Die Schweiz führt seit Jahren einen Dialog mit Vietnam, um auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken. Er zählt in diesem Jahr zu den Schwerpunkten der Menschenrechtspolitik. Botschafter Rudolf Knoblauch, der den Dialog leitet, ist im März zur siebten Gesprächsrunde nach Vietnam gereist. Er berichtet von Fortschritten.
Warum führt die Schweiz mit Vietnam einen Menschenrechtsdialog?
Zwei Drittel aller Staaten haben Defizite bei der Beachtung der Menschenrechte. Doch nicht jedes Land ist gleichermaßen bereit, daran zu arbeiten. Die Schweiz führt mit rund einem halben Dutzend Staaten Menschenrechtsdialoge. In Vietnam ist die Bereitschaft für Veränderungen groß.
Welche Defizite hat Vietnam bei den Menschenrechten? Worüber sprechen Sie bei den Treffen?
Defizite gibt es beispielsweise bei der Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit. Auch die Zustände in den Gefängnissen sind zum Teil problematisch. Wir sprechen mit Vietnam über alles - über das Strafrecht und den Strafvollzug, aber auch über Religionsfreiheit, die Rechte von Minderheiten und die Gleichstellung.
Nützt es denn etwas, über diese Themen zu sprechen?
Ja, mit Gesprächen kann viel erreicht werden. Der Menschenrechtsdialog beinhaltet zudem auch konkrete Projekte, die von der Schweiz finanziert werden. Experten aus der Schweiz bilden beispielsweise vietnamesische Gefängnisdirektoren und -wärter aus. Sie vermitteln ihnen die Umsetzung von internationalen Konventionen, die Vietnam unterzeichnet hat.
Was hat der Dialog bisher konkret gebracht?
Die Resultate zu messen, ist nicht immer einfach. Noch dieses Jahr soll der Dialog aber von unabhängiger Seite evaluiert werden. Fest steht, dass sich die Menschenrechtslage in Vietnam in den vergangenen Jahren stark verbessert hat. Todesurteile werden nicht mehr vollstreckt, in den Gefängnissen wird weniger gefoltert, und die Religionsfreiheit wird offiziell anerkannt.
Menschenrechtsorganisationen berichten aber von zahlreichen Verstössen gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung.
Natürlich gibt es nach wie vor Defizite, sonst müssten wir uns ja nicht mehr zu Gesprächen über Menschenrechte treffen. Doch aus unserer Sicht verläuft der Dialog mustergültig.
Warum funktioniert der Dialog mit Vietnam denn besser als die Dialoge mit anderen Staaten, beispielsweise mit China?
Zum einen, weil Vietnam mit der Schweiz einigermaßen vergleichbar ist, auch von der Größe her. Der Dialog zwischen Ländern, die Gemeinsamkeiten haben, gestaltet sich immer einfacher. Zum andern aber auch, weil im Fall von Vietnam der politische und mediale Druck nicht so groß ist wie im Fall von China. Der öffentliche Druck kann den Dialog erschweren und sogar Abwehrreflexe hervorrufen .
Vietnam ist ein Schwerpunktland des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Ist es nicht problematisch, dass die Schweiz ihre Handelsbeziehungen mit einem Land ausbaut, das die Menschenrechte missachtet?
Es ist sinnvoll, die wirtschaftliche Entwicklung und die Verbesserung der Menschenrechtslage gleichzeitig voranzutreiben. Die Vietnamesen haben gemerkt, dass ihnen die Einhaltung der Menschenrechte nützt. Deshalb sind sie mit Enthusiasmus dabei.
Die Bezeichnung „Dialog" suggeriert, dass beide Parteien gleichberechtigt sind. Ist es faktisch nicht eine einseitige Angelegenheit?
Nein, der Dialog verläuft symmetrisch. Bei manchen Themen hat die Schweiz die Themenführerschaft, bei anderen Vietnam. Wer für ein Thema verantwortlich ist, hat das Erstspracherecht. Auch in der Schweiz gibt es Defizite. Die vietnamesische Delegation ist stets gut informiert und spricht uns auf heikle Themen an, zum Beispiel auf die Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten. Über Religionsfreiheit müssen auch wir diskutieren.
Das Gespräch führte Charlotte Walser, InfoSüd
Rudolf Knoblauch ist Botschafter für menschenrechtspolitische Fragen im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten.
Amnesty International prangert Vietnam an Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellt Vietnam in ihrem jüngsten Bericht, der sich auf das Jahr 2007 bezieht, ein eher schlechtes Zeugnis aus. Danach sind zahlreiche Dissidenten inhaftiert worden. So sitze etwa Truong Quoc Huy eine sechsjährige Haftstrafe ab. Er wurde wegen „Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" verurteilt. Laut Amnesty hatte er in einem Internetforum an einer Diskussion über Menschenrechte teilgenommen. Nach dem Abschluss von Handelsabkommen beim Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum seien die Behörden besonders scharf gegen friedliche Proteste vorgegangen. Ferner ist die ethnische Minderheit der Montagnards laut Amnesty noch immer Schikanen ausgesetzt. Dem Instrument „Menschenrechtsdialog" steht die Organisation eher skeptisch gegenüber. Es gelte, klare Ziele zu setzen und regelmäßig zu überprüfen, ob diese erreicht wurden. Auf keinen Fall dürfe ein Dialog die Kritik unterbinden oder dazu führen, dass andere Instrumente - zum Beispiel Demarchen oder Resolutionen in UN-Gremien - nicht mehr angewandt werden.
(IS)