmin Spiegel erinnerte in seiner Begrüßung an den Appell des Kölner Kardinals und erläuterte das zentrale Anliegen von Misereor: Das Hilfswerk will gemeinsam mit seinen Partnern im Süden zu einer Welt beitragen, in der alle genug für ein menschenwürdiges Leben haben.

„Teilen statt herrschen“ lautete das Motto des Abends – und Spiegel hatte dazu noch ein weiteres, aktuelles Zitat aus der Welt der Mobilität parat: „In einer gut entwickelten Stadt fahren nicht die Armen Autos, sondern die Reichen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“ Gesagt hat das der amtierende Bürgermeister von Bogotá in Kolumbien.

Auch die Podiumsdiskussion drehte sich vor allem um die Begriffe Konsum, Wachstum und Teilen. Der aus Äthiopien angereiste Bischof Abba Tesfaselassie Medhin mahnte, dass von krasser Ungerechtigkeit geprägte Gesellschaften langfristig nicht lebensfähig seien. Das sei wie in einer Familie, in der ein Mitglied von den anderen ausgeschlossen werde: Früher oder später führe das zu Unfrieden und Revolte.

Wer hat den schwarzen Peter?

Marlehn Thieme, Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung, skizzierte das aus ihrer Sicht grundlegende Dilemma, warum es mit einem verantwortlichen Konsum in der reichen, satten Welt nicht richtig vorangeht: Die Wirtschaft wartet auf Signale ihrer Kundschaft – etwa dass Großstadtpanzer nicht mehr erwünscht seien –, während die Kunden und Kundinnen achselzuckend weiter in ihre PS-Boliden klettern, weil die Wirtschaft ja nichts anderes anbietet.

Das sei genau das Argument, hinter dem sich die Politik gern verstecke und mit dem sie ihr Nichtstun rechtfertige, entgegnete Uwe Kekeritz, der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag. Die Politik aber müsse Rahmenbedingungen setzen – auch für nachhaltigen Konsum. Kekeritz sah sich aufgefordert, der Diskussionsrunde zu erklären, was sie von ihm als Politiker erwarten könne: „Den richtigen Konsum predigen – das sollen die Kirchen machen. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, klare Verhältnisse zu schaffen.“

Für klare Verhältnisse am Geburtstagsabend von Misereor sorgte auch Entwicklungsminister Gerd Müller: Das Hilfswerk könne im kommenden Jahr mit 138 Millionen Euro Fördergeldern aus seinem Haus rechnen. Das sei „gut investiertes Geld“, sagte Müller und verteidigte die „privilegierte Partnerschaft“ der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit den Werken der katholischen und auch der evangelischen Kirche. Sprach's und verabschiedete sich in den Bundestag zur entscheidenden Sitzung zum Bundeshaushalt 2019.

 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2018: Mehr als Reis und Weizen
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